"1899"-Showrunner: Womit wir Hardcore-Fans von "Dark" enttäuschen müssen

  • Am 17. November startet die Mystery-Serie „1899“ auf Netflix.
  • Die Erwartungen sind enorm, da die Serie aus der Feder der Showrunner Jantje Friese und Baran bo Odar stammt, die mit dem Vorgänger „Dark“ einen Welthit und absoluten Fanliebling geschaffen haben.
  • Im Interview mit unserer Redaktion sprechen die beiden über „1899“, die neuartige Drehtechnik mithilfe eines LED-Volume und ihre Leidenschaft für Mystery und Puzzles.

Es ist fast unmöglich, über die Handlung von „1899“ zu sprechen, ohne etwas zu spoilern. Wie würden Sie Ihre Serie beschreiben, ohne etwas zu verraten?

Jantje Friese: Die Serie ist ein Mystery-Puzzle. Man muss auf jedes Detail achten, die Puzzle-Teile aufheben und dann versuchen, sie miteinander zu verknüpfen. „1899“ wird für die Zuschauerinnen und Zuschauer hoffentlich eine Achterbahnfahrt mit vielen spannenden Windungen.

Bei der Vorgängerserie „Dark“ haben sich viele Menschen Notizen gemacht, um den Durchblick zu behalten. Würden Sie das bei „1899“ auch empfehlen?

Baran bo Odar: Ich glaube, das ist tatsächlich nicht notwendig. Es geht nicht so sehr um Verwandtschaftsbeziehungen wie bei „Dark“. Und das war es ja, was sich die Leute aufgeschrieben haben. Wer ist mit wem verwandt? Wer ist der Sohn von wem und könnte gleichzeitig der Vater sein? Das kann man bei „1899“ etwas entspannter sehen und einfach die Show genießen. Aber wer sich Notizen machen will, ist natürlich herzlich eingeladen. Es ist nicht verboten (lacht).

„Dark“ hat eine riesige Fan-Gemeinde weltweit, entsprechend groß sind die Erwartungen. Wie gehen Sie damit um?

Jantje Friese: Jetzt kurz vor dem Release ist der Druck wieder enorm zu spüren, das kann man nicht wegdiskutieren. Nach „Dark“, als wir mit der Entwicklung von „1899“ angefangen haben, hat es sich auch so angefühlt. Wir haben gedacht: „Puh, jetzt haben wir etwas gemacht, das so liebevoll aufgenommen wird. Wie gehen wir jetzt an einen neuen Stoff ran?“ Dieses Gefühl hatten wir ein paar Wochen lang. Dann haben wir uns davon gelöst und uns gesagt, dass wir wieder ganz spielerisch etwas entwickeln wollen und einfach so tun, als hätten wir vorher noch nichts gemacht. Wir mussten sozusagen ausblenden, dass „Dark“ existiert und es diese Fangemeinde gibt. Aber jetzt sind wir natürlich nervös. Es ist wie mit dem eigenen Kind. Man schickt es raus in die Welt und alle Leute schauen es an. Man kann selbst nichts mehr tun, um es zu beschützen. Jetzt liegt es an den Zuschauerinnen und Zuschauern, wie ihnen „1899“ gefällt.

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Stört es Sie, dass „1899“ schon im Vorfeld immer wieder als der „Dark“-Nachfolger bezeichnet wird?

Baran bo Odar: Nein, denn es stimmt ja. „1899“ ist der Nachfolger von „Dark“. Es sind die beiden gleichen Showrunner, die die Serie gemacht haben. Aber wir müssen Hardcore-Fans von „Dark“ enttäuschen. Denn „1899“ wird nichts mit „Dark“ zu tun haben. Das sagen wir schon seit Tagen, weil sich manche Fans das wünschen. Es tut uns leid, aber das wird nicht passieren. „1899“ ist eine eigenständige Geschichte. Dennoch gibt es natürlich Parallelen. Es geht wieder um eine größere, philosophisch und wissenschaftlich interessante Frage. Aber diese wird anders sein als in „Dark“.

Sie sind beide in kleinen Städten aufgewachsen, die deutsche Provinz lieferte Inspiration für „Dark“. Was hat Sie nun inspiriert, eine Geschichte umzusetzen, die auf dem Atlantik, auf einem Auswandererschiff, spielt?

Jantje Friese: In diesem Fall liegen die kleinen deutschen Städte in Europa, in einem etwas größeren Konstrukt. Wir fühlen uns als Europäer. Wir sind als Teenager mit Interrail quer durch Europa gefahren und haben in der Schule verschiedene Sprachen gelernt. Wir haben Europa immer als unsere Heimat empfunden. Diese Grenzenlosigkeit, dass alles zusammengehört. Mit der Flüchtlingskrise von 2015 haben wir dann das Gefühl bekommen, dass diese gewohnte Stabilität auseinanderbricht. Das hat uns Angst gemacht, wir fanden das nicht richtig. Wir wollten deshalb Europa unter Laborbedingungen betrachten. Indem wir verschiedene Kulturen und Sprachen in ein Schiff verfrachten und schauen, was passiert, wenn sie in einem abgeschlossenen Raum aufeinandertreffen. Auf der anderen Seite wollten wir selbst im Prozess des Filmemachens eine ähnliche Erfahrung machen. Mit kreativen Menschen aus anderen Ländern zusammenarbeiten, die das gleiche Bedürfnis haben: über Grenzen hinweg Kreatives zu schaffen. Das war eine sehr, sehr bereichernde Erfahrung. Das ist es, was verbindet: der europäische Gedanke.

In der Serie werden neun verschiedene Sprachen gesprochen, durch die Untertitel ist es kein Problem, die Dialoge zu verstehen. Aber wie haben Sie am Set den Überblick behalten?

Baran bo Odar: Nicht nur der Cast war international, auch die Crew war international. Die Set-Sprache war Englisch, alle konnten sich verständigen. Englisch zu sprechen, war die Bedingung, um mitmachen zu können. Wir hatten ein riesiges Team an Übersetzern und Dialog-Coaches, die uns auf der Sprachebene schon beim Schreiben von „1899“ geholfen haben. Am Set konnten die Übersetzer mir dann sagen, wie gerade etwas beispielsweise im Kantonesischen gesagt wurde und ob das für mich so passt. Das große Team hat uns täglich geholfen. Die verschiedenen Sprachen wurden zur Selbstverständlichkeit und es war dann auch nicht mehr so schwer.

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Jede Folge von „1899“ endet mit einem Cliffhanger und einem Rocksong aus den 1960er- und 70er-Jahren. Wie kam die Musikauswahl zustande?

Jantje Friese: „White Rabbit“ von „Jefferson Airplane“ war von Anfang an gesetzt. Ein paar der Songs waren auch schon in den Drehbüchern drin, einige andere haben nicht zu den Bildern gepasst und wir haben sie ausgetauscht. Das Konzept, dass am Ende der Folgen Songs aus dieser Ära auftauchen, war von Anfang an so geplant und ist ein Hinweis. Die Songs stehen nicht einfach im luftleeren Raum, sondern sind Teil des Puzzles.

Als erste europäische Produktion wurde „1899“ vor einem LED-Volume auf der Virtual Production Stage im Studio Babelsberg gedreht. Wie sehr verändert sich das Filme- beziehungsweise Serienmachen durch diese technischen Möglichkeiten?

Jantje Friese: Der Technik gehört auf jeden Fall die Zukunft. Es ist eine wahnsinnig spannende Technologie, die zwei Felder miteinander verbindet: Das Gaming und das Filmemachen. Die Technologie ist aber auch kompliziert, man muss sie sich erst mal aneignen. Wir haben fast ein Jahr lang vorbereitet und ausprobiert, was funktioniert und was nicht. Wir haben Schritt für Schritt gelernt, das Team von Disneys Star-Wars-Serie „The Mandalorian“ hat uns ganz viele Tipps gegeben. Es ist toll, dass die Filmfamilie in dieser Pionierphase der Technik untereinander Informationen austauscht. Das Gleiche tun wir jetzt auch für andere, die mit dieser Technologie drehen. Wir vermitteln, was wie funktioniert und worauf es zu achten gilt. Es war ein spannender Prozess für uns, weil wir etwas Neues lernen mussten und wir es eben nicht klassisch so gemacht haben wie zuvor bei drei Staffeln „Dark“. Und wir sind vom Ergebnis total begeistert! Beim Speisesaal und dem Maschinenraum in „1899“ funktioniert die Illusion so perfekt, dass viele Menschen gar nicht glauben können, dass diese Räume nicht real existieren. In den nächsten Jahren wird sich die Technik noch so krass weiterentwickeln, wir werden sie sicherlich in vielen Filmen und Serien sehen.

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Auf wie viele Staffeln ist „1899“ angelegt?

Baran bo Odar: Natürlich hängt es davon ab, wie viele Menschen sich „1899“ anschauen. Wenn es niemand schaut, gibt es keine zweite Staffel. Aber wir haben die Serie wie bei „Dark“ auf drei Staffeln angelegt, weil wir glauben, dass Mystery am besten über drei Staffeln erzählt werden kann. Wenn es mehr werden, wiederholt man sich irgendwann und dann wird es enttäuschend.

Die Rätsel von „Dark“ waren ein beliebtes Gesprächsthema, bei „1899“ wird es nicht anders sein. Sie beide sind verheiratet, wie oft sprechen Sie zu Hause über die Serien?

Jantje Friese: Wir reden natürlich andauernd darüber. Auch im Sinne davon, was man am Plot verändern könnte oder wann wir welche Information mitteilen sollten. Wir haben vor einigen Jahren die Serie „Lost“ gemeinsam geschaut und damals total viel über die Bedeutung gesprochen und gerätselt. Jetzt haben wir uns ein ewiges „Lost“ in unserer Beziehung geschaffen, indem wir Mystery-Serie kreieren (lacht). Das Rätseln und Puzzlen liegt uns einfach und macht uns Spaß.

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