London – „Niemals beschweren, niemals erklären“ – so lautet eigentlich seit langer Zeit das Motto der britischen Königsfamilie, wenn es um die Berichterstattung in den Boulevardmedien über sie geht. Doch Prinz Harry hat mit diesem Grundsatz gebrochen – zunächst in Interviews und Veröffentlichungen und nun auch vor Gericht.
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Im Bespitzelungsprozess gegen den Verlag Mirror Group Newspapers (MGN) wird der 38-Jährige heute vor dem Londoner High Court erwartet. Spätestens am Dienstag wird damit gerechnet, dass er selbst in den Zeugenstand tritt. Er muss dabei auch dem Anwalt der Gegenseite Rede und Antwort stehen. Laut britischen Medien wird es das erste Mal seit dem 19. Jahrhundert sein, dass ein Mitglied der Königsfamilie ins Kreuzverhör genommen wird.
Sie bezichtigen zudem auch die Führungsebene von Blättern und Verlag, von den Machenschaften gewusst zu haben, nicht eingeschritten zu sein und das Vorgehen später vertuscht zu haben.
Feldzug gegen die Boulevardpresse
Dass illegale Praktiken bei den drei Blättern angewandt wurden, ist bereits aus anderen Verfahren bekannt. Die konkreten Vorwürfe im aktuellen Prozess weist der Verlag jedoch entschieden zurück. Zudem argumentieren die Anwälte, die sechsjährige Klagefrist sei längst abgelaufen. Harry und andere Kläger halten dem entgegen, sie seien sich erst nach und nach darüber bewusst geworden, was geschehen sei und hätten daher nicht früher reagieren können.
Für Prinz Harry ist der Auftritt im Zeugenstand womöglich nur einer von mehreren. Der jüngere Sohn von
Harry macht keinen Hehl daraus, dass er die „tabloid press“, wie die Boulevardmedien in Großbritannien genannt werden, für den Unfalltod seiner Mutter verantwortlich macht. Seit Dianas Tod sei er von Journalisten und Paparazzi unerbittlich verfolgt, gedemütigt und in seinen Beziehungen zu Frauen regelrecht sabotiert worden, legte er in der im Januar veröffentlichen Biografie „Reserve“ (Englisch: „Spare“) dar.
Erst kürzlich gingen er und seine Frau Meghan an die Öffentlichkeit mit dem Vorwurf, sie seien nach einer Veranstaltung in New York von Fotografen in einer Verfolgungsjagd durch die Stadt gehetzt worden. Die Darstellung, die in ihrer Dramatik nicht von unabhängiger Seite bestätigt wurde, erinnerte an die Todesfahrt seiner Mutter, Prinzessin Diana, im Sommer 1997 in Paris. Sie wurde damals ebenfalls von Paparazzi verfolgt.
Annäherung mit der Familie?
Die Zeugenaussage Harrys beim Prozess gegen den „Mirror“-Verlag dürfte einem ähnlichen Duktus folgen. Mit dem Unterschied aber, dass auch der Anwalt der Gegenseite Fragen stellen darf und womöglich versuchen wird, seine Glaubwürdigkeit infrage zu stellen.
Drei Tage – von Montag bis Mittwoch – sind für Prinz Harrys Vorwürfe angesetzt. Er wird sich voraussichtlich zu Details äußern müssen, die im Fokus der beanstandeten Berichterstattung standen. Dabei soll es um 33 Artikel aus den Jahren 1996 bis 2009 gehen, deren Inhalt nach Ansicht Harrys nur durch illegale Methoden in die Hände der Journalisten gelangen konnte.
Thematisiert werden dürfte unter anderem die Beziehung zu seiner Ex-Freundin Chelsy Davy, die nach Harrys Angaben durch die Dauerbeobachtung der Boulevardmedien in die Brüche ging.
Ebenfalls beleuchtet werden dürfte die Rolle des früheren „Mirror“-Chefredakteurs und TV-Moderators Piers Morgan, dem Harry und seine Anwälte vorwerfen, in die illegalen Tätigkeiten verstrickt gewesen zu ein. Morgan gilt inzwischen als schärfster Kritiker von Harrys Frau, Herzogin Meghan.
Ob Harry den Aufenthalt in London auch für eine Annäherung mit der Familie nutzen wird, ist ungewiss. Das Verhältnis zu den übrigen Royals gilt inzwischen als äußerst angespannt. Dass er erneut mit privaten Details in die Öffentlichkeit geht, dürfte im Palast nicht gerade auf Begeisterung stoßen. Sein Vater Charles jedenfalls dürfte von dem Trubel um Harrys Zeugenaussage in London womöglich nicht viel mitbekommen: Er macht derzeit alleine Urlaub in Rumänien, wo er mehrere Ferienhäuser in abgeschiedenen Gegenden Siebenbürgens besitzt – angeblich ohne Zugang zu Radio, Fernsehen oder Internet. © dpa
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