Die Sportfreunde Stiller haben Anfang der 2000er Jahre den großen Durchbruch geschafft. Songs wie "Ein Kompliment" oder "Applaus, Applaus" machten die drei bayerischen Musiker berühmt. Nach ihrem letzten Album im Jahr 2016 wurde es allerdings still um Peter Brugger (49), Florian Weber (47) und Rüdiger Linhof (49). Doch nun melden sich die Sportis, wie Fans sie gerne nennen, zurück. An diesem Freitag (6. Mai) erscheint mit "I'm Alright" ihre erste Single nach rund sechs Jahren Pause. Doch damit nicht genug: Am 16. September folgt das langersehnte neue Album "Jeder nur ein X", im Sommer touren sie durch die Republik – stehen bei Festivals wie Rock am Ring auf der Bühne.
Dass die Sportfreunde Stiller wieder zusammen auftreten, ist nicht selbstverständlich. "Lange Zeit haben wir nicht geglaubt, dass wir nochmal ein Album machen", gesteht Bassist Rüdiger Linhof in einem Doppelinterview mit Frontmann Peter Brugger. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur spot on news verraten die Musiker den Grund für ihre langjährige Pause und wie es zum Comeback gekommen ist. Außerdem sprechen die beiden über Depressionen, die Liebe und wie es mit der Band Sportfreunde Stiller weitergeht.
Ihre neue Single trägt den Titel „I’m Alright“. Geht es Ihnen denn aktuell gut?
Rüdiger Linhof: Privat geht es mir total gut. Ich freue mich auf die kommenden Konzerte. Vor allem nach dem ersten. Jetzt weiß ich, dass wir es noch können. Aber ich bin ein News-Junkie und vernetzt mit Leuten, die viel mit der Ukraine zu tun haben. Deshalb habe ich einen relativ guten Einblick, was in dem Land gerade los ist. Das besorgt mich sehr. Aber trotz allem, was gerade passiert, muss man sich freuen dürfen.
Wie sieht es bei Ihnen aus, Herr Brugger?
Peter Brugger: Ich kann nur bestätigen, was Rüdiger sagt. Zwischendurch bereitet mir die momentane Lage Sorgen. Es macht sich ein Gefühl der Schwere, aber auch des Mitgefühls breit. Nach zwei Jahren Pandemie hatten alle die Hoffnung, dass das Leben ein bisschen leichter wird – und dann beginnt dieser schreckliche Krieg. Aber ich suche mir Momente des Glücks und der Zufriedenheit. Zwar fragt man sich, ob das in diesen Zeiten angemessen ist. Aber ich bin zur Überzeugung gekommen: Das muss sein.
Linhof: Ja, es muss sein. Es ist wichtig, dass wir in irgendeiner Form zuversichtlich bleiben und uns eine gute Zeit gönnen.
Im September erscheint Ihr neues Album, das letzte stammt aus dem Jahr 2016. Was ist in der Zwischenzeit passiert?
Brugger: Es ist viel passiert. In der Band herrschte erstmal Funkstille. Wir haben uns nicht gut verstanden, als wir die Live-Auftritte 2017 beendet haben. Wir hatten unterschiedliche Meinungen und haben uns voneinander entfernt. Deshalb haben wir den Cut gemacht, wir gingen mit völlig offenem Ende auseinander. Jeder hat entweder andere Projekte gestartet oder sich ins Privatleben zurückgezogen. Vor rund zwei Jahren haben wir den Entschluss gefasst, es wieder miteinander probieren zu wollen. Wir haben uns getroffen, hatten unsere Instrumente dabei – wir wollten reden und Bier trinken. Aber auch herausfinden, ob wir uns wieder annähern können. Dann ist etwas Schönes passiert: Wir haben uns Corona-freie Bubbles geschaffen, in denen wir wieder zusammen Musik gemacht haben. Dabei ist auch noch eine neue Platte entstanden. Wir sind wieder näher zusammengerückt, haben ein besseres Verständnis füreinander und wieder Lust, gemeinsam zu spielen.
Also hatten Sie gar nicht geplant, ein neues Album aufzunehmen? Es ist zufällig entstanden?
Linhof: Lange Zeit haben wir nicht geglaubt, dass wir nochmal ein Album machen. Doch diese Corona-freie Bubble hatte etwas Unerhörtes und Witziges. Wir haben uns zusammen in einer Wohnung eingeschlossen und Musik gemacht, denn beruflich durften wir uns treffen. Es war kein Proberaum, sondern ein Zimmer mit normalen Fenstern. Wir haben ein Dorf beschallt. Das Erste, was dabei herauskam, war "I'm Alright" – und ist nun die erste Single.
Das neue Album trägt den Titel „Jeder nur ein X“. Was hat es mit dem Namen auf sich?
Linhof: "Jeder nur ein Kreuz" heißt es. Der Satz stammt aus dem Monty-Python-Film "Das Leben das Brian". Für mich steht das auch fürs Album. Heutzutage werden jedem von uns diverse Kreuze angeboten, obwohl manchmal eines ausreicht. Auf dem Album bewahren wir uns unseren positiven Blick auf bestimmte Dinge. Das will ich mir auch nicht nehmen lassen. Es ist eine Grundhaltung, ich kann gar nicht anders.
Brugger: Wir leben in einer offenen Gesellschaft und haben zum Glück eine Wahl. Mir wird immer wieder bewusst, wie frei wir leben können. Obwohl das während der Pandemie zur Diskussion stand. Wir haben in vielen Momenten eine Wahlmöglichkeit. Durch diese Offenheit entsteht auch Hoffnung. Das stelle ich auch in unseren Liedern fest. Ich habe gar keine Lust, am Ende eines Songs in einem schwarzen Loch zu versinken.
Das stimmt. In Ihren Songs schwingt immer Hoffnung mit – haben Sie sie jemals verloren?
Brugger: Klar, jeder hat Momente der Niedergeschlagenheit oder der Traurigkeit. Dann schwindet auch meist die Hoffnung. Aber ich kann von Glück reden, dass sich bei mir immer wieder eine Tür öffnet.
In „Wir stellen einen Wächter“ thematisieren Sie Depressionen. Warum ist die Krankheit Ihrer Meinung nach in der Gesellschaft immer noch tabuisiert?
Lindhof: Ich glaube nicht, dass es ein Tabuthema ist. Die Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren vielen Themen gewidmet – vom Gendern bis hin zu mehr Toleranz gegenüber anderen Orientierungen. Es gibt mentale Krankheiten und es ist wichtig, Verständnis sowie Empathie dafür zu entwickeln. Sie gehören zu unserer Realität und es ist gut, darüber zu sprechen. Das Lied ist von einem Freund von Florian [Florian Weber, Schlagzeuger der Sportfreunde Stiller, Anm. d. Red.] inspiriert, der von einer Lebensphase erzählt hat. Flo hat ihm ein paar Zeilen geschickt und daraus ist das Lied entstanden. Je älter ich werde, desto öfter stelle ich fest, dass ich Leute kenne, die schon in einem dunklen Loch waren. Man darf aber nicht den Anspruch haben, den anderen herausziehen zu können. Das funktioniert nicht. Aber man kann für den anderen da sein.
Brugger: Depressionen und Angstzustände haben viel mit Ohnmacht und Rückzug zu tun. In unserer Gesellschaft zählt nur Leistung. Aufgrund des Schamgefühls öffnen sich viele nicht. Depression darf kein Zeichen von Schwäche sein. Eigentlich ist es eher ein Zeichen für Sensibilität und Gefühlsvermögen. Es hat nichts damit zu tun, dass jemand gescheitert ist. Sondern, dass er überfordert oder einsam ist.
Im Song „Bergauf!“ thematisieren Sie ein Paar, das gerade in einer Krise steckt. Haben Sie sowas schon erlebt und wie gehen Sie mit Rückschlägen um?
Brugger: Es gibt nichts Schwereres als eine Beziehung aufrechtzuerhalten. Gerade, wenn es eine längere ist. Krisen gehören dazu. Das ist etwas, was man kapieren muss. Ich feiere Paare, die lange zusammenbleiben. Die schwierige Zeiten zusammen durchstehen, die wieder in die Kommunikation kommen. Man darf nicht aufhören, miteinander zu reden und Verständnis füreinander aufzubringen. Sondern sich immer wieder in Erinnerung rufen, was man aneinander hat und die Gefühle wieder herauskramen.
Linhof: Es ist normal, dass eine Beziehung Entwicklungszyklen hat. Man kommt öfter an einen Punkt, wo man nicht weiß, wie man zueinandersteht. Es ist aber wichtig, sich keine Vorwürfe zu machen – man sollte sich auch nicht an frisch Verliebten messen. Stattdessen einfach annehmen, wie es gerade ist. Es gibt Höhen und Tiefen – so ist das Leben. Aber es ist schön, sich zu erinnern, was man alles zusammen erlebt und geschafft hat.
Welchen Platz hat Liebe momentan in Ihrem Leben?
Brugger: Bei mir ist es das, was mich trägt. Freundschaften oder auch eine starke Zuneigung innerhalb der Familie. Das ist das Allerwichtigste, darauf baue ich alles auf. Liebe gibt mir Freiheit und Inspiration.
Linhof: Für mich ist Liebe ein Miteinander – ob Beziehung, auch mit den Kindern, oder mit Freunden. Liebe ist für mich ein Gefühl, das mit anderen Dingen verbunden ist. Eine Vertrautheit, die einen zu gewissen Punkten trägt. Liebe hat etwas Dynamisches für mich.
Vor Kurzem haben Sie Ihr erstes Konzert gegeben. Wie hat es sich angefühlt, wieder vor Publikum zu stehen?
Brugger: Es war emotional und schräg. Viele Erinnerungen kamen beim Spielen hoch. Was die Songs anderen Menschen bedeuten und welche Rolle sie in deren Leben spielen – das ist total schön. Bei manchen Stücken musste ich mich zusammenreißen, ich konnte kaum singen und musste mich wirklich konzentrieren. Wir sind am Ende in einen Rausch geraten und haben Lieder gespielt, die wir gar nicht geprobt hatten. Ich war selbst so überrascht, wo diese Songs plötzlich herkamen. Wenn Sie mich davor gefragt hätten, hätte ich Ihnen den Text nicht sagen können. Doch als wir losgelegt haben, ist er aus irgendeiner hinteren Gehirnwindung herausgekrochen (lacht). Ich hoffe, dass wir weiterhin alles würdigen und feiern, was wir haben. Dass wir nicht wieder in den alten Trott geraten, sondern auf uns Acht geben. Dass wir alles mit einem schönen Gefühl noch mal neu erleben können.
Gibt es Songs, die Sie nicht mehr spielen wollen?
Linhof: Bei mir war es zum Beispiel "Sieben Tage, sieben Nächte". Aber ich finde es auch wichtig, sich locker zu machen. Ich spiele es einfach, wenn die anderen es wollen. Es ist etwas Wunderbares, auf der Bühne zu stehen und diese kleine Zeitkapsel zu öffnen. Dank Liedern, mit denen wir Geschichten verbinden. Wir müssen aber darauf achten, dass wir nicht ausbrennen. Lieber ein bisschen weniger machen als zu viel.
Im Sommer stehen einige Konzerte an. Freuen Sie sich darauf, wieder loszulegen?
Linhof: Ich hatte Angst vor dem ersten Auftritt, ein beklemmendes Gefühl machte sich breit. Zwei Tage zuvor bin ich nach einer verheerenden Probe etliche Male in der Nacht aufgewacht. Ich dachte mir: "Oh Gott, nur ein paar Konzerte und dann müssen wir in Stadien spielen." Am nächsten Tag ging es mir schon viel besser und das Konzert war super – jetzt freue ich mich darauf.
Brugger: Ich habe total Lust darauf. Vor ein paar Wochen konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, Rock am Ring oder Rock im Park zu spielen. Auch, weil man lange nicht wusste, ob Festivals überhaupt stattfinden können. Aber zum Glück kehrt das Leben nach der Pandemie zurück. Ich freue mich, Teil davon zu sein. Vielleicht können wir mit unserer Musik ein paar Köpfe freiblasen.
Haben Sie bestimmte Rituale, die Sie vor einem Konzert machen?
Brügger: Flo und Rüdiger beschimpfen sich immer (lacht). Da werden die schlimmsten Schimpfwörter ausgepackt. Ich stehe nur daneben und wundere mich. Aber scheinbar setzt das die nötige Energie frei.
Linhof: Ich nehme das gar nicht wahr. Wir behandeln uns gerne sehr schlecht – aber auf eine lustige Weise. Wir können uns dadurch zum Lachen bringen.
Seit September 2021 betreiben Sie einen Instagram-Account. Warum erst so spät? Und geht Ihnen Social Media schon auf die Nerven?
Linhof: Für mich ist es quälend, mich um Instagram, YouTube und Co. zu kümmern. Jedes einzelne Medium hat natürlich potenziell faszinierende und künstlerisch wertvolle Elemente. Aber es entsteht schnell der Eindruck, dass man sehr präsent sein muss. Manchmal finde ich es schön, etwas zu posten. Aber sobald es zu einer Pflicht wird, ist es blöd. Deshalb versuche ich, die Waage zu halten.
Brugger: Das gilt für alles. Sobald es zur Pflicht wird, bekommt es einen faden Beigeschmack. Social Media hat unendliche Möglichkeiten. Ich verstehe, dass sich Jugendliche damit beschäftigen. Es hat einen großen Reiz. Gleichzeitig ist es gefährlich, denn es hat ein großes Suchtpotenzial und raubt kostbare Zeit. Aber in manchen Momenten macht es total Spaß.
Haben Sie schon Pläne, wie es nach dem Tour-Sommer und der Album-Veröffentlichung weitergeht?
Brugger: Überhaupt nicht. Ich kann gerade nur bis zum nächsten Konzert denken. Das habe ich beim Fußball gelernt: Es zählt nur das nächste Spiel. Ich möchte alles aufsaugen, genießen und würdigen. Ich wünsche mir, dass es harmonisch bleibt. Wir gehen gerade sehr respektvoll und offen miteinander um, das schätze ich. Auch wenn das Stresslevel steigt, müssen wir das beibehalten.
Linhof: Ich plane auch noch nicht so weit im Voraus. Ich versuche gerade noch den Sommerurlaub hinzubekommen. Ansonsten stehen sehr viele Termine an – also habe ich gar keine Zeit, über die Zukunft nachzudenken. Ich springe mit Anlauf einfach hinein.
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