Mai Thi Nguyen-Kim bei "Studio Schmitt": "Es sterben immer noch Menschen, die nicht sterben müssten"

Eigentlich ist Thomas „Tommi“ Schmitt zuverlässiger Sachbearbeiter im Referat Humor. Der 32-jährige Detmolder schrieb während des Studiums Witze für „TV total“, später für „Luke! Die Woche und ich“ sowie für Klaas Heufer-Umlaufs „Late Night Berlin“. Persönlich in die Öffentlichkeit gelangte Schmitt mit seinem Podcast „Gemischtes Hack“, in dem er sich mit dem Comedian Felix Lobrecht die Wortwitze um die Ohren haut.

Eine Kritikvon Christian Vock

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Seit Frühjahr dieses Jahres hat Tommi Schmitt nun mit „Studio Schmitt“ seine eigene TV-Show bei ZDFneo und natürlich spielt auch hier Humor eine tragende Rolle, aber eben nicht nur. Wenn er Gäste hat, dann nicht nur, damit die ihre neuesten Werke platzieren können, sondern auch, damit über Ernsthaftes geredet werden kann. Wie zum Beispiel in der vergangenen Woche, als Autorin Samira El Ouassil zu Gast war.

Während in anderen Late-Night-Shows Witze über Donald Trump gemacht werden, konnte El Ouassil bei Schmitt ohne Pointen-Druck erklären, wie Donald Trump aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht funktioniert. Unterhaltung und Information – die Mischung macht’s bei „Studio Schmitt“. Auch an diesem Donnerstag war mit Wissenschaftsmoderatorin Mai Thi Ngyuen Kim jemand zu Gast, der Dinge gut erklären kann. Doch lustig wurde es nur ganz am Anfang.

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Moderna ist wie Manuel Neuer, Johnson & Johnson nur wie Tim Wiese

Denn bevor die Show überhaupt richtig startet, meldet sich Ngyuen-Kim mit dem wohl lustigsten und gleichzeitig informativsten 60-Sekunden-Clip übers Impfen. „Impfen ist eine der wirksamsten präventiven Maßnahmen, die der Medizin zur Verfügung stehen“, erklärt Ngyuen-Kim dort zunächst ausschließlich sachlich und sagt außerdem: „Noch nie gab es Impfstoffe, deren Sicherheit und Nebenwirkungen nach der Zulassung so sorgfältig beobachtet wurden, wie die Corona-Impfstoffe.“

So weit, so wissenschaftlich. Doch angesichts der Tatsache, dass Impfverweigerer diese Fakten immer noch anzweifeln, greift Ngyuen-Kim zu einem sehr anschaulichen Vergleich: „Wer behauptet, dass Impfungen nichts bringen, weil sich Geimpfte trotzdem anstecken, der glaubt auch, dass Torwarte nichts bringen, weil beim Fußball Tore fallen.“ Zur Verdeutlichung nennt Ngyuen-Kim die besten „Torhüter“ und blendet dazu Bilder der passenden realen Torhüter ein: Biontech – Nadine Angerer, Moderna – Manuel Neuer, Johnson & Johnson – Tim Wiese.

Dieses sehr bildhafte Infotainment hat nichts mit vermeintlich wissenschaftlicher Arroganz zu tun. Dafür ist Ngyuen-Kim erstens nicht bekannt und ihr zweitens die Sache zu wichtig. Stattdessen ist „niedrigschwellig“ das richtige Wort und angesichts der aktuell dramatischen Pandemie-Lage können Aufrufe zum Impfen gar nicht niedrigschwellig genug sein. Und genau diese dramatische Lage ist es auch, weshalb der Humor von Tommi Schmitt in den dann folgenden Minuten nicht so recht funktioniert.

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So macht sich Schmitt in seinem Stand-up-Part Sorgen um die Gesamtsituation: „Dunkler November, keine Regierung, Lockdown droht und Ikke Hüftgold will beim ESC antreten“, kalauert Schmitt etwas arg halbgar und macht dann genauso weiter: „Wenn Deutschland gerade ein Schiff wär’, dann wär’ Joshua Kimmich Kapitän und das Schiff die Costa Concordia. So fühl’ ich mich gerade.“

Doch es geht noch weniger lustig: „Die Meldungen werden immer schlimmer, aber es ist wahr: Die Weihnachtsgänse werden knapp“, beginnt Schmitt und macht dann mit Blick auf die Infektionslage die zynische Bemerkung: „Wenn die Zahlen weiter so steigen, gibt’s vielleicht keine Gänseknappheit. Kriegt jeder zwei.“ Dass auch der weitere Abend keine humoristische Offenbarung wird, liegt aber nicht daran, dass der Gast des Abends, Mai Thi Ngyuen-Kim schlechte Witze macht, sondern weil sie die Realität mitbringt.

„Corona ist wieder da. Was is’n da jetzt passiert?“, steigt Schmitt in das Gespräch ein und Ngyuen-Kim erklärt: „Das ist natürlich ganz, ganz schmerzhaft, wenn manche sagen: Oh, damit konnten wir nicht rechnen, das konnte ja keiner absehen. Aber weißt du, was ich wirklich nicht absehen konnte? Dass die Menschen den Impfstoff nicht wollen.“

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Mai Thi Nguyen-Kim: „Wir stecken so tief drin in der Scheiße“

Nguyen-Kims Vermutung: Es könnte auch daran liegen, dass manche Impfverweigerer stur sind, um sich nicht einer möglichen Häme ausgesetzt zu fühlen. In Deutschland mache man es Menschen unnötig schwer, ihre Meinung zu ändern. Ein möglicher Ausweg: die Impflicht. Dann könnten diese Menschen ihr Gesicht waren und sagen: „Wenn ich muss, dann muss ich ja. Dann kann ich nichts dafür.“ Doch das sei nur ein Nebeneffekt, denn angesichts der wirklich miesen Situation in den Intensivstationen plädiert Nguyen-Kim für eine Impflicht.

Denn auf die Frage: „Was ist denn jetzt der Plan, was machen wir denn jetzt?“, antwortet die Wissenschaftlerin wenig optimistisch: „Das Schlimme ist ja, dass wir jetzt so tief drin stecken in der Scheiße, dass wenn wir jetzt keine Impfpflicht haben und das alles nicht reicht, dann gibt es ja nur noch zwei andere Optionen. Entweder die Intensivstationen laufen noch voller. Es sterben halt immer noch einfach Menschen, die nicht sterben müssten. Oder wir müssten nochmal einen krasseren Lockdown machen. Da ist doch die Impfpflicht immer noch ganz klar besser.“

Darüber hinaus, so glaubt Nguyen-Kim, seien weitere Kontakteinschränkungen nötig. Eine Prognose, was die Politik machen wird, will Nguyen-Kim aber nicht abgeben. „Man denkt immer: So blöd kann man ja nicht sein, aber wir können anscheinend.“ Nein, es war wirklich kein Abend für Freunde des gepflegten Late-Night-Humors und so passt auch Nguyen-Kims Prognose für Weihnachten ins Bild. Sie werde immer gefragt: „Wird Weihnachten stattfinden oder nicht? Ja, natürlich. Weihnachten kommt so oder so. Die Frage ist nur, wie viele Tote wir bis dahin zu beklagen haben, die vielleicht nicht hätten sein müssen.“

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