Fast 20 Jahre lang war Dieter Bohlen „Deutschland sucht den Superstar“. Man kann schwer sagen, ob mehr Bohlen in DSDS steckte oder umgekehrt. Doch eines ist sicher: Das Ende dieser toxischen Symbiose ist längst überfällig.
Angela Merkel, Jogi Löw und jetzt auch noch Dieter Bohlen: In den sozialen Netzwerken beklagen Nutzer bereits das Ende einer Ära. Alle drei haben ihren Job lange gemacht, hören jetzt auf. Im Falle von Bohlen ist es eine völlig zurecht endende Ära. Seit 2002 war der Ostfriese das Aushängeschild der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“. Jetzt verkündete RTL sein Jury-Aus, auch bei „Das Supertalent“ ist Bohlen raus. Gut so. Die Sprüche und das Verhalten des 67-Jährigen sind längst überholt und nicht mehr zeitgemäß.
Denunzierung als Unterhaltungsform ist einfach nicht mehr tragbar
„Das war super! Super scheiße!“ – Bohlens Sprüche glänzten in den vergangenen Jahren weniger durch Einfallsreichtum, als durch banale Gemeinheit. Was andere Formate längst ablegten, ist bei „Deutschland sucht den Superstar“ noch immer Tagesgeschäft, sogar Kern des Ganzen. Das Denunzieren und Herabwürdigen von zum Teil jungen Menschen in einer Unterhaltungsshow. Bohlen steht dafür mit seinem Namen, wie Claus Hipp für verträglichen Babybrei. Nur ist das, was der sogenannte Poptitan vom Stapel lässt selten gut verträglich. Im Gegenteil.
„Ein Mensch, wie Gott ihn geschaffen hat und McDonalds ihn geformt hat“
„Du bist ein Mensch, wie Gott ihn geschaffen und McDonalds ihn geformt hat“ oder „Ich finde die Optik eine Katastrophe. Du siehst nicht aus, wie man sich einen Popstar vorstellt. So in C&A-Winterklamotten von vor drei Jahren“ – Bohlen geht dahin, wo es den Menschen, die nach Bestätigung im öffentlichen Raum suchen, besonders weh tut. Oft zielen seine bissigen Kommentare nicht auf die Leistung der Möchtegernsuperstars ab, sondern auf ihr Äußeres. „Du hast keinen Starappeal. Du hast nix. Am liebsten würde ich dir ’nen Euro geben. Das ist alles Mitleid“, sagte er einmal. Doch Mitleid hat Bohlen eben äußerst selten.
Es hat sich ausgebohlt: Kein Dieter Bohlen mehr bei DSDS und „Das Supertalent“.(Quelle: IMAGO / ITAR-TASS)
Leute zur Sau machen, das soll das sein, was Bohlen kann, doch genau genommen, kann er wohl das nicht einmal besonders gut. Immer wieder werden Stimmen laut, die erzählen, was hinter den Kulissen passiert. „So läuft es wirklich ab bei DSDS“, packen dann gerne diejenigen aus, die es im Bashing besonders hart getroffen hat. Bohlen kommt in der Sendung einigermaßen schlagfertig rüber, die Kandidaten oft allerdings nicht. Das liege daran, dass einzelne Szenen erst im Nachhinein aufgenommen werden. Sprüche wie „Wenn du jetzt 3.000 Prozent besser singst, könntest du eventuell Scheiße erreichen“, fallen Bohlen nicht einmal spontan ein, sondern werden ohne Beisein der Kandidaten nachgedreht. Eine Möglichkeit für sie zu reagieren, gibt es dann also nicht mehr.
Bohlens Schlagfertigkeit auf die Probe zu stellen, ist schier unmöglich. Interviews gibt der Wahl-Tötensener grundsätzlich nicht. Tatsächlich kennen wir den alten weißen Mann seit 20 Jahren nur in seiner gewohnten Machtposition, in der er über die Zukunft junger Talente entscheiden kann. Etwas Neues wagt er kaum. Vor einiger Zeit legte er sich einen Instagram-Kanal zu, da zeigt er hier und da mal, wie er die Malediven unsicher macht, auf der Suche nach der perfekten Insel. Corona-Pandemie? Für einen Titanen kein Hindernis. Weiterentwickelt hat sich Bohlen im Grunde genommen nie und mit der Zeit geht er, außer vielleicht beim Anwenden von Instagram-Filtern, auch nicht.
Junge Männer im DSDS-Casting fragt er stets: „Hast du ’ne Freundin?“, gar nicht auf die Idee kommend, dass sie womöglich nach etwas ganz anderem suchen. Junge Frauen nennt er dagegen gern Schnuckelchen und freut sich, wenn diese süß aussehen, das reicht dann schon. Kommt ihm dann eine Dame mal frech, weil sie eben kein Schnuckelchen oder Igelschnäuzchen sein möchte, wirft er ihr nicht selten vor, das Ganze nicht ernst genug zu nehmen.
Bohlen verkörpert überholtes machohaftes Machtgehabe
Das kommt auch bei den Zuschauern nicht mehr gut an. Zuletzt erfreute sich die Staffel zwar eines Aufsprungs, das könnte allerdings auch am großen Beben rund um den Eklat im Zusammenhang mit Michael Wendler zu tun haben. Zuvor verschaffte auch der Wirbel um Xavier Naidoo dem Format kurzfristige Aufmerksamkeit. Sollte Bohlen einer heimtückischen Strategie zum Opfer gefallen sein, um wieder neues Interesse an dem Format zu wecken?
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Bohlen verkörpert mit seinem machohaften Machtgehabe auf Kosten anderer, oft Schwächerer, eine Form des Entertainments, das einfach nicht mehr zeitgemäß ist. Natürlich ist das DSDS-Problem nicht allein an einer Person festzumachen. Immerhin werden besonders schlechte Kandidaten und Kandidatinnen im Vorfeld von einem ganzen Team zusammengecastet, damit sie dann im Anschluss vor laufenden Kameras von Bohlen persönlich verunglimpft werden können.
Aber wie so oft müssen wohl erst Köpfe rollen, damit ein Umbruch passieren kann. In diesem Fall trifft es Dieter Bohlen und ja – manchmal trifft es eben tatsächlich auch den Richtigen.
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