- Im Kölner „Tatort: Der Tod der Anderen“ klären Ballauf und Schenk einen Mord auf, der mit der Ausbeutung von Arbeiterinnen in DDR-Chemiewerken zusammenhängt.
- Was es damit auf sich hatte, warum Leipzig in der DDR zu Messezeiten als „das größte Bordell Europas“ galt und was die neue Kriminaltechnikerin im Kölner „Tatort“-Team taugt, erfahren Sie hier.
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„Tatort“ Köln: Was hat es mit dem Chemiedreieck auf sich?
So wurde die Region um Bitterfeld, Merseburg und Leuna in Sachsen-Anhalt genannt, wo die wichtigsten Chemiewerke der DDR lagen – eine Folge der reichen Braunkohlevorkommen. Ab 1893 siedelten sich Industriebetriebe an. Abfallprodukte der Kohleverarbeitung wurden später zum Beispiel zu „Plaste und Elaste aus Schkopau“ verarbeitet. Etwa 80 Prozent aller Industriegüter der DDR waren auf die Erzeugnisse aus Bitterfeld angewiesen. Offiziell wurde mit dem Slogan „Chemie bringt Brot, Wohlstand und Schönheit“ geworben. Im „Tatort“ wird der bekanntere Volksmund zitiert: „Bitterfeld, Bitterfeld, wo der Dreck vom Himmel fällt.“
Der MDR beschrieb die „fossilen Produktionsmethoden für fossile Brennstoffe“ in einem Spezial 2019 so: „Umweltstandards spielen kaum eine Rolle und die Umweltbelastung der gesamten Region ist mit Händen zu greifen: Saale, Mulde und Elbe verwandeln sich in Kloaken, die Luft ist beißend, im Boden lagern sich Schwermetalle und Giftstoffe ab. Besonders ätzend ist das Schwefeldioxid. Das giftige Gas aus der Braunkohlenverbrennung verpestet die Luft und sorgt für den sauren Regen.“
Auch eine Katastrophe, wie sie die Hotelbesitzerin Bettina Mai (Ulrike Krumbiegel) im „Tatort“ beschreibt, hat es wirklich gegeben: Im Juli 1968 kam es im Chemiekombinat Bitterfeld zu einer Explosion, bei der 42 Menschen getötet wurden, fast 300 wurden mit Vergiftungen, Verbrennungen und Knochenbrüchen aus den Trümmern geborgen. Es entstand ein Schaden von etwa 120 Millionen DDR-Mark, die Hälfte der jährlichen PVC- Herstellung der DDR fiel weg. Wiederaufgebaut wurde die Produktion nicht in Bitterfeld, sondern im im „Tatort“ erwähnten Buna-Kombinat in Schkopau.
Deutsch-deutsche Rache im "Tatort: Der Tod der Anderen"
Warum war Leipzig „das größte Bordell Europas“?
So wird die Stadt im „Tatort“ genannt. Tatsächlich herrschte in Leipzig zu Messezeiten Ausnahmezustand. Die Mädels seien „sehr aufgeschlossen“ gewesen, erinnert sich ein Geschäftsmann aus dem Westen 2020 in der MDR-Dokumentation „Leipzig – Sex and the City“.
Weil die Freier aus dem Westen von ihrer „Natürlichkeit“ und „Freizügigkeit“ begeistert waren, können die ostdeutschen Frauen Höchstpreise verlangen und verdienten bis zu 3.000 DM pro Nacht.
So reisten alljährlich Hunderte Krankenschwestern, Sekretärinnen, Verkäuferinnen, Studentinnen und minderjährige Schülerinnen in die Stadt. Das Phänomen des plötzlichen Krankwerdens zu Messezeiten war in der DDR so bekannt, dass in den 1960er-Jahren sogar ein belehrender Amateur-Film in den Betrieben gezeigt wurde. Ohne allerdings auf das Thema Prostitution einzugehen. Denn die war offiziell verboten.
Die Stasi allerdings ließ es geschehen und heuerte die ihr besonders talentiert erscheinenden Frauen – wie im „Tatort“ Bettina Mai alias „IM Februar“ – als inoffizielle Mitarbeiterinnen an: „Der Geheimdienst erpresst die Frauen, stellt sie vor die Alternative: Knast oder Mitarbeit„, heißt es in der MDR-Doku.
Wurden Plastikprodukte tatsächlich an westdeutsche Versandhäuser verkauft?
In „Der Tod der Anderen“ zerstört seine Rolle als Einkäufer von DDR-Produkten, die unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen hergestellt wurden, die Karriere des Politikers Peter Wagner.
Der MDR erinnert auf seiner Webseite „Zeitreise“ an die wirtschaftlichen Verflechtungen der großen westdeutschen Versandhäuser mit der DDR: Weil im Osten produzierte Ware zehn bis 15 Prozent günstiger war als die im Westen hergestellten Produkte, rissen sich westdeutsche Firmen um die Ware, die – anders als die für die DDR-Bevölkerung produzierten Gegenstände – streng kontrolliert wurde und von einwandfreier Qualität war.
1985 kaufte das Versandhaus Quelle für 29,2 Millionen D-Mark bei ostdeutschen Betrieben ein, insgesamt bezogen „wohl 6.000 westdeutsche Firmen ihre Produkte aus dem Osten, darunter Salamander, Schiesser, Adidas und Bosch. Auch der Beiersdorfer Verkaufsschlager, die ‚Nivea Creme‘, wurde in der DDR hergestellt.“
2012 erregten Medienberichte Aufsehen, wonach Unternehmen wie Quelle, Karstadt und Neckermann nicht nur von den Dumpinglöhnen in der DDR profitiert, sondern wissentlich Waren bezogen hatten, die von Zwangsarbeiterinnen aus DDR-Gefängnissen hergestellt wurden.
Gibt es das Hotel Rheinpalais wirklich?
Beim „Rheinpalais“, das im „Tatort“ Bettina Mai gehört, handelt es sich eigentlich um das Vier-Sterne-Hotel Stadtpalais in Köln-Deutz. Der Jugendstil-Bau wurde 1914 als Kaiser-Wilhelm-Bad eröffnet und war bis 1996 ein Hallenschwimmbad. 2008 begann der Umbau zum Hotel.
Die ehemalige denkmalgeschützte Schwimmhalle wurde zum Restaurant KWB (nach Kaiser-Wilhelm-Bad); daher erinnern überall im Speisesaal und der Bar, die auch im „Tatort“ zu sehen sind, Aquarien an die einstige Nutzung.
Ersetzt Ballaufs Assistentin Norbert Jütte?
Weil Norbert Jütte (Roland Riebeling) in einem Keller festsitzt und auch Kollege Schenk entführt wurde, verlässt sich Kommissar Ballauf auf die Expertise von Natalie Förster. Als in Ostdeutschland geborene spröde Kriminaltechnikerin bringt sie frischen Wind ins Kölner Kommissariat, weshalb es die Zuschauer freuen dürfte, dass sie wiederkehrt: Auch bei den Dreharbeiten für die kommenden Kölner „Tatort“-Folgen „Brennen sollst Du“ und „Der Reiz des Bösen“ war Tinka Fürst als Natalie Förster mit dabei.
Die 1988 in Berlin geborene Schauspielerin ist regelmäßig im Fernsehen zu sehen. Im September gab sie neben Peter Kurth und Tobias Moretti in dem Spielfilm „Im Abgrund“ eine ehrgeizige Kriminalbeamtin. 2018 spielte sie neben Iris Berben in der Krimiserie „Die Protokollantin“, 2017 in der Comedyserie „Frau Temme sucht das Glück“. Aber keine Sorge: Auch Jütte bleibt dem Kölner „Tatort“-Team erhalten.
Verwendete Quellen:
- „MDR-Zeitreise“: Der große Knall im Chemiekombinat Bitterfeld
- „MDR-Zeitreise“: Prostitution in der DDR
- „MDR-Zeitreise“: West-Kataloge voller Ost-Produkte
Von Berlin bis Zürich: Das steht 2021 bei den verschiedenen "Tatort"-Teams an
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