Wer 2007 auf der "Alive"-Tour von Daft Punk dabei war, weiß, wie es ist, Roboter zu sein. Der ohrenbetäubende Sound im Berliner Velodrom versetzte die Konzertbesucher von der ersten Sirene an in Tanztrance, der Bass eliminierte selbst die Skepsis der Indieboys, alle halbe Minute knallte ein neuer Hit wie ein Faustschlag auf die Menge ein. Bis alle nur noch aus Rhythmus und Melodie bestanden und von den Roboter-Göttern da oben auf ihrer leuchtenden LED-Pyramide einheitlich dirigiert wurden.
Man muss das Phänomen Daft Punk nicht live erlebt haben, um es zu verstehen. Nachhören kann man dieses Erlebnis auch auf dem Live-Album "Alive", das die Hit-Melodien mit der elektronischen Härte eines Live-Auftritts in einer einzigen Soundcollage kunstvoll verwebt. Denn: Daft Punk waren nie "auf die Fresse", kalt oder seelenlos, ganz im Gegenteil. Die Roboter fühlen. Da waren sich Gitarren- und Elektrofans schon lange vor der "Alive"-Tour einig.
Guy-Manuel de Homem-Christo (47) und Thomas Bangalter (46) stampften sich in den Neunzigern mit einer Mischung aus Gefühl und Technologie praktisch aus dem Stand in die Charts. Schon 1995 lehrten sie mit zarten 20 Jahren den Maschinen das Singen und feierten mit ihrer Single "Da Funk" erste Erfolge. Das Debütalbum "Homework" legte 1997 mit Singles wie "Around The World" den Grundstein für French House. Das zweite Album "Discovery" bedeutete 2001 mit dem "One More Time"-Ohrwurm den kommerziellen Durchbruch. Mit ihren eingängigen Melodien haben sie den Mainstream angelockt, um ihm mit dem Bass den Stock aus dem Hinterteil zu ziehen.
Trotz Roboterhelmen: Human After All
Mit dem extremen Erfolg begann die Mystifizierung: Bis heute sind Interviews mit den beiden absolute Mangelware, Bilder gibt es nur von früher, auf Konzerten und roten Teppichen waren Daft Punk fortan nur noch in ihren Roboterhelmen zu sehen. Stattdessen: Musik. Ihr drittes Album "Human After All" klang, reizend mit dem Titel spielend, roher und brutaler als alles zuvor und war eine klare Abgrenzung zu ihrem Hitalbum. Es folgten Kunstprojekte wie der Soundtrack zum Film "Tron: Legacy" und ein Remixalbum. Und dann lange nichts. Jedenfalls nicht von ihnen. In der Zwischenzeit schmückte Kanye West (43) seinen Song "Stronger" mit dem Sample aus "Harder, Better, Faster, Stronger", gaben LCD Soundsystem in ihrer Single an "Daft Punk Is Playing At My House" und als 2009 das ebenfalls französische Electro-Duo Justice seine Glanzstunde hatte, hielt sich lange hartnäckig das Gerücht, dass die beiden eigentlich Daft Punk wären.
Wer nach 20 Jahren Daft Punk dachte, die Herren wären mittlerweile einfallslos und träge geworden, der wurde 2013 mit dem vierten Studioalbum "Random Access Memories" eines besseren belehrt. Nach acht Jahren Funkstille umgaben sie sich dafür mit dem legendären Funk-Gitarristen Nile Rodgers (68), dem Produzenten Giorgio Moroder (80), Strokes-Frontmann Julian Casablancas (42), Jazz-Pianisten Chilly Gonzales (48) und ließen Pharrell Williams (47) in der unverschämt eingängigen Disco-Funk-Nummer "Get Lucky" singen. Mehr Gefühl und gute Laune war nie: Plötzlich wackelten die Roboter mit den Schultern und klatschten in die Hände. Es regnete begeisterte Kritiken, Auszeichnungen, Grammy Awards und die Gewissheit, dass die Herren noch immer am Puls der Zeit agieren.
Wenn sie denn wollen. Was nun offenbar nicht mehr der Fall ist. Das legendäre Duo verabschiedete sich mit einem Video am Montag von der musikalischen Bildfläche. In dem knapp achtminütigen Clip sind Szenen aus ihrem Film "Electroma" zu sehen, in denen ein Roboter den Selbstzerstörungsmechanismus des anderen aktiviert, woraufhin dieser explodiert. Der zweite wandert anschließend alleine einsam und traurig durch eine Salzwüste, dazu erklingt der Chor ihres Songs "Touch": "If love is the answer you hold – hold on". Schnief, von wegen gefühllose Roboter!
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