- Am Donnerstag, 28. Oktober, startet Sönke Wortmanns neuer Film „Contra“ in den Kinos.
- Christoph Maria Herbst spielt einen Universitätsprofessor, der eine Studentin (Nilam Farooq) rassistisch beleidigt und sie als Strafe auf einen Debattierwettbewerb vorbereiten muss.
- Im Interview mit unserer Redaktion spricht Regisseur Wortmann über die coronabedingte Verzögerung des Kinostarts und den Zustand der Diskussionskultur in Deutschland.
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Bereits im September 2020 stellte Sönke Wortmann seinen neuen Film „Contra“ auf der Filmkunstmesse Leipzig vor, auch Journalistinnen und Journalisten durften den Film sichten und Interviews mit dem Regisseur führen.
Der Kinostart war wenig später geplant, doch dann kam der zweite Corona-Lockdown und die Kinos mussten schließen. „Contra“ wurde mehrfach verschoben, am 28. Oktober kommt der Film mit Nilam Farooq und Christoph Maria Herbst nun endlich in die Kinos.
Farooq spielt die Studentin Naima, die von ihrem Juraprofessor Richard Pohl (Herbst) rassistisch beleidigt wird. Auf Anordnung des Universitätspräsidenten muss der überhebliche und verbitterte Pohl Naima auf einen Debattierwettbewerb vorbereiten.
Im Interview mit unserer Redaktion spricht Regisseur Sönke Wortmann über den Film und die Diskussionskultur in Deutschland.
Sönke Wortmann, in Ihrem neuen Film „Contra„ geht es um Diskussionskultur und Streitgespräche. Der Film könnte wohl kaum besser in eine Zeit passen, in der die Gesellschaft gespalten ist wie vielleicht noch nie?
Sönke Wortmann: Ja. Das sehen wir genauso, deshalb haben wir den Film gemacht.
Der Film wirbt darum, miteinander zu sprechen, respektvoll zu streiten. Ist er eine Liebeserklärung an die Diskussionskultur?
Absolut! Was Streit und Diskussionen angeht, bewegen wir uns immer mehr in die falsche Richtung. „Contra“ ist eine Adaption des französischen Films „Die brillante Mademoiselle Neïla“, den im Sommer 2018 in Deutschland kaum jemand gesehen hat. Deshalb haben wir gesagt, dass wir das nochmal machen müssen, damit die Deutschen das auch sehen und sich damit auseinandersetzen können. Und vielleicht darüber debattieren.
Streitgespräche und Diskussionen finden heutzutage hauptsächlich in den Sozialen Medien statt. Würden Sie dafür plädieren, diese Gespräche wieder persönlich zu führen?
Ich bin sehr skeptisch, was Soziale Medien angeht. Das kommt ja auch im Film ein bisschen vor. Mich wundert es manchmal, was da von offizieller Seite, unter anderem von Facebook, zugelassen wird. Das finde ich nicht in Ordnung. Ich bin oft entsetzt, was ich da so lesen muss. Nicht mal über mich, ich bin gar nicht auf Facebook. Aber wenn ich mir ab und zu solche Foren anschaue… das finde ich schon sehr bedenklich, was die Leute dort von sich geben.
Sönke Wortmann sah sich Debattierwettbewerbe zur Vorbereitung an
Die Lösung gegen die Spaltung der Gesellschaften kann letztlich nur sein, miteinander zu reden…
So ist es. Sich zuzuhören und miteinander zu sprechen. Das muss man teilweise wieder lernen. Ich glaube, dass man das in Debattierklubs lernen kann. So etwas gibt es an Universitäten viel mehr, als ich gedacht hätte. In Schulen könnte man schon damit anfangen. Es gibt auch Länder, wo das gemacht wird. In England ist es so, in Australien auch. Da fängt man in der Grundschule schon an, zu debattieren.
Sie haben sich in der Vorbereitung auf „Contra„ Debattierwettbewerbe angeschaut. Was hat Sie daran fasziniert?
Erstmal finde ich es ganz wunderbar, dass es so etwas überhaupt gibt. Dann hat mich die kurze Vorbereitungszeit sehr beeindruckt, die die Debattierer haben. Die erfahren das Thema und ob sie dafür oder dagegen sein sollen – es wird nämlich zugelost, wer Pro und wer Contra ist – und eignen sich in einer halben Stunde so viel Rüstzeug an, dass da eine wirklich interessante Debatte entsteht. Eine so hohe Qualität in dieser Kürze der Zeit – das hat mir sehr imponiert.
Der von Christoph Maria Herbst gespielte Professor Richard Pohl ist ein typischer Vertreter der oft zitierten alten, weißen Männer, der seine Mitmenschen seine Überlegenheit und Bildung spüren lässt.
Im Gegensatz zu vielen alten, weißen Männern, die sich überlegen fühlen, es aber gar nicht sind, ist er natürlich ein Star-Professor, was zu einer gewissen Eitelkeit führt. Aufgrund von privaten Rückschlägen hat er sich einen Panzer angelegt und ist ein Zyniker geworden.
Privat ist Christoph Maria Herbst aber ganz anders, oder?
Ja, er ist das genaue Gegenteil. Sehr neugierig, sehr gebildet, sehr tolerant und sehr offen. Er ernährt sich auch sehr fortschrittlich.
Wortmann: „Nilam und Christoph haben auch schon beim Casting zusammengespielt“
Herbst und Nilam Farooq tragen den ganzen Film. Die beiden scheinen sich perfekt zu ergänzen?
Ja. Das fanden wir auch, als wir sie gecastet haben. Nilam und Christoph haben auch schon beim Casting zusammengespielt. Christoph ist der Star, das stand früh fest. Wir haben dann seine Partnerin gesucht und es war sehr schnell klar, dass das nur Nilam Farooq sein kann.
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Der Film wird dem Genre der Komödie zugerechnet. „Contra„ hat auch einige lustige Momente, aber ist auch phasenweise sehr ernst und traurig. Sehen Sie den Film als eine Komödie?
Der Film ist sicher keine reine Komödie. Und wir haben auch überlegt, wie man so einen Film nennen kann. Christoph hat den Film dann eine Dramödie genannt. Ich weiß nicht, ob er das Wort erfunden hat. Ich habe es jedenfalls vorher noch nicht gehört. Im Englischen gibt es das Wort „Dramedy“, aber Dramödie habe ich zum ersten Mal gehört. Aber das passt ganz gut.
Der Film spielt in Frankfurt, in einer Stadt, die soziale Brennpunkte, multikulturelles Leben, eine elitäre Oberschicht und die Banken vereint. Ist dieser Schmelztiegel der perfekte Drehort für „Contra„?
Für mich schon. Es gibt natürlich in jeder Großstadt und in fast jeder mittelgroßen Stadt diese Milieus. Man hätte auch in Hamburg, Berlin oder Köln drehen können. Aber Frankfurt finde ich persönlich wahnsinnig fotogen. Durch die Skyline, durch die Hochhäuser. Und auch durch die Goethe-Universität. Das I.G.-Farben-Haus, das die Universität vor 20 Jahren gekauft hat, sieht optisch großartig aus. Wir waren sehr froh, dass wir da hindurften.
Sönke Wortmann: „Und dann gibt es den einen oder anderen Idioten, der alles kaputt macht“
Sie haben auch in sozialen Brennpunkten gedreht. Wie war das?
Tatsächlich hat einer aus unserem Drehteam etwas auf die Nase bekommen. Durch diesen einen Vorfall bekommt das Ganze eine ungute Wendung. Denn im Prinzip war es total toll. Wir waren willkommen, die Leute waren sehr hilfsbereit. Und dann gibt es doch den einen oder anderen Idioten, der alles kaputt macht. Aber insgesamt waren wir sehr happy.
Im Film nimmt ein Vortrag Naimas darüber, dass der Islam eine friedliche Religion ist, einen großen Platz ein. War es Ihnen wichtig, diese Botschaft prominent zu platzieren?
Ja, klar! Das ist eines der großen Themen, das Deutschland bewegt. Da gibt es viele Vorurteile. Das ist so ein Punkt, bei dem man sich zu wenig zuhört. Sowohl was Ängste angeht als auch bei Argumenten gegen diese Ängste. Wir wollten zeigen, dass in einer solchen Weltreligion natürlich nicht alle Terroristen sind. Und dass bei denen, die Terroristen werden, die religiösen Gründe oft nur vorgeschoben sind. Das hat oft soziale Gründe, die dann religiös begründet werden. Ich finde, das ist eine der wichtigsten Szenen im Film.
Als wir vor einem Jahr das erste Mal gesprochen haben, sind Sie davon ausgegangen, dass sich der Kinostart von „Contra“ um wenige Wochen verzögern würde. Jetzt ist es ein ganzes Jahr geworden. Sind Sie froh, dass der Film nun doch noch ins Kino kommt und nicht als Stream veröffentlicht wurde?
Ich bin natürlich froh, dass der Film im Kino landen und nicht im Stream versendet wird, das ist ja klar, weil Kino doch immer noch die Königsdisziplin ist. Und im Nachhinein hat es vielleicht sogar noch etwas Gutes, weil das Thema, das der Film behandelt, ist ja nicht weniger aktuell geworden, eher mehr, und deswegen ist es vielleicht gar nicht so schlecht.
Verwendete Quellen:
- Telefon-Interview mit Sönke Wortmann
- Vorabsichtung des Films „Contra“
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