Achtung, Spoiler! Diese TV-Kritik gibt mehr oder weniger konkrete Hinweise auf die Handlung des „Tatort: Schoggiläbe“. Wenn Sie nichts verraten bekommen wollen, warten Sie mit der Lektüre des Textes, bis Sie den Film gesehen haben (Das Erste, 28.02.2020, 20.15 – 21.45 Uhr und in der ARD-Mediathek).
So lange wie für den Zuschauer (etwas mehr als vier Monate) war die Wartezeit bis zu Fall Nummer zwei für die neuen Züricher Ermittlerinnen offensichtlich nicht. In der Eingangssequenz hadert Kommissarin Grandjean (Anna Pieri Zuercher) noch mit dem Ausgang des (sehr starken) Auftakts „Züri brännt“ und will schon wieder hinwerfen. Tessa Ott (Carol Schuler) gibt uns aber gleich mal einen Wink, wie das anfangs spinnefeind-gesinnte Duo seine Rolle künftig interpretieren will – nämlich als Team. Guter Plan, auch wenn der nicht auf Anhieb gelingt. Ott, die von ihrer Kollegin weiterhin stoisch beim Nachnamen gerufen wird, versagt in einem über Leben und Tod entscheidenden Moment, was dem „Wir“-Gefühl noch einmal einen veritablen Dämpfer verpasst.
Zürich-„Tatort“: Austauschbares Opfer, kaputte Schicksale
Die Rollen der sich gegenseitig Beharkenden, obwohl sie doch eigentlich an einem Strang ziehen müssten, fallen im „Tatort: Schoggiläbe“ (Regie: Viviane Andereggen, Buch: Stefan Brunner, Lorenz Langenegger) trotzdem anderen zu – nämlich der kriselnden und in Verwandtschaft und Erbfolge äußerst unübersichtlichen Schokoladen-Magnaten-Familie Chevalier. Deren Oberhaupt, Hans-Konrad, hat es erwischt. In seiner dekadenten Luxus-Villa erst erschossen, dann den Schädel eingeschlagen, gibt er das selbst für einen TV-Krimi vergleichsweise unoriginelle Opfer.
Aber wer wars? „Alle haben ein Motiv, aber niemand hat ein Alibi“, wird schnell erkannt. Was nach einer dilettantischen Tat im Affekt aussieht, dröselt sich vor der düster-sterilen Kulisse auf zu einer unglücklichen Verquickung aus persönlichen Dramen von Machtgier, Kindheitstraumata, illegaler Zuwanderung und den tragischen Folgen, die Homophobie und Intoleranz für Betroffene haben können.
von ARD Degeto/SRF/Sava Hlavacek
Schweizer „Tatort: Schoggiläbe“ durchbricht die vierte Wand
Abgesehen vom bildgewaltig inszenierten Schlussakkord kommt nur wenig Spannung auf. Es bleibt Zeit, die Kaputtheit der Figuren am und um den noblen Züriberg wirken zu lassen, denen Geld und Einfluss eben doch kein, wie der Schweizer sagt, „Schoggiläbe“ garantieren. Dass im Film mehrfach die vierte Wand durchbrochen wird und eine Protagonistin das Wort direkt an den Zuschauer richtet, ihm quasi vorkaut, worüber er nachzudenken hat, wird manchen spannend, anderen überflüssig vorkommen.
Lesen Sie auch
Grausam! Diese „Tatort“-Ermittler starben im Dienst
Ausgefallene Details und Dialoge machen den „Tatort“ dann aber doch zu einem sehenswerten. Wenn Ott nicht den Finger, sondern die Zunge in den fremden Schokobrunnen hält, Chevalier-Tochter Claire (Elisa Plüss) die (Groß-)Mutter (Sibylle Brunner) in unerreicht inbrünstiger Abfälligkeit „so ein Zombie“ nennt oder die Ermittler die Tat mit VR-Brille nachtölpeln, ist das auch noch durchwegs gut gespielt und dürfte einige beim nächsten Zürich-Fall wieder einschalten lassen.
Quelle: Lesen Sie Vollen Artikel