In dem "Tatort: Die Nacht der Kommissare" (18.6., Das Erste) geht es um den vermeintlich bizarren Fall einer schwäbischen Schweinebauernfamilie, die sich in kriminelle Machenschaften verstrickt, indem sie neben Schweinen auch Tiger züchtet und deren Bestandteile nach der Schlachtung verkauft.
Dieser Plot ist nur auf den ersten Blick unrealistisch. Wie Wolfgang Stauch, 55, Drehbuchautor dieses Stuttgart-"Tatorts", auf Nachfrage von spot on news berichtet, kam ihm die Idee zu dem Tigerzucht-Szenario, nachdem er von einem realen Fall eines im Jahr 2018 entdeckten Tiger-Schlachthauses in der Nähe der tschechischen Hauptstadt Prag erfuhr. Bei einer Razzia wurden dort neben getöteten Tieren auch Felle, Krallen und weiterverarbeitete Produkte wie Tiger-Boullion und sogenannter "Tigerwein" beschlagnahmt. Als weitere Inspirationsquelle diente ihm die aktuelle Krise der deutschen Schweinebauern, zu der sich ebenfalls zahlreiche Berichte in den Medien finden lassen.
Der Fakten-Check zum Stuttgart-Tatort:
Internationaler Markt für illegalen Handel mit Tigern
Durch die Zerstörung ihrer Lebensräume und Wilderei ist die Zahl der freilebenden Tiger innerhalb der letzten 100 Jahre dramatisch geschrumpft. Nach Angaben der Tier- und Naturschutzorganisation "Pro Wildlife" existieren im Vergleich zu rund 100.000 Exemplaren im Jahr 1920 heute nur noch rund 3200 erwachsene Tiger in freier Wildbahn. Dies führte dazu, dass der Tiger mittlerweile auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten steht und der Handel mit Tigern und Tigerprodukten international verboten wurde.
Trotzdem floriert der Schwarzmarkt für Produkte, die aus den majestätischen Raubkatzen gewonnen werden. Wie die Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" meldet, wurden zwischen 1999 und 2017 in der EU 8.278 Tigerprodukte wie Tigerbrühwürfel, Zähne und Krallen sowie 57 lebende Tiger beschlagnahmt.
Begehrt sind die Bestandteile der Raubkatzen vor allem in asiatischen Ländern wie China und Vietnam, in denen sie bis heute unter anderem eine große Rolle in der traditionellen Medizin spielen. Wie der "National Geographic" berichtet, werden die Knochen der Tiger zur Herstellung von medizinischen Pasten oder sogenanntem "Tigerwein" verwendet. Felle kommen zu dekorativen Zwecken als Teppiche oder Wandbehänge zum Einsatz, während Zähne und Krallen in der Schmuckindustrie Absatz finden.
Tigerfarmen gibt es auch in Europa
Die Tiger gelangen nicht nur über Wilderer auf den Markt, in vielen Ländern florieren regelrechte Tigerfarmen, in denen die Tiere meist unter grausamen Bedingungen aufgezogen und dann geschlachtet werden. Wie Medienberichte zeigen, finden sich solche illegalen Farmen mittlerweile nicht nur in Asien, sondern auch in Europa. Hinweise darauf liefern nicht nur immer wieder vom Zoll abgefangene Tigerprodukte. Wie "The Guardian" berichtet, wurde beispielsweise im Jahr 2018 bei einer Großrazzia in der Nähe der tschechischen Hauptstadt Prag eine Tigerfarm ausgehoben.
In einem offiziellen Statement der Zollbehörde der Tschechischen Republik hieß es dazu: "Die organisierte kriminelle Gruppe stellte traditionelle asiatische Arzneimittel her, die bei der vietnamesischen Gemeinschaft sehr beliebt sind und sich daher nicht nur in der Tschechischen Republik, sondern auch in weiteren Ländern der EU und Asiens leicht verkaufen. Die Nachfrage nach diesen Produkten ist sehr hoch, da man an ihre außergewöhnliche Heilkraft glaubt, die der tief verwurzelten asiatischen Tradition entspricht. Der Preis für ein Kilogramm Tigerknochen beläuft sich auf etwa 2000 US-Dollar, für Tigerfell auf circa 20.000 US-Dollar und für Tigerwein auf 100 US-Dollar pro Liter auf dem Schwarzmarkt."
Deutsche Schweinebauern in Not
Dass deutsche Schweinebauern auf die Idee kommen könnten, sich mit der illegalen Zucht von Raubkatzen über Wasser zu halten, erscheint angesichts der aktuellen dramatischen Lage in diesem Bereich der Agrarindustrie keineswegs abwegig. Wie das Fachblatt "Agrarheute" berichtet, steckt die Branche derzeit in der schlimmsten Krise seit Jahrzehnten. Allein zwischen November 2021 und November 2022 gaben rund zehn Prozent der deutschen Schweinehalter auf, weil sie von ihrer bisherigen Tätigkeit nicht mehr wirtschaftlich überleben konnten.
Die Gründe dafür sind vielfältig: Zum einen finden die Schweinebauern für ihre Produkte immer weniger Abnehmerinnen und Abnehmer. Dies hat nur teilweise mit einem allgemein sinkenden Fleischkonsum in europäischen Ländern zu tun. Wesentlich stärker wirkte sich der Umstand aus, dass vor dem Hintergrund der Schweinepest große Abnehmer wie China und Südkorea zwischen 2020 und 2023 die Einfuhr von deutschem Schweinefleisch untersagten.
Parallel dazu sorgte die Coronavirus-Pandemie dafür, dass Restaurants über einen langen Zeitraum geschlossen blieben und sich dadurch auch der deutsche Absatzmarkt verkleinerte. Für eine weitere Dramatisierung der Situation sorgt seit Anfang 2022 der Ausbruch des Krieges in der Ukraine, der zu einer Explosion der Kosten für Energie und für Tierfutter benötigtes Getreide führte.
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