"Die Nachfrage nach Hoffnung ist groß"

In den Neunzigern war Fury in the Slaughterhouse eine der wenigen deutschen Bands, die auch internationale Erfolge feierte. Trotz aller Höhen und Tiefen sind sie immer noch da: Am heutigen 28. Juli erscheint das neue Album "Hope", mit dem sie ebenso Hoffnung stiften wollen, wie mit ihrer Kampagne "#Hoffnung verändert Alles". Während der laufenden Tour bieten sie nicht nur ihren neuen Songs, sondern auch sozial engagierten Organisationen eine Bühne. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news sprechen Sänger Kai Wingenfelder, 63, und Gitarrist Christof Stein-Schneider, 61, über die Systemrelevanz von Musikern und die Wichtigkeit von Hoffnung.

Seit Anfang Juli sind Sie auf Ihrer „Hope Open Air Tour“ unterwegs. Wie war es, die neuen Songs zum ersten Mal vor Publikum zu spielen?

Christof Stein-Schneider: Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass wir Songs spielen, die die Leute nicht kennen können, weil sie erst am 28. Juli erscheinen. Der Gesichtsausdruck des Publikums war zwischenzeitlich doch ein sehr interessanter. Aber kam alles gut an, wir haben gut gespielt, für eine junge Nachwuchsband war das alles sehr solide, glaube ich.

Warum spielen Sie nur Open-Air-Konzerte?

Kai Wingenfelder: Wir spielen auch nur am Wochenende, was ich noch besser finde. Da haben die Leute Zeit und Bock, weil sie Party machen können und morgens nicht arbeiten müssen. Und das ist eigentlich die beste Grundvoraussetzung, Leute auf ein Konzert zu kriegen, da kommen einfach am meisten Leute. Die wollen Spaß und wollen Party.

Christof Stein-Schneider: Ich finde Festivals überhaupt mit das Schönste beim Musik machen. Und ich liebe das Open-Air-Dasein. Alles klingt gut. Hallen klingen teilweise so schrottig und die modernen Arenen klingen so scheiße … Da macht es einfach auch wenig Bock zu spielen, ehrlich gesagt.

Ihr neues Album trägt den Titel ‚Hope‘, zudem haben Sie die Kampagne „#Hoffnung verändert alles“ gestartet. Warum dreht sich bei den Furys gerade alles um Hoffnung?

Christof Stein-Schneider: Ein bisschen ist das aus der Zeitfrage oder Behauptung heraus entstanden, dass Kunst und Kultur systemrelevant sei. Und wir die Idee hatten: Was ist denn unsere Systemrelevanz, was kann das sein? Und über den Fakt, dass unser Gehirn keine Angst empfindet, wenn wir zusammen singen. Wenn wir keine Angst empfinden, können wir uns Gedanken darüber machen, was denn besser laufen könnte oder wie die Zukunft kommen kann. Weil Angst lähmt. Darüber kam dann dieser Titel "Hope" zustande und den haben wir weitergesponnen. Diese Idee der Hoffnung. Was macht uns denn Hoffnung in dieser Zeit? Wir sind dann darauf gekommen, dass es Menschen sind, die bereit sind, ihre Energie und ihre Zeit dafür einzusetzen, anderen Menschen über die Straße zu helfen, um es mal bildlich zu sagen.

Kai Wingenfelder: Ich glaube, die Nachfrage nach Hoffnung ist ganz groß, weil in Zeiten wie diesen nur was Vernünftiges entstehen kann, wenn man den Menschen wieder ein bisschen Hoffnung gibt. Wenn man sich so umguckt, passieren einfach nur Dinge, wo ich mich frage: Oh, oh, oh, wo führt das hin? Aber ich möchte jetzt nicht meinen Kopf in den Sand stecken, sondern ich möchte irgendwas bewegen. Deswegen auch diese NGO-Variante. Weil das alles Menschen sind, die sich vorgenommen haben, etwas zu tun, was ich total positiv finde. Dass es diese vielen Leuten gibt, die was tun, gibt mir und der Band die Power zu sagen: Okay – die Nachfrage nach Hoffnung ist groß, wir hätten welche im Angebot. Also machen wir das einfach mal und versuchen, den Leuten in den Konzerten nicht nur das Gefühl zu geben, dass sie mal abschalten können, um Kraft zu schöpfen, sondern auch zu zeigen, dass es wahnsinnig viele Leute und positive Beispiele gibt, wie man was verändern kann. Vielleicht kriegen wir ein bisschen Kohle zusammen. Wir geben auch was und wir geben was zurück, was wir die ganze Zeit erhalten haben.

Wie läuft die Kooperation mit den NGOs?

Kai Wingenfelder: Wir haben eigentlich nichts anderes gemacht, als das zu bündeln, was wir eh schon tun. Seit Anfang 2017 arbeiten wir mit Sea Sheperd zusammen. Mein Bruder und ich arbeiten mit Ubomi, einer Organisation, die in den Townships lebt und versucht, für Kinder in Afrika eine vernünftige Zukunft zu generieren. "Aktion Dunkelziffer" haben wir auch schon unterstützt und "Stark gegen Krebs". Jetzt haben wir einfach mal gedacht: Die ganzen Sachen, die wir so machen und viele Sachen dazu, mit denen wir noch nichts zu tun hatten, die packen wir einfach zusammen und machen dann für jedes Konzert ein Ding. Wir drehen Filmchen und geben denen auf unseren sozialen Medien eine Plattform, wo sie gesehen werden können. Wir bewerben die und sammeln dann Geld.

Wie werden diese Projekte auf Ihrer Tour vorgestellt?

Kai Wingenfelder: Wir haben auf fury.de eine Unterseite, die heißt "#Hoffnung verändert alles". Wir haben mit vielen jetzt schon Filme gedreht, ungefähr drei Minuten lang, wo wir sie besuchen und sie kurz erklären, wer sie sind und was sie machen. Die stehen alle schon im Netz. Im Endeffekt wird das überleben, vielleicht sogar die Band, das ist unser Traum. Eine Art Wikipedia für NGOs. Da kannst du gucken, was würde ich gerne unterstützen, was kann man unterstützen, was machen die. Das ist das, was wir eigentlich auf die Beine stellen wollen mit dem Ding.

Sie haben sich 1987 gegründet und in den Neunzigern auch international Erfolge gefeiert. Waren die Zeiten für Musiker damals hoffnungsvoller als heute?

Christof Stein-Schneider: Wir haben noch irgendwie die letzte Kurve mit den Clubs mitgekriegt. Wir hatten in Hannover, ich weiß nicht, zehn Clubs oder Kneipen, wo jede Woche einmal Live-Musik war. Da haben wir uns von vorne bis hinten durchgespielt. Wir haben uns die ersten Jahre davon ernährt oder auch nicht ernährt. Du hast auf jeden Fall jedes Mal 400 Mark gekriegt. Von diesen ganzen Clubs gibt es nur einen einzigen, der noch existiert. Die moderne Art der Vermarktung hat es geschafft, uns innerhalb von 25 Jahren auf mal gerade fünf Prozent runterzukochen. Was damals in unseren Taschen landete, landet heutzutage in Händlertaschen. Aber da sind wir Musiker natürlich nicht die einzigen. Die Schmarotzer haben halt die Welt übernommen und die lassen uns ausbluten.

Kai Wingenfelder: Ich fand, damals war es einfacher zu träumen. Da konnte man noch träumen und sagen: Hey, wir machen jetzt Rockmusik. Und dann konnte man auch noch riskieren zu sagen, wir scheißen auf die Ausbildung und gehen das Risiko ein und machen jetzt Musik, proben den ganzen Tag so lange, bis wir gut sind und dann fahren wir raus und spielen. Und da konntest du halt noch spielen, da hast du noch Gigs gekriegt. Das gibt's heute nicht mehr. Heute ist die einzige Verbreitungsmöglichkeit das Netz.

Wenn es früher 50 Bands in Deutschland gab, die innerhalb von fünf Monaten aus dem Dings geploppt sind, dann gibt es jetzt 5.000. Da gibt es 5.000 Leute, die alle ein kleines Homestudio haben, die machen was und dann hauen sie ihre Songs auf Spotify oder Soundcloud oder was weiß ich. Von denen macht es eine, wenn es hochkommt. Bei uns waren es von den 50 noch fünf, die wenigstens eine Stufe weitergekommen sind. Das waren die Golden Days sozusagen. Die gibt es halt nicht mehr. Die Kids, die heute eine Band machen, sind schon mutig.

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