In seiner neuen Kochshow „Böhmi brutzelt“ gibt sich Jan Böhmermann ungewohnt zahm. Und kann so seinem Gast Gangster-Rapper Xatar einige überraschende Geständnisse entlocken.
So ganz ernst nehmen kann Jan Böhmermann wohl kaum etwas. „Ich mache eine Kochshow, um Leute, die Kochshows lieben und Leute, die Kochshows hassen, gleichermaßen zur Weißglut zu bringen“, das ist der erste Satz, den er in seiner neuen Sendung „Böhmi brutzelt“ auf ZDF Neo sagt.
Keine Politik soll sie enthalten, ließ er vorher verlautbaren, um dann ganz tief zu stapeln, dass er vom Kochen eigentlich keine Ahnung habe. Wer seinen Podcast „Fest und flauschig“ kennt, in dem er gerne minutenlang mit Co-Host Olli Schulz darüber sinniert, wie er selbst literweise Brühe kocht, um sie in Einmachgläsern zu konservieren, weiß selbstverständlich, dass das nur Koketterie ist.
Xatar wäre wohl nicht bei „Alfredissimo“ aufgetreten
Trotzdem stellt sich die Frage, wieso deutsche Zuschauerinnen und Zuschauer bei der Flut an Kochshows ausgerechnet noch einem vorlauten, ambitionierten Laien beim Schnibbeln zusehen sollen. Die Antwort gab Böhmermann in einem Interview selbst: „Beim Kochen im Internet und im Fernsehen geht es leider nur noch um Wettbewerb, Challenges, Leistung, Instagramabilität oder Angeberei von Profiköchen. In unserer Show ist Kochen der Rahmen für Unterhaltung.“
Sein großes Vorbild dafür ist Alfred Biolek, der es auf ganz unaufgeregte Art und Weise schaffte, den Deutschen Essen und Gast näherzubringen, so als stünde man mit Freunden in der Küche.
Umso trauriger ist, dass ausgerechnet am Tag vor der Premiere von „Böhmi brutzelt“ bekannt wurde, dass Alfred Biolek im Alter von 87 Jahren verstorben ist. Denn tatsächlich erinnert Böhmermanns kochende Sommerpause (in weiteren Folgen: Aminata Belli, Motsi Mabuse, Mai Thi Nguyen-Kim, Igor Levit und Riccardo Simonetti) in vielen Momenten an die Kochshow des großen Unterhalters.
Wenngleich Biolek vielleicht nicht unbedingt Gangster-Rapper Xatar als erstes eingeladen hätte. Der ist für seine expliziten Texte bekannt und saß fünf Jahre im Gefängnis.
In Süddeutschland schmeckt es im Gefängnis am besten
Das Setting von „Böhmi brutzelt“ ist betont unaufgeregt, Moderator und Rapper stehen hinter einer Küchenzeile, die Kamera hält frontal drauf. Jeder kocht ein Gericht, Xatar wenig überraschend Köfte, schließlich betreibt er unter seinem Namen einige Imbisse, die dieses Gericht verkaufen. Böhmermann hält mit deutscher Hausmannskost dagegen: Rouladen.
Xatar scheint sich wohl noch nicht ganz so sicher zu sein, was er von all dem halten sein. Wie ein Boxer bleibt er in den ersten Minuten der halbstündigen Sendung nie wirklich stehen, tritt von einem Fuß auf den anderen und schaut grimmig, als stünde gleich ein Rap-Battle bevor.
Böhmermann versucht, ihn ein wenig aufzulockern, und Xatar beginnt über seine Erfahrungen mit Gefängnisküchen zu erzählen. In Köln seien sie ungenießbar, in Bayern ein Traum, dafür sei da der Knast härter. Auf die Frage, warum er denn eigentlich fünf Jahre hinter Gittern verbracht hat, blockt er ab: “Da musst du deinen Vater fragen.”
Warum muss es das SEK immer übertreiben?
Böhmermanns Vater war Polizist, unter anderem beim SEK. Woraufhin Xatar beginnt, sich zu beschweren: „Müssen die es immer übertreiben? So Ocean’s 11 durchs Fenster rein? Da schlafen alte Leute.“ Als wäre die Spezialtruppe der Polizei vor allem damit beschäftigt, netten Seniorinnen einen unangekündigten Weckruf zu verpassen. Aber natürlich gehört das alles zum Image eines Gangster-Rappers.
Spätestens hier beginnt Xatar, lockerer zu werden. Wegen „Raub, Drogen, alles“ sei er im Gefängnis gelandet, gibt er die verspätete Antwort auf Böhmermanns Frage. Oder lässt durchblicken, dass er zu Beginn der Corona-Pandemie ins Masken-Geschäft einsteigen wollte und kurz davor war, einen Deal mit Gesundheitsminister Jens Spahn abzuschließen. Doch da fährt Böhmermann dazwischen und sagt: „Keine Politik.“
„Das ist dasselbe Game. Frikadellen-Business.“
Schließlich geht es hier doch ums Kochen, also referiert Böhmermann lieber über seine Rouladen, seine Vorliebe für Mett und dass Köfte irgendwie doch auch Frikadellen sind. „Das ist dasselbe Game“, entgegnet Xatar. „Frikadellen-Business.“ Essen hat eben doch etwas Verbindendes.
Und so kommen sich Moderator und Rapper langsam näher, die Zurückhaltung legt sich, alle werden lockerer. Irgendwann verschränkt Xatar die Arme, läuft herüber zu Böhmermann, schaut anerkennend in dessen Topf und sagt: „Du kannst gut kochen, oder?“
Böhmermann redet sich natürlich heraus, doch als beide am Schluss da sitzen und Roulade und Köfte in sich hineinschieben, ist immer wieder ein lautes „Mmmmh. Gut!“ zu hören. Was an eine andere Kochshow erinnert, deren Moderator immer wieder Laute der Verzückung von sich gab: Alfred Biolek in „Alfredissimo“.
Dem hätte „Böhmi brutzelt“ sicher gut gefallen. Aber zumindest ist da jetzt einer, der in seine Fußstapfen treten kann. Wer hätte gedacht, dass das ausgerechnet Jan Böhmermann sein würde.
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