Wie er sich immer wieder neu erfand

David Robert Jones, besser bekannt als David Bowie (1947-2016), war ohne Frage einer der bahnbrechendsten Künstler der Musikgeschichte. Knapp sechs Jahre nach seinem Tod ist er noch immer ein Idol für die Menschen seiner Generation – aber auch die Jüngeren schauen auf zum Major Tom. Sein künstlerisches Vermächtnis überdauert seinen Tod, und doch fühlt sich der 8. Januar seit einigen Jahren leer an. Heute hätte David Bowie seinen 75. Geburtstag gefeiert. Ein Rückblick auf das Schaffen eines Außenseiters, der mit seinen vielen Persönlichkeiten zur Legende wurde.

Bowie kam am 8. Januar 1947 in Brixton, Großbritannien zur Welt. Dass es den Jungen einmal in die weite Welt hinaustreiben würde, ahnten seine Mutter, eine Kellnerin, und sein Vater, ein Beförderungsbeauftragter, damals vermutlich noch nicht. Schon zu Schulzeiten stach er mit seiner musikalischen Begabung heraus. Als Kind sang er im Chor, beherrschte die Blockflöte und tanzte im Unterricht.

Inspiriert von Musikern wie Elvis Presley (1935-1977), Chuck Berry (1926-2017) und Little Richard (1932-2020) lernte er das Spielen von Ukulele, Teekistenbass und Piano. Etwas später entfachte sein älterer Halbbruder Bowies Liebe für Jazz. Seine Mutter schenkte dem Multiinstrumentalisten daraufhin ein Saxophon; zusätzlich bekam er Unterricht vom bekannten britischen Saxophonisten Ronnie Ross.

Die verzweifelte Suche nach dem richtigen Namen

1962 gründete David Jones seine erste eigene Band, die Konrads. Damals war er gerade einmal 15 Jahre alt. Nur ein Jahr später war dem jungen Musikgenie klar: Er will Popstar werden. Seine Bandkollegen hegten jedoch nicht denselben Enthusiasmus wie er. Er verließ die Konrads und versuchte sein Glück mit vielen weiteren Bands, die jedoch alle scheiterten. Auch sein Künstlername, Davy Jones, sollte ihm kein Glück bringen. Denn zur selben Zeit wurden die Monkees mit ihrem Mitglied Davy Jones (1945-2012) berühmt. Auch die Umbenennung in Tom Jones war aus offensichtlichen Gründen zum Scheitern verurteilt…

Ein 1960 in den USA erschienener Westernfilm ("Alamo") inspirierte den jungen David Jones letzten Endes zu seinem Künstlernamen David Bowie. Richard Widmark (1914-2008) spielte darin den lässigen Cowboy Jim Bowie. David Bowie sollte jedoch nicht nur eine Namensänderung sein – Rock-Historiker John Covach verriet dem "Time"-Magazin: "Was einst mit einer simplen Namensänderung begann, wurde zu einer Persönlichkeit."

„Ground control to Major Tom“

Tatsächlich sollte David Bowie, der im Juni 1967 sein gleichnamiges, wenig erfolgreiches Debütalbum veröffentlichte, im Laufe seiner Karriere in viele Persona schlüpfen. 1969 erschien sein Song "Space Oddity" – wenige Tage bevor die Apollo 11 Kurs zum Mond aufnahm. "Ground control to Major Tom" singt der junge Bowie darin. Der fiktive Astronaut Major Tom wurde die erste "Figur" Bowies.

1972 veröffentlichte Bowie sein Album "The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars" und kreierte damit seine bis heute bekannteste Persona: Ziggy Stardust. Stardust, ein Alien, war für seinen rothaarigen Vokuhila, seinen geschminkten Kreis auf der Stirn und seinen außergewöhnlichen Kleidungsstil bekannt. "Ich wollte mit ihm den Urtyp eines Rockstar-Messias definieren", erklärte Bowie 1977 in einem Interview mit CBC. Dass er seine Persönlichkeiten wechselte, kam damals jedoch nicht bei allen gut an. "Es war für viele ziemlich hart, zu verstehen, dass ein Rockmusiker die Bühne betreten kann, und dabei jedes Mal eine andere Person sein kann", betonte er.

Von Ziggy Stardust bis zum Blind Prophet

Ziggy Stardust blieb jedoch nicht die einzige Kunstfigur, die sich in die Köpfe der Menschen einbrannte. Aladdin Sane (der oft für Ziggy Stardust gehalten wird) ist bis heute wohl eine der bekanntesten Figuren der Popkultur. Das Albumcover der gleichnamigen Platte von 1973 zeigte Bowie mit einem blau-roten Blitz im Gesicht. Dieser Kunstfigur folgten weitere Persona wie Halloween Jack, The Soul Man, The Thin White Duke, The DJ, Pierrot, Screaming Lord Byron, Jareth der Koboldkönig (aus dem Film "Die Reise ins Labyrinth") und schlussendlich The Blind Prophet.

The Blind Prophet war die letzte Persona, mit der sich David Bowie verwirklichen konnte. Am 8. Januar 2016 veröffentlichte er sein Album "Blackstar". Im dazugehörigen Musikvideo zum Titelsong "Lazarus" (benannt nach dem Heiligen Lazarus von Bethanien, der von Jesus von den Toten wiedererweckt wurde) tauchte er als der blinde Prophet auf. "Schau hier hoch, ich bin im Himmel / Ich habe Narben, die man nicht sehen kann" singt er darin mit brüchiger Stimme. Wusste Bowie etwa, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleiben würde?

Nur zwei Tage später, am 10. Januar, schloss David Jones für immer die Augen. 18 Monate zuvor erhielt er die Diagnose Leberkrebs, behielt sein Schicksal jedoch für sich. Ob sein letztes Album wirklich ein Abschiedsgeschenk war, bleibt ungeklärt – Medien wie die Studentenzeitung "The Red & Black" betitelten "Blackstar" dennoch als Abgesang (Engl.: "swansong") Bowies.

David Bowie – ein Künstler für die Ewigkeit?

Vor knapp sechs Jahren reiste Major Tom wieder ins All… Und Ziggy Stardust kehrte auf den Mars zurück. David Jones verließ die Erde. Ist er nun endlich da, wo er hingehört? An seinem 75. Geburtstag wird bewusst, dass etwas fehlt, seit er weg ist. Was David Jones' Tod jedoch überdauert, ist David Bowie. Jones erschuf mit Bowie einen Künstler für die Ewigkeit. Und Bowie schuf Persona, von denen Künstlerinnen und Künstler vermutlich noch weit in der Zukunft Inspiration schöpfen werden.

An den Ausnahmekünstler wird zu seinem Geburtstag weltweit erinnert. In London und New York öffnen Pop-up-Stores rund um die Pop-Ikone. Die Deutsche Post würdigt den wandlungsfähigen Künstler mit einer Sonderbriefmarke. Auch erschien das neue Album "Toy", eine Sammlung von Neuaufnahmen und Interpretationen der frühen Songs.

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