Nach der Brustkrebsdiagnose 2021 dachte Sonya Kraus, 49, ihr Leben sei "zu Ende". Die beliebte TV-Moderatorin hatte "extreme Angst vor der Chemo". Kurz darauf setzte ihr unbändiger Überlebensinstinkt ein. Eine Strategie, die sie bereits in Kindheitstagen nach dem frühen Tod ihres Bruders und dem Suizid ihres Vaters nur wenige Jahre später für sich entwickeln musste. Wieso sie sich dennoch als "Glückskind" bezeichnet und deshalb perfekt zur Kult-Quizshow "Glücksrad" passt, hat sie im GALA-Interview erklärt und blickt auf den Tag der Diagnose zurück, der ihr Leben auf den Kopf stellte.
Sonya Kraus arbeitete bereits drei Wochen nach ihrer Krebs-OP wieder
Seit Januar 2023 sind Sie mit dem "Glücksrad" zurück. Als die Kult-Quizshow Ende der 90er-Jahre mit Ihnen lief, waren Sie Mitte 20: An welche besonderen Momente erinnern Sie sich gern zurück?
In diesen fast 1000 Sendungen, die ich damals als Glücksfee bestritten habe, habe ich so ziemlich alles erlebt. Bei einem Trailer-Dreh war einmal ein süßes Ferkel zu Gast. Und unser kleines Glücksschwein ließ sich nicht von Freddy, dem charmanten Meisner [ehemaliger "Glücksrad"-Moderator Frederic Meisner, Anmerkung der Redaktion] anfassen, da fing es an zu schreien. Es wollte immer zu mir. Ich hatte dann den gesamten Drehtag dieses süße Schweinchen auf dem Arm und dachte: "Am liebsten würde ich dich mit nach Hause nehmen. Ich will nicht, dass du als Wurst endest". (lacht) Wir hatten auch mal eine Kandidatin, die vor Glück in Ohnmacht fiel.
"Das Glücksrad" ist nicht Ihr erster TV-Job nach der Brustkrebsdiagnose im September 2021.
Ich habe die ganze Zeit während meiner Chemotherapie gearbeitet, das war wichtig für mich. Denn nach der Diagnose dachte ich zunächst: "Jetzt ist das Leben zu Ende".
Bereits drei Wochen nach der Operation habe ich "Showtime of my Life – Stars gegen Krebs" gedreht.
Neben einer Chemotherapie zu arbeiten, ist sicherlich sehr herausfordernd. Wie haben Sie es geschafft, beides zu vereinbaren?
Es war alternativlos. Ich dachte mir: Augen zu und durch, jammern bringt jetzt nichts. Es gibt auch großartige Medikamente gegen Nebenwirkungen, die mir geholfen haben. Gleichzeitig habe ich genossen, etwas zu tun zu haben, mich abzulenken, damit sich nicht alles um mich und meine Diagnose dreht. Über allem schwebte mein Sonnenscheingemüt und mein positives Denken, das mich gut durch diese Zeit gebracht hat. Das "Glücksrad" ist quasi auf mich zugeschnitten. Ich fühle mich da sehr gut aufgehoben, weil ich mich trotz allem als Glückskind bezeichne.
„Das Seltsame war, dass ich den Krebs zunächst nicht als Erkrankung begriffen habe“
Wieso genau?
Die Tatsache, dass mein Tumor so früh erkannt worden ist, ist ein totaler Glücksfall, ein Geschenk des Lebens.
Im September 2021 haben Sie die Diagnose erhalten. Was ging Ihnen damals durch den Kopf?
Das Seltsame war, dass ich den Krebs zunächst nicht als Erkrankung begriffen habe. Mein Körper fühlte sich bombe-gesund an, ich war fit und mega in Schuss, es hat nichts wehgetan.
Dann begann der ganze Therapie-Wahnsinn, der mich mich zum ersten Mal krank fühlen ließ.
Das klingt nach einem sehr ambivalenten Gefühl. Wie haben Sie es geschafft, all das anzunehmen und wie gingen die Tage nach der Diagnose für Sie weiter?
Das war ein völlig schizophrenes Gefühl. Ich hatte keine spürbaren körperlichen Symptome. Zuerst kreisten natürlich die Gedanken, aber dann habe ich es geschafft, meinen Kopf auszuschalten und ich bin in einen Aktionsmodus verfallen. Wenige Tage nach meiner Diagnose hatte ich meinen Behandlungsfahrplan, wusste, zu wem ich gehen, was ich machen muss und wann ich operiert werde. Das ist ein großer Luxus, dass ich in einer Großstadt lebe und gut vernetzt bin.
Tod des Vaters und Bruders haben Sonya Kraus geprägt: „Die Brustkrebsdiagnose war wieder so eine Extremsituation“
Ihre Gefühlslage in dieser Zeit hört sich bewundernswert gefasst an.
Sechs von meinen Freundinnen waren von der Diagnose Brustkrebs betroffen, fünf davon leben noch. Die haben immer sehr offen darüber gesprochen und mich dazu ermutigt und ermahnt, zur Vorsorge zu gehen. Als ich die Diagnose erhielt, hatte ich direkt ein Hilfsnetzwerk, bei dem ich mich melden konnte, war dadurch aufgeklärt und reagierte gefasster. Mir war sofort klar: Die Brüste haben zwei Jungs großgezogen, die haben jetzt ausgedient und kommen ab.
Inmitten dieser ganzen Positivität: Wie hat sich eine solch lebensbedrohliche Diagnose auf Ihre Psyche ausgewirkt? Wie war es für Sie, mit der Endlichkeit des eigenen Lebens konfrontiert zu werden?
Bei mir muss man tiefer gehen, weiter zurück in meine Kindheit schauen, um zu verstehen, wie meine Psyche gestrickt ist. Ich habe bereits in jungen Jahren emotionale Extremsituationen durchlebt.
Ich habe es nicht zugelassen, in diesem negativen Gedankenstrudel aus "Stell dir vor, du stirbst und lässt deine Kinder zurück" zu versinken. Das habe ich mir verboten. Zudem habe ich die Ist-Situation angenommen und den Anspruch auf körperliche Unversehrtheit abgegeben.
Information zu Hilfsangeboten
Sie haben suizidale Gedanken? Die Telefonseelsorge bietet Hilfe an. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter 0800/1110111 und 0800/1110222 erreichbar. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der „Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention“.
Sonya Kraus verheimlichte Krebserkrankung vor ihrer Familie
Gegenüber Ihrer Mutter, die mit Ihnen in einem Mehrgenerationenhaus lebt und Ihren Kindern haben Sie Ihre Erkrankung zuerst verschwiegen.
Ich wollte keine Panik auslösen. Erst als ich nach der Operation mit lauter Drainagen aus dem Krankenhaus entlassen wurde und nach Hause kam, konnte ich es nicht länger verheimlichen. Ich musste gestehen, dass ich geflunkert habe und nicht die letzten sechs Tage für einen Dreh weggefahren bin.
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Würden Sie im Nachhinein wieder so entscheiden?
Mein Mantra war: Was für mich funktioniert, ist das Wichtigste. In dieser Ausnahmesituation musste ich für mich das Wichtigste sein. Mein Weg, nicht mit meinen Kindern darüber zu sprechen, sondern mein Ding durchzuziehen und es mit ihnen danach zusammen aufzuarbeiten, fühlte sich damals wie heute richtig an.
Deshalb fiel ihr die radikale Entscheidung der Brustamputation nicht schwer
Durch den Krebs hat sich Ihr Körper verändert, Sie haben sich die Brüste abnehmen lassen, Ihre Haare fielen aus. Was hat das mit Ihnen gemacht?
Ich habe zwei sehr hübsche Naturbrüste gegen einen wahnsinnig perfekten Pornobusen eingetauscht (lacht). Ich hätte gerne meine Brüste behalten, aber die Neuen sind durchaus dufte. Auch hier hat mir die Offenheit meiner Freundinnen sehr geholfen. Sie haben mir gezeigt, was mich erwartet. Ich durfte bei ihnen schauen, anfassen und fühlen. So fiel mir die Entscheidung, radikal zu verfahren, nicht schwer.
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Natürlich war es ekelhaft, als mir die Haare ausgefallen sind und ich ein Vogelnest in der Hand hatte. Aber: Die Scheu vor Perücken hatte ich nie, auch aufgrund der Tatsache, dass ich durch meine Arbeit im Showbusiness Erfahrungen sammeln konnte. Und dann bin ich in diese fantastische Welt des Zweithaars eingetaucht und habe einen neuen Fetisch entdeckt. (lacht)
Sie haben also die Veränderungen Ihres Körpers als etwas ausschließlich Positives wahrgenommen?
Mir blieb sowieso keine andere Wahl und meinem Naturbusen oder den Haaren hinterher zu weinen hätte mir nichts gebracht. Deshalb umarme ich lieber die Möglichkeiten der Maske und Medizin.
Deshalb möchte ich allen Betroffenen die Angst vor dem Haarverlust nehmen. Auch für kleines Geld gibt es großartige Perücken, bei denen man teilweise gar nicht mehr erkennt, dass es welche sind. Das ist mir erst letztens im Job passiert. Eine Kollegin konnte nicht glauben, dass ich eine Perücke trage.
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Das rät Sonya Kraus anderen Betroffenen – und ihre Tipps bei Panik vor der Chemo
Was würden Sie Betroffenen raten, wie sie ihre mentale Gesundheit in einer solch langen Phase der Behandlung stabil halten?
Ich weiß, wie schlimm es ist, sich mit einem Chemo-Kater aus dem Bett zu quälen, aber wenn es irgendwie geht:
Was ich aber auch betonen möchte: Es sind nur Ratschläge, das ist nicht der einzige Weg, den man gehen kann. Jeder Mensch ist anders gestrickt. Wenn jemand nicht aufstehen will oder kann, ist das auch in Ordnung.
Etliche Krebspatient:innen haben große Angst vor der Chemotherapie. Was hat Ihnen geholfen?
Ich habe meinen Chemo-Tag, der manchmal bis zu sechs Stunden gedauert hat, zu meinem Kinotag erklärt. Ich bin immer mit einer Ladung Snacks und mehren Filmen auf dem iPad ins Krankenhaus gefahren. Ich habe die Chemo damit gereframed, also umgedeutet, um diesem furchtbaren Tag eine neue Bedeutung zu geben.
Eines der schönsten Komplimente in meinem Leben habe ich von meiner Onkologin bekommen. Sie sagte zu mir: „Frau Kraus, ich weiß immer ganz genau, wenn sie im Chemo-Raum sitzen. Dann höre ich es da lachen.“ Da hatte ich Tränen in den Augen. Sie meinte, dass es mir so gut geht, hat ganz viel mit meiner mentalen Einstellung zu tun. Mir ist aber auch klar, dass das nicht jeder kann.
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