Sein Name ist Gesetz – Peter Hartz wird 80

Saarbrücken/Berlin (dpa) – Hartz IV: Ein Begriff mit fast epochalem Charakter, für die Arbeitsmarktpolitik ebenso wie für das Hadern der SPD mit ihrem Kurs über weite Strecken der vergangenen 20 Jahre.

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Als Namensgeber steht Peter Hartz für eine der größten Wirtschafts- und Sozialreformen in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Was ist davon geblieben – und wie sieht Hartz sein Erbe jetzt zum 80. Geburtstag?

Ja, der Name „Hartz“, der sei ein Fehler gewesen, sagt er der Deutschen Presse-Agentur in Saarbrücken. „Heute würde ich die damalige Hartz-Kommission eher Job-Kommission nennen.“ Denn die namentliche Verknüpfung der auch viel kritisierten Hartz-Gesetze I bis IV sei rückblickend „natürlich auch eine Belastung“ gewesen.

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Aber: „Unterm Strich kann ich sagen: Die Reform ist nicht nur umstritten, sondern sie war ja sehr erfolgreich“, betont Hartz. „Ich halte sie für eine der besten Reformen. Der Erfolg ist doch sehr nachweisbar.“ Der Saarländer, der zurückgezogen im Nordwesten des Saarlandes lebt, wird an diesem Montag (9. August) 80 Jahre alt.

Im Juli 2021 bezogen nach den Zahlen der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit 3,86 Millionen Menschen Geld aus dem Topf, der offiziell Grundsicherung heißt, im Volksmund aber unter Hartz IV bekannt ist. Abgewickelt wird das in Jobcentern – eine Einrichtung, die es ohne Peter Hartz nicht gegeben hätte.

Der kleinere Teil der Hartz-IV-Empfänger ist arbeitslos. Andere verdienen in ihren Teilzeit-Jobs so wenig, dass ihr Verdienst über die Grundsicherung aufgestockt werden muss. Wieder andere bekommen das Geld, weil sie Angehörige pflegen oder Kinder betreuen müssen.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung geht davon aus, dass Hartz IV wesentlich zur Verringerung der Arbeitslosigkeit in Deutschland beigetragen hat, wie aus einer Studie des Instituts hervorgeht.

Und heute? „Ich würde die Reform fortschreiben mit den Möglichkeiten der Digitalisierung. Wir sind ja gut 15 Jahre weiter“, sagt Hartz. Die einzelnen Gesetze der Arbeitsmarktreform traten schrittweise bis 2005 in Kraft. „So eine große Reform, die lebt ja“, erklärt Hartz. „Und sie entwickelt eine Eigendynamik. Aber was so eine große Reform auch braucht, ist ein Machtprotagonist.“

Damals war das Gerhard Schröder (SPD) als Kanzler. Mittlerweile tun sich die Sozialdemokraten mit der Reform sehr schwer. Hartz setzt da Hoffnung auf die neue Regierung: „Die könnte die Reform sehr gut fortschreiben.“ Zu Schröder habe er immer noch ein gutes Verhältnis.

Wirklich im Ruhestand ist der ehemalige Manager noch nicht. Erst vor kurzem wurde Hartz Gründungsvorstand des Start-ups Timefonds AG. Es geht um die Entwicklung einer App, mit der Zeitwertkonten von Arbeitnehmern angelegt und verwaltet werden können. „So etwas gibt es noch nicht.“ Die Idee ist, dass man Arbeitszeit flexibel gestalten, Zeitguthaben sammeln und dann nutzen kann, wenn man es braucht.

Im Sommer 2002 hatte Hartz als Leiter einer Expertenkommission der rot-grünen Regierung unter Schröder Vorschläge für eine „arbeitsmarktpolitische Radikalkur“ vorgelegt. Diese wurden in vier Reformgesetze gegossen – von denen das letzte unter dem Namen „Hartz IV“ bekannt wurde. Es ging um Fordern und Fördern gleichermaßen.

Innerhalb von drei Jahren lasse sich die Arbeitslosigkeit halbieren – das war die Botschaft von Hartz. Als er seine Reformideen präsentierte, gab es 3,8 Millionen Arbeitslose – heute sind es knapp 2,6 Millionen. Nach wie vor sind die damaligen Veränderungen umstritten. Wegen der Hartz-Gesetze gingen Hunderttausende auf die Straße, die SPD schlitterte in eine schwere parteiinterne Krise.

Hartz, Sohn eines Hüttenarbeiters, hatte sich zunächst im Saarland als Arbeitsdirektor der Dillinger Hüttenwerke ab 1979 einen Namen gemacht, weil er Stellenabbau ohne Entlassungen schaffte. 1993 holte ihn der damalige VW-Chef Ferdinand Piëch als Personalvorstand zum Wolfsburger Autobauer, der in einer schweren Krise war. Der Konzern produzierte zu teuer, die japanische Konkurrenz war Europäern und Amerikanern seit den 1980er Jahren immer mehr auf den Pelz gerückt.

Er entwickelte neue Tarif- und Arbeitszeitmodelle, mit denen es auch Volkswagen letztlich gelang, viele Jobverluste und möglicherweise sogar Massenentlassungen zu verhindern. Dabei halfen Hartz gute Drähte zur IG Metall, in der er selbst Mitglied geworden war.

Ein gutes Jahrzehnt danach folgt der Karriereknick: In der juristischen Aufarbeitung der Affäre um Lustreisen des VW-Betriebsrats auf Firmenkosten sowie um geheime Boni und Schmiergelder musste Hartz mehrfach vor Gericht erscheinen. 2005 trat er zurück, 2007 wurde er wegen Untreue und Begünstigung von Betriebsräten zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt.

Seinen Geburtstag feiert er zu Hause im Saarland mit seiner Familie. „Wegen Corona fällt die große Feier aus.“ Wie er sich zum runden Jubiläum fühle? „Mir geht es gesundheitlich altersgemäß gut.“

Am Herzen liege ihm noch ein ganz anderes Projekt, das er derzeit mit der Stiftung SHS („Saarländer helfen Saarländern“) vorantreibt: die weltweite Vernetzung von Saarländern, um Kontakte auch wirtschaftlich zu nutzen. „Wir sind schon in 60 Staaten fündig geworden. Der Sympathiekreis wächst“, sagt Hartz. Seiner Schätzung nach leben außerhalb des Saarlandes rund 300.000 Menschen mit Saarland-Bezug. Das sei „eine Chance für eine emotionale Globalisierung“.

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