Raus aus dem Winterblues: Darum spüren wir im Frühling "neue Energie"
Psychologe im Interview
Die dunklen und kalten Wintertage neigen sich dem Ende zu und der Frühling macht sich mehr und mehr bemerkbar. Die ersten Krokusse fangen zu blühen an, das Thermometer steigt täglich an – und damit gleichzeitig auch unsere „Energie“ und „Lebensfreude“, weiß Dr. Torsten Grüttert, Chefarzt der Privatklinik Duisburg. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät der Experte, warum der Beginn der warmen Jahreszeit auf uns eine stimmungsaufhellende Wirkung hat und wie wir diese am besten nutzen können.
Dr. Torsten Grüttert: Mit den ersten schönen Frühlingstagen herrscht in der Tat bei vielen regelrechte Hochstimmung. Die steigenden Temperaturen und mehr Sonnenschein sorgen vielfach für gute Laune. Wir fühlen uns wohler und unternehmenslustiger. Waren in den Wintermonaten die heimischen vier Wände der bevorzugte Aufenthaltsort, so locken das bessere Wetter und die erblühende Natur nun viele Menschen aus dem Haus. Sprießende Schneeglöckchen, Krokusse und zahlreiche nicht minder prächtige Frühlingsblüher setzen farbliche Akzente nach den langen grauen Tagen und wecken – auch dank des verführerischen Duftes – unsere Sinnesreize.
Grüttert: Etwa 20 Prozent der Bevölkerung leiden schätzungsweise mindestens einmal im Leben an einer depressiven Phase. Weshalb das so ist, konnte wissenschaftlich bis heute noch nicht ganz geklärt werden. Sicher aber ist, dass Sonnenlicht bei bestimmten Depressionsformen wesentlichen Einfluss hat. Denn: Zu 90 Prozent wird stimmungsförderndes Vitamin D durch UV-Strahlung, also Sonnenlicht, in der Haut gebildet. Und damit steht es vor allem in der lichtarmen Jahreszeit in unseren Breitengraden bekanntlich nicht zum Besten. Um einem Mangel vorzubeugen, gilt es deshalb gerade auch in den trüben Wintermonaten möglichst viel Zeit draußen zu verbringen und „Sonne zu tanken“.
Grüttert: Unser Hormonhaushalt ändert sich, der Körper produziert unter anderem mehr des Glücks- und „Antriebshormons“ Serotonin. Die Produktion des Schlafhormons Melatonin fährt hingegen herunter. Wir spüren neue Energie, neuen Tatendrang und mehr Lebensfreude. Wir haben – auch dank längerer (und lauer) Abende – wieder mehr Lust, draußen aktiv zu werden. Dabei sorgen Radfahren, Joggen oder andere Sportarten buchstäblich für gute Laune. Denn wer regelmäßig in die Pedale tritt oder im Schwimmbecken seine Bahnen zieht, der fördert die Produktion verschiedener Neurotransmitter wie Serotonin und Dopamin im Gehirn – und somit das Gefühl für Glück und Freude.
Hinzu kommen auch noch andere Gründe: Dadurch, dass die Tage heller und wärmer sind, werden wir aktiver, unsere Lebensgeister buchstäblich geweckt. Wir bewegen uns mehr und treiben auch Sport, was regelrecht antidepressiv wirken kann. Zudem pflegen wir wieder vermehrt Kontakte zu anderen – ein ganz wichtiger Faktor für unser Wohlbefinden. Denn, wie Studien belegen, lassen sich die Risiken depressiv zu erkranken durch ein funktionierendes soziales Netzwerk mit guten sozialen Kontakten sowie abwechslungsreichen Hobbys wesentlich senken.
Grüttert: Regelrecht antidepressiv wirken können Spaziergänge oder Wanderungen durch erblühende Parks oder den Frühlingswald. Denn nicht nur Muskulatur, Knochen und Gelenke profitieren davon – auch das Gehirn wird positiv aktiviert: Schon eine kurze Wanderung fördert die Durchblutung bestimmter Gehirnregionen um bis zu einem Drittel, haben Experten errechnet. Dies führt zu einer höheren Ausschüttung von Endorphinen, was unserem Glücksempfinden zugutekommt. Zudem werden Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnisleistung erheblich gesteigert.
Ob im Job oder in der Freizeit – wichtig sind kleine Auszeiten zwischendurch. Mein Tipp: Hin und wieder in Ruhe einen Tee trinken oder das Fenster öffnen, den schönen Ausblick genießen und Sauerstoff in die Räume lassen. In der Mittagspause wirkt oft ein kleiner Spaziergang im Freien Wunder. Und am Wochenende lässt es sich beim Eintauchen in die Natur, beim Wandern oder Waldbaden gut vom Alltag erholen. Dabei tragen die ätherischen Öle, die im Wald quasi in der Luft liegen, zur ganzheitlichen Entspannung bei. Das Grün der Pflanzen wirkt zudem laut moderner Farbpsychologie besonders beruhigend und harmonisierend bei Stress und negativen Emotionen.
Wer nicht so weit gehen möchte oder kann, dem bietet gegebenenfalls auch der heimische Garten einen wahren Cocktail beglückender Momente: Gartenarbeit ist meditativ und kann dabei helfen, Ängste und Stress abzubauen. Aus diesem Grund wird die Gartentherapie in den USA längst nicht nur bei Herzinfarktpatienten erfolgreich angewandt. Nachweislich bewährt hat sie sich auch bei depressiven und dementen Menschen oder bei neurologischen Problemen.
Neben farbenprächtigen Stauden und Sträuchern lohnt sich übrigens im heimischen Garten auch der Anbau von Gemüsesorten wie Spinat und Spargel, Petersilie und Brokkoli. Denn diese sind nicht nur wahre Vitaminspender – vielmehr wirken sie durch die enthaltene Folsäure ebenfalls stimmungsaufhellend.
Dr. Torsten Grüttert ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er leitet als Chefarzt die auf Depressionen, Stresserkrankungen sowie Angst- und Anpassungsstörungen spezialisierte Privatklinik Duisburg.
spot on news
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