Moderatorin Anna Kraft kommen die Tränen: Die MS-Erkrankung hindert sie am Spielen mit ihren Töchtern

Nachdem Sportmoderatorin Anna Kraft, 36, ihre medikamentöse Infusion bekommen hat, könne sie manchmal nicht mit ihren Töchtern (2018 und 2020 geboren) auf den Spielplatz gehen. "Wenn ich jetzt darüber spreche, kommen mir die Tränen", meint die ehemalige Leichtathletin im "Mental Health Matters"-Gespräch.

Anna hat eine hochaktive Multiple Sklerose, also eine chronisch-entzündliche neurologische Erkrankung, die das zentrale Nervensystem betrifft. Sie benötigt "ein starkes Medikament", damit sich ihr "Körper nicht so sehr selbst bekämpft". Das haut die Frau von Sportkommentator Wolff-Christoph Fuss, 45, manchmal ganz schön um – ebenso wie ihre Krankheitssymptome.

Anna Kraft fällt das Spielen mit ihren Töchtern manchmal schwer

Schwäche könne sich Kraft auch sechs Jahre nach der Diagnose nur schlecht eingestehen, hielt die MS bis August 2021 sogar geheim. Wieso sie die Krankheit lange verdrängte, welche Zukunftsängste sie hat und was die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod bei ihr bewirkte, erzählt Anna im Interview.

GALA: Welche MS-Symptome haben Sie derzeit?
Anna Kraft: Gerade ist es in München sehr kalt. Wetterextreme, – ob heiß oder frostig, – tun mir nicht gut. Sie erzeugen ein dauerhaft pelziges Brennnessel-Gefühl in meinen rechten Gliedmaßen, manchmal in Verbindung mit unregelmäßigen stechenden Schmerzen. Das ist wie ein permanenter Begleiter, der irgendwann ätzend wird und juckt.

Alles fing 2016 mit einem Friseurbesuch an. Ihr Bein kribbelte und Sie dachten, Sie hätten sich einen Nerv eingeklemmt. Die Orthopäden hatten geschlossen und Sie sind zur Krankenhaus-Ambulanz gefahren.
Das Personal reagierte sehr routiniert, aber auch sehr aufgeregt auf meine hängende Gesichtshälfte und meine Ausfallerscheinungen. Das verwirrte mich und flößte mir zugleich Angst ein. Ich habe erst nicht richtig verstanden, dass es dabei gerade um mich geht. Um die, die Leistungssport gemach hat, sich gesund ernährte und fit war.

Anna dachte erst, sie würde bald im Rollstuhl landen

Einen Tag später, am 16. Dezember, bekamen Sie die Diagnose MS, mussten zwei Wochen im Krankenhaus bleiben. Welche Gedanken schossen Ihnen durch den Kopf?
Mich hat die Diagnose damals erschlagen. Zwischen Tür und Gang gab mir eine Ärztin Infomaterial. Auf der Broschüre war eine Frau im Rollstuhl abgebildet. Dann sagte sie zu mir: "Frau Kraft, wir haben nun Gewissheit: Es ist leider MS." Ich sah nur noch die Frau im Rollstuhl und dachte, mir würde es bald auch so gehen. Mir liefen die Tränen, ich war geschockt. Der Rest lief wie ein Film an mir vorbei. Ich konnte der Ärztin nicht mehr richtig zuhören. Das hat sich bis heute in mein Gedächtnis gebrannt.

Sie mussten auch neu laufen lernen, haben also direkt gemerkt, was die Krankheit mit Ihnen machen kann.
Ich kam in die Reha und dachte nur, dass ich schnell die Symptome wegtherapieren muss, damit es bloß keiner merkt, – vor allem im Job. Zu dem Zeitpunkt war zum Glück Winterpause. Doch dann kamen ein halbes Jahr später zwei weitere Schübe mit neuen Symptomen. Da hatte ich Bein- und Blasenprobleme und realisierte erst so richtig, dass mein altes Leben vorbei war.

Das muss auch mental eine echte Herausforderung für Sie gewesen sein.

Meine Familie unterstützte mich sehr, auch mein Partner, der sich dadurch als Lebenspartner entpuppte. Aber ich wollte es nicht wahrhaben, wollte der MS keinen Platz in meinem Leben geben. Ich war im Job verkrampft, da ich mir nichts anmerken lassen wollte, was sehr anstrengend war. Wenn ich jetzt darauf zurückblicke, weiß ich, dass so ein Verhalten nicht gesund ist. Als ich mit der Erkrankung im Sommer 2021 an die Öffentlichkeit gegangen bin, habe ich damit meinen inneren Frieden gemacht. Ich habe nun keine Angst mehr, Schwäche zu zeigen.

Das Verheimlichen ihrer MS-Erkrankung hat sie „mental müde gemacht“

Aber jahrelang etwas vorzugeben, was man nicht ist, hört sich sehr anstrengend an.
Das hat mich mental müde gemacht. Mein engstes Umfeld wusste Bescheid. Doch auch hier wollte ich meine Erkrankung nicht als Ausrede benutzen, etwas nicht zu machen. Auch im Job habe ich mich zu sehr unter Druck gesetzt, immer perfekt sein zu wollen. Dadurch war ich manchmal nicht ich selbst.

Hatten Sie dennoch Tage, an denen Sie nicht mehr funktioniert haben?
Ja, die nenne ich Dämonentage. Aber ich habe das früher eher mit mir selbst ausgemacht und zu Hause gesagt, dass gerade nichts mehr geht. Ich kann sehr schlecht Schwäche zugeben und sie zeigen. Bei mir gibt es gefühlt auch nur Schwarz oder Weiß. Wenn nichts mehr geht, dann geht nichts mehr, was als Mutter von zwei kleinen Kindern schwierig ist.

Nachdem Sie sich mittlerweile Schwäche eingestehen können: Wie sehen solche Dämonentage bei Ihnen aus?

Sie wissen nicht, wie sich Ihre MS-Erkrankung entwickelt, wann der nächste Symptom-Schub kommt. Wie gehen Sie mit dieser gesundheitlichen Ungewissheit um?
Deswegen lebe ich den Moment. Ich bin zwar medikamentös sehr gut eingestellt, aber ich merke auch, dass je älter ich werde, desto weniger gut geht es mir. Letzte Woche war ich zum Beispiel Skifahren und habe eine Stunde durchgepowert. Danach ging zwar nichts mehr, aber ich habe wenigstens diese eine Stunde genossen.

„Ich hoffe, dass mich das Worst-Case-Szenario nicht trifft“

Welche Zukunftsängste haben Sie?
Ich hoffe, dass alles lange so bleibt, wie es jetzt ist und mich das Worst-Case-Szenario nicht trifft. Ich weiß aber auch, dass ich eine großartige Familie habe, die mich mit Rollstuhl, Gehhilfe und "Tena Lady"-Einlagen liebt.

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Ihre ältere Tochter ist drei Jahre alt und versteht schon mehr. Wie haben Sie ihr erklärt, was mit Ihnen los ist?
Da sind wir gerade noch im Prozess. Sie weiß zwar, dass ich ins Krankenhaus muss, aber wieso mein Bein hängt und ich sie manchmal nicht auf den Arm nehmen kann, versteht sie noch nicht genau. Das will ich ihr bald kindgerecht erklären.

Haben Sie Bedenken, dass Sie aufgrund körperlicher Einschränkungen irgendwann nicht mehr Ihre Mutterrolle so ausfüllen können, wie Sie möchten?
Ich bin ein Mensch, der am liebsten alles selbst macht. Wir haben auch keine Nanny. Ich musste jedoch lernen loszulassen und mir einzugestehen, dass ich Hilfe brauche. Das hat bisher nicht so gut funktioniert. Nach einer medikamentösen Infusion, die mich sehr schaffte, hatte ich dennoch auf die Kinder aufgepasst, während mein Mann arbeitete, und bin dabei über meine Grenzen gegangen. Ich kann so schlecht loslassen, da meine Kinder nicht unter meiner Erkrankung leiden sollen.

Ich bin eine Kämpfernatur. Doch ich muss ehrlich zu mir selbst sein, wenn es nicht geht.

Spielt das Thema Tod bei Ihnen eine Rolle?
Ja, das tut es tatsächlich. Deshalb koste ich umso mehr die guten Momente aus und genieße zum Beispiel unsere Urlaube umso intensiver. Dann spare ich auch nicht, sondern haue raus. So kann ich in 20 bis 30 Jahren, wenn die MS mir ein paar Jahre stiehlt, immerhin auf ein großartiges Leben zurückblicken.

Mit der Interviewreihe "Mental Health Matters" möchte GALA das Thema mentale Gesundheit in den Mittelpunkt rücken, aufklären und psychische Erkrankungen entstigmatisieren.

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