Mandy Capristo über Panikattacken: "Hätte ich so weitergemacht, wäre das unschön geendet"

"Manchmal musst du dich selbst nackt machen, um anderen zu helfen", erklärt Mandy Capristo, 31, am Ende des Mental Health Matters-Gesprächs. Jahrelang konnte sie nicht gut über ihre psychischen Probleme sprechen, baute eine Fassade auf und gab nach außen hin vor, dass alles in Ordnung sei. "Ich musste das erst verarbeiten und mich selbst verstehen lernen", so Mandy.

Seit 2018 hat das einstige "Monrose"-Mitglied mit Panikattacken zu kämpfen, begann 2021 eine Therapie. Die Coronapandemie und der Lockdown verschlimmerten die Symptome. Im Herbst 2021 sei sie "am Limit" gewesen. Doch mittlerweile habe sich die Sängerin selbst so gut kennengelernt, dass sie weiß, was ihr in solchen Momenten hilft. Ihre Erfahrungen teilt sie nicht nur seit März 2021 auf der Mental-Health-Plattform FELICE. Anfang April startet Mandy auch mit Kursen für mentale Gesundheit an der Mannheimer Abendakademie – beginnend mit einer Auftaktveranstaltung am 31. März.

Mit der Interviewreihe "Mental Health Matters" möchte GALA das Thema mentale Gesundheit in den Mittelpunkt rücken, aufklären und psychische Erkrankungen entstigmatisieren.

Mandy Capristo: Während der Pandemie wurden ihre „Panikattacken lauter“

GALA: Du hattest bereits 2016 die Idee zu FELICE, die Mental-Health-Plattform ist aber erst Mitte März 2021 an den Start gegangen, fast am Ende eines kräftezehrenden Lockdowns. War das der Grund?
Mandy Capristo: Tatsächlich gar nicht. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich gerne noch ein bis zwei Jahre gewartet. Ich habe aber den Moment genutzt, um meinen eigenen Perfektionismus über Bord zu werfen.

Was heißt das genau?
In meinem Leben wollte ich immer alles richtig machen, hatte seit 2016 aber kaum Zeit, um der Idee von FELICE gerecht zu werden. Durch die Pandemie hatte ich plötzlich viel Ruhe, was für mich irritierend war. Meine Panikattacken wurden lauter. In mir hat sich eine enorme Einsamkeit entwickelt. Ich habe ein großartiges Umfeld, das mir viel Liebe schenkt, und doch habe ich mich wie ein Alien gefühlt.

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Deine Panikattacken sind aber nicht erst während der Pandemie entstanden.
Nein, es war ein schleichender Prozess. Ich habe ein sehr öffentliches Leben geführt und es war immer alles in Ordnung. Vor ein paar Tagen habe ich gegenüber einer Freundin einen Satz fallen gelassen, und sie meinte, ich soll den mal laut sagen. Also mache ich das jetzt:

„Mein Körper hat irgendwann rebelliert“

Was es aber nicht war…
Genau! Ich habe mich zwar immer mit dem Thema mentale Gesundheit befasst, aber wenn es richtig kritisch wird, macht sich bei mir ein Überlebensinstinkt bemerkbar und ich möchte mir keine Schwäche eingestehen. Mein Körper hat dann irgendwann rebelliert.

Wann hattest du deine erste Panikattacke?
Das war 2018. Für die Auslöser meiner Panikattacken habe ich Ausreden gesucht.

Es wurde schlimmer und ich merkte: Je älter ich werde, desto mehr rächt sich mein Körper, wenn ich nicht nach meinen Werten lebe. Durch die Pandemie wurden die Panikattacken noch einmal verstärkt. Das war sehr beängstigend und hat mich überfordert. Ich habe dann eine Therapie begonnen. Meine Therapeutin hat in diesem Moment mein Leben verändert.

Mandy sucht sich Hilfe bei einer Therapeutin

In welchen Momenten hat sich deine Panik bemerkbar gemacht?
Es gab eine Situation, in der meine Therapeutin gesagt hat, dass ich Ruhe brauche, weil das Gefühl der Anspannung nicht mehr weggegangen ist. Ich bin jemand, der sich selbst sehr unter Druck setzt. Das fing an, wenn ich einen Job hatte, bei dem ich performen musste – nicht nur durch Gesang, sondern auch durch Präsenz.

Damals hatte ich diese Probleme nicht. Meine Leichtigkeit ist mir abhandengekommen.

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Gab es noch weitere Auslöser für deine Panikattacken?
Ich wollte mein Privatleben immer sehr schützen und habe dadurch eine Wand um mich herum aufgebaut. Es gab dann zwei Versionen von mir: die private und die öffentliche Mandy. In gewissen beruflichen Momenten prallten Dinge, die ich im Job gemacht habe, mit meiner eigenen Haltung aufeinander. Beides passte nicht mehr zusammen. Das stresste mich zunehmend.

Auch der permanente Druck, den ich als Frau in unserer Gesellschaft verspüre: Ich muss nicht nur die erfolgreiche Businessfrau sein, sondern ein Unternehmen leiten, am besten mit 25 Jahren vier Kinder haben, perfekt aussehen, lustig und immer gut gelaunt sein. Ich habe nicht gut geschlafen, permanent gearbeitet und dennoch war es nie genug.

Nach dem Erfolg mit "Monrose" und noch vor der Veröffentlichung deines Albums "Grace" im April 2012 hattest du einen Tiefpunkt. Hattest du mit Depressionen zu kämpfen?
Mein größeres Problem waren vielmehr die Panikattacken, die mich depressiv fühlen lassen haben und in mir eine unglaubliche Traurigkeit auslösten.

Im Herbst 2021 brauchte Mandy dringend eine Auszeit: „Ich hatte nicht mehr die Wahl“

Einen weiteren Tiefpunkt hattest du kurz bevor die "hey FELICE!“-Podcastfolge mit Anna Wilken über Depressionen und Angstzustände im Oktober 2021 rauskam. Du fühltest dich ausgebrannt und hattest deine innere Stimme verloren.
Der Moment, als ich die Folge aufnahm, war nicht einfach für mich, weil ich am Limit gewesen bin. Das war tatsächlich der Moment als ich gerade eine Therapie gestartet habe. Ich war in einem Robotermodus, habe nicht mehr auf meine Intuition gehört. Ich brauchte aber Ruhe, habe mir das zuerst nicht eingestanden. Eigentlich wollte ich die Folge nicht aufnehmen, habe es dann aber doch gemacht, um das Ganze als Selbsttherapie für mich zu nutzen. Die Auszeit hatte ich mir danach zum Teil genommen …

… und hast Termine abgesagt?
Ich hatte ehrlich gesagt nicht mehr die Wahl. Ich musste, weil ich nicht mehr richtig geschlafen habe. Ich war permanent nervös.

Was hat dir neben dem Absagen von Terminen noch geholfen, mit deiner Panik besser umzugehen?
Ich musste verdammt ehrlich zu mir sein und meinen Fokus verschieben – auf mich selbst. Wer möchte ich sein als Mandy, die in Bürstadt aufgewachsen ist und die nichts mit dieser Branche zu tun hat?

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Möchte ich immer dieses Leben in der Öffentlichkeit führen oder möchte ich irgendwann einen Kindergarten eröffnen, etwas machen, was fernab von diesem permanenten Druck ist, mit dem ich erwachsen geworden bin? Ich musste viele Gespräche unter anderem auch mit meinem Ego führen, was nicht immer einfach gewesen ist. Nun bin ich wieder mehr mit mir im Reinen.

Das hat sie in der Therapie über sich gelernt

Was hast du in der Therapie über dich gelernt und was hat sich dadurch bei der verändert?
Mein eigener Blickwinkel. Ich bin kein wertender Mensch, wenn es um andere geht, aber ich bin unglaublich streng mit mir selbst. Ich musste lernen, mich selbst nicht ständig kritisch zu sehen und gemein zu mir zu sein, sondern mit mir wie mit meiner besten Freundin umzugehen. Das hat enorm geholfen.

Plötzlich habe ich ganz anders mit mir gesprochen. Das Druckgefühl wurde weniger, weil ich nicht mehr so streng mit mir war. Ich habe auch gelernt, Dinge anzunehmen, wie sie sind, wie zum Beispiel eine Panikattacke, und sie auszuhalten. Ich werde damit genauso von anderen geliebt wie vorher auch.

Leider gilt es immer noch als Stigma, wenn jemand zur Therapie geht.
Das Thema muss weiter enttabuisiert werden. Das Wichtigste für Betroffene ist, offen darüber zu sprechen. Das hat absolut nichts mit Schwäche zu tun, das musste auch ich lernen. Ich finde, wenn Menschen wissen, mit sich selbst umzugehen, macht das nicht nur dich selbst besser, sondern auch die Welt zu einem besseren Ort.

Mandy Capristo startet Mental-Health-Kurse an der Mannheimer Abendakademie

Du willst etwas zurückgeben, deine Erfahrungen teilen und bietest aktive Hilfe auf der Mental-Health-Plattform FELICE an. Wie ist das Projekt entstanden?
Ich wollte an Kindergärten und Schulen Präventionsarbeit leisten und über mentale Gesundheit aufklären, um den Kindern bereits früh Grundwerkzeuge mitzuliefern. Das ist aber nicht so einfach, da Bildung Ländersache ist. Dann ergab ein schöner Zufall die Zusammenarbeit mit der Mannheimer Abendakademie.

Dort wirst du ab Ende März 2022 1 ½-stündige Mental-Health-Kursen anbieten, die von Dozent:innen geleitet werden. Was sollen die Teilnehmenden daraus mitnehmen?
In den Kursen soll das Thema mentale Gesundheit so leicht wie möglich angegangen werden. Jeder Kurs findet unter einem Oberthema statt, das jeweils einen Wert von FELICE widerspiegelt, wie zum Beispiel Selbstreflexion, Empathie oder Selbstliebe. Zudem wollen wir bei Themen wie Schlaf oder auch Bewältigung von Selbstüberforderung helfen. Mithilfe von Übungen der positiven Psychologie werden Alltagssituationen kreiert, um gezielt auf diese Themen eingehen und helfen zu können.

Informationen zu Hilfsangeboten

Erkennen Sie bei sich Anzeichen einer Angststörung oder Panikattacke? Bei der kostenlosen Online-Beratung der Deutschen Angst-Hilfe e.V. wird Ihnen anonym geholfen. Weiterführende Informationen zur Erkrankung und Selbsthilfegruppen finden Sie auf der Stiftungswebsite.

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