Lena Meyer-Landrut: "Ich hatte Verlustängste"

Fokussiert, energetisch, herzlich – Lena Meyer-Landrut, 30, wirkt im GALA-Interview extrem gelöst. Keine anfängliche Zurückhaltung, kein Small Talk, sie legt gleich los. Hat Lust zu erzählen. Das vergangene Jahr war wohl das bislang wichtigste in ihrem Leben. Die ESC-Siegerin von 2010 hatte sich komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, in einer Therapie die Vergangenheit und ihre rasante Karriere reflektiert und wieder ganz neu zu sich gefunden. Weniger Glamour-Events, mehr Familie.

Lena Meyer-Landrut im GALA-Interview

GALA: Gab es den einen Moment, in dem Ihnen klar wurde, dass Sie den Stecker ziehen wollen? 
Lena: Nun, das hatte schon anfangs mit der gesamten Situation auf der ganzen Welt zu tun. Alles war plötzlich lahmgelegt – das komplette gesellschaftliche und öffentliche Leben. Und da habe ich mir gesagt, dass ich mir eine Pause verordne. Keine künstlerische, nach dem Motto "So, ich zieh' mich jetzt zurück und tüftle an neuen Songs", sondern eine echte Pause. Es hat ehrlicherweise Wochen und Monate gedauert, bis ich runterkam, zwischendrin bekam ich plötzlich auch noch ein schlechtes Gewissen, dass ich das jetzt mache.

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Warum?
Ich hatte blöde und komische Gefühle und spürte Angst, nicht mehr stattzufinden. Ich dachte, wenn ich dieses und jenes nicht mache, dann will mich auch keiner mehr sehen oder hören. 

Hatten Sie Verlustängste?
Ja, ich hatte Verlustängste. Die kommen ganz automatisch, wenn man darüber nachdenkt, ob man überhaupt noch eine Relevanz hat. Das war eine intensive Zeit für mich.

Um diese Themen geht es auch in Ihrem neuen Song "Strip".
Für mich ist der Song eine Art Mantra. Ich hatte das Gefühl, ich möchte mich freimachen von alten Erwartungen und Vorstellungen und von Oberflächlichkeit. Ich habe mich viel zu oft mit den falschen Themen beschäftigt. Sehe ich so gut aus wie andere auf Instagram? Wie viele Likes habe ich heute bekommen? Bin ich der Welt und mir eigentlich genug? Jeder Tag brauchte einen neuen Kick. Auch das, was Eltern von einem erwarten, war ein Thema.

„Mein Fokus hat sich verändert“

Gab es da unterschiedliche Meinungen?
Mit meiner Mutter war immer alles super toll, sie hat mir jede Freiheit gegeben, mich machen lassen. Aber bei meiner Oma habe ich gespürt, dass das anders war. Sie hat mich bis vor ein paar Jahren immer noch regelmäßig gefragt, wann ich denn nun anfange zu studieren. Da war ich aber schon Mitte 20 und stand komplett im Leben. Sie hat das gar nicht böse gemeint, aber das ist eben noch eine ganz andere Generation.  (Anm. d. Red.: Lena hat zu ihrem Vater keine enge Bindung, weil er die Familie verließ, als sie gerade zwei war.)

Sie sind gerade 30 geworden …
… und ich würde lügen, wenn ich sage, es hat nichts gemacht mit mir. Für mich bedeutet die "3" jetzt nicht, dass ich erwachsen bin und nicht mehr die Dinge tun kann, die ich mit 20 gemacht habe. Aber mein Fokus hat sich verändert. Ich genieße zum Beispiel die Natur viel mehr und die Ruhe. Ich muss nicht mehr auf jedem roten Teppich rumspringen und auch nicht auf jedes Event gehen und auch nicht jeden Tag einen Post absetzen. Ich habe mir da selber den Druck rausgenommen. 

Warum war das nötig?
Ich habe in den vergangenen Jahren einfach super viel gearbeitet, da passiert es schnell, sich in einem Strudel zu verlieren. Ich war im Macher-Modus. 

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Was ist jetzt anders?
Ich habe mich von zu viel blindem Aktionismus gelöst. Ich habe gelernt, dass die Dinge Zeit brauchen. Ich bin viel bedachter geworden und habe mehr Ruhe in mein Leben gebracht. Vielleicht macht das auch das Alter. 

Gibt es etwas, was Sie in Ihrem Leben bereuen?
In der Vergangenheit habe ich schon auch Entscheidungen getroffen, mit denen ich mich nicht wohlgefühlt habe und nicht klarkam. Da gab es Probleme, denen ich bis dahin gar nicht gewachsen war. Ich bin ja von Null auf 100 in die Musikbranche hineingestolpert, das war schon irre, aber ich hatte damals einfach keine Erfahrung. Da habe ich in finanziellen und vertraglichen Dingen nicht immer richtig entschieden. Es war eine komplett neue Welt für mich. Heute denke ich, dass auch negative Erfahrungen gut sein können und rückblickend war es das auch, weil ich eine Menge gelernt habe.

Wer sind heute Ihre wichtigsten Ratgeber?
Ich bin tatsächlich jemand, der sich von vielen Seiten Rat holt. Ich mache das nicht mit mir alleine im stillen Kämmerlein aus. Ich bekomme von meiner Familie und engen Freunden ganz unterschiedliche Feedbacks und Meinungen. Ich brauche die Kommunikation und dann entscheide ich. 

„Die Familie gibt mir großen Halt“

Welchen Stellenwert hat die Familie in den letzten Monaten für Sie bekommen?
Die Familie hat einen großen Stellenwert, nicht nur meine Blutsverwandtschaft, auch zum Beispiel meine beste Freundin Anna, die eine wichtige Lebensperson und eben damit auch Familie ist. Sie alle haben mich stark gemacht. Die Familie gibt mir großen Halt.

Welche Zutaten brauchen Sie, um glücklich zu sein?
Es gibt das Glück, in das man reingeboren wird, das man nicht beeinflussen kann und geschenkt bekommt. Für mich ist Glück nicht messbar, es sind die vielen kleinen Momente, die mich unfassbar glücklich machen. Wenn es allen um mich herum gut geht und alle gesund sind, spüre ich eine tiefe innere Zufriedenheit und Ausgeglichenheit, Glück eben. 

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