Keine Crash-Diäten mehr: So klappt gesundes Abnehmen wirklich
Medizinerin im Interview
Eine Diät folgt auf die nächste, dennoch will es mit dem Abnehmen einfach nicht klappen? Dieses Gefühl kennen wohl die meisten. Nur etwa ein bis drei Prozent gelingt es, dauerhaft abzunehmen und das neue Gewicht langfristig zu halten. In ihrem Buch „Der Abnehmkompass“ geht Ernährungsmedizinerin und Hautärztin Dr. Michaela Axt-Gadermann dem Thema Abnehmen auf die Spur und fasst wissenschaftliche Erkenntnisse zu Übergewicht zusammen. Im Interview mit spot on news erklärt die Medizinerin, woran es liegt, dass es vielen Menschen partout nicht gelingt, abzunehmen.
Dr. Michaela Axt-Gadermann: Nur ein bis drei Prozent der Menschen, die mit einer Diät erfolgreich abgenommen haben, gelingt es, ihr neues Gewicht langfristig zu halten. Die meisten Diäten sind auf kurzfristigen, schnellen Gewichtsverlust angelegt. Solche „Crash-Diäten“ bewirken zum einen keine Änderung des Ernährungsverhaltens. Und je strenger die Diät ist, desto langsamer ist der Stoffwechsel nach der Diät.
Auch wer häufig hochverarbeitete Nahrungsmittel isst, erhöht dadurch sein Risiko, übergewichtig zu werden. Sie weisen eine hohe Energiedichte auf, liefern also wenig Volumen, wenige Ballaststoffe und viele Kalorien pro Gramm. Davon können wir besonders viel essen, da sie nicht satt machen.
Ein weiterer, wichtiger Grund für das Versagen von Diäten ist die Tatsache, dass man bei den herkömmlichen Diäten nur auf die Kalorienzufuhr schaut, andere wichtige Faktoren aber außer Acht lässt. Antibiotika und andere Medikamente, eine nicht erkannte Schilddrüsenunterfunktion, Weichmacher in Plastikflaschen, Vitamin-D-Mangel oder Entzündungen im Körper können das Abnehmen ebenfalls hindern.
Inzwischen ist zudem sehr gut belegt, dass eine Veränderung des Darmmikrobioms uns zu guten „Futterverwertern“ werden lässt.
Dr. Axt-Gadermann: Mit einer pflanzenbasierten, ballaststoffreichen Ernährung. Diese sollte möglichst abwechslungsreich sein, um allen wichtigen Bakterienstämmen gerecht zu werden. Gut für das Mikrobiom haben sich in Studien Nahrungsmittel wie Grüner Tee, Haferflocken, Cranberrys, Oliven, Joghurt, Zwiebeln und Lauchgemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse oder Kaffee erwiesen.
Auch bestimmte probiotische Bakterien können das Mikrobiom auf „schlank“ programmieren. In eigenen Studien konnten wir nachweisen, dass bestimmte Laktobazillen sowie ausgewählte Bifidobakterien und Ballaststoffe die Gewichtsreduktion unterstützen können. Man muss aber etwas Geduld haben, die Umstellung des Mikrobioms dauert einige Wochen und erst dann kann die Gewichtsabnahme langsam beginnen.
Dr. Axt-Gadermann: Wer dauerhaft sein Wohlfühlgewicht halten möchte, braucht eine gesunde, ausgewogene Ernährung und keine Crash-Diät. Und das Wichtigste: Das Essen muss schmecken, es muss alltagstauglich sein, sich gut in den Speiseplan der Familie integrieren lassen. Nur dann lässt sich diese Ernährungsweise langfristig durchhalten, ohne dass sich jeder Tag nach Entbehrung anfühlt. Deshalb ist es sinnlos, zu einer bestimmten Ernährungsweise zu raten.
Es gibt aber ein paar Empfehlungen, mit denen sich die eigene Ernährung leichter umstellen lässt: Erhöhen Sie den Ballaststoffanteil in der Ernährung, denn Ballaststoffe machen satt. Essen Sie nicht zu fettarm, sondern nehmen Sie ausreichend gesunde Fette zu sich. Studien zeigen zum Beispiel, dass täglich etwas Olivenöl (ein bis zwei Esslöffel) eine Gewichtsreduktion wirksam unterstützen kann. Sorgen Sie dafür, dass Sie möglichst abwechslungsreich essen, also immer wieder unterschiedliche Gerichte und Zutaten auf den Tisch bringen, um unterschiedliche Nährstoffe zuzuführen.
Dr. Axt-Gadermann: Low-Carb-Ernährung wird meiner Meinung nach zu Unrecht gehypt. Damit lassen sich zwar kurzfristig oft schnelle Gewichtsabnahmen erzielen. Langfristig gleichen sich aber die Ergebnisse denen anderer Diäten an. Ein Rückgang zur früheren Ernährungsweise führt meist schnell wieder zu einer Gewichtszunahme.
Low-Carb-Diäten führen nachweislich zu einer Verarmung der Darmflora, denn die meisten für unsere Gesundheit wichtigen Bakterien sind auf die Verwertung von Ballaststoffen aus Obst, Gemüse, Getreide oder Kartoffeln angewiesen. Ein Rückgang der Vielfalt im Darm stellt einen Risikofaktor für Übergewicht dar.
Studien haben zudem gezeigt, dass unter einer strengen Low-Carb-Diät und bei einer ketogenen Ernährung die Schilddrüsenhormonspiegel nach und nach absinken. Dadurch wird das Abnehmen auf Dauer immer schwerer, denn Schilddrüsenhormone sind wichtige Stoffwechselaktivatoren.
Dr. Axt-Gadermann: Sport oder Bewegung kann eine Diät unterstützen. Jedoch wird der Kalorienverbrauch durch Sport oft überschätzt, vor allem am Anfang. Eine einfache Rechnung verdeutlicht das: Eine Stunde flottes Walken verbrennt etwa 400 Kalorien. Doch in einem Kilo Körperfett sind rund 7.000 Kalorien gespeichert. Um ein Kilo abzulaufen, müsste man rund 17 Stunden zu Fuß unterwegs sein.
Dennoch ist regelmäßiger Sport sinnvoll. Neben den verbrauchten Kalorien hat Sport noch andere Effekte, die sich günstig aufs Gewicht auswirken können. Regelmäßige körperliche Aktivität regt die Bildung von Hormonen an, die das Abnehmen unterstützen und Entzündungen reduzieren. Wer etwas intensiver Sport treibt, kann auch von einem sogenannten „Nachbrenneffekt“ profitieren.
Dr. Axt-Gadermann: Es gibt keine Lebensmittel, deren Verzehr allein ausreichen würde, um abzunehmen, aber es gibt Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel, die eine Gewichtsreduktion sinnvoll unterstützen können. Grüner Tee, täglich drei bis vier Tassen oder als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen, kann langfristig zu einer Gewichtsreduktion beitragen, das konnten mehrere Studien belegen. Andere Untersuchungen zeigen, dass eine Diät erfolgreicher ist, wenn Vitamin D substituiert wurde. Auch scharfes Essen kann über die Anregung der Wärmebildung ein paar Kalorien verbrennen.
Dr. Axt-Gadermann: Appetit und Heißhunger entstehen, wenn unser Körper nicht ausreichend Sättigungshormone bildet. Dafür gibt es viele Gründe. Ballaststoffarmes, hochverarbeitetes Essen löst nur einen geringen Sättigungsreiz aus. Auch bestimmte Nahrungsbestandteile können dafür verantwortlich sein. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den USA und aus Frankreich haben nachgewiesen, dass Palmitinsäure, die unter anderem in Palmöl enthalten ist, den Appetit deutlich anregt, weil diese gesättigte Fettsäure die Bildung natürlicher Sättigungshormone ausbremst und so die Kalorienzufuhr deutlich erhöht. Auch manche Medikamente können Heißhunger auslösen, weil sie den Appetit anregen.
Günstig auf den Heißhunger wirkt es sich aus, wenn man 30 Minuten vor dem Essen etwas Fett und Ballaststoffe zuführt. Mandeln, Nüsse, ein Stückchen dunkle Schokolade oder ein Esslöffel Olivenöl scheinen den Hunger wirksam zu bändigen. Eine Studie ergab, dass Personen, die vormittags eine Handvoll Mandeln aßen, weniger Appetit hatten und die Kalorienzufuhr beim Mittag- und Abendessen reduzierten. Der Grund: Offensichtlich trug der Verzehr von Mandeln dazu bei, die Spiegel appetitregulierender Hormone zu verbessern und den Blutzucker zu regulieren.
Dr. Axt-Gadermann: Es gibt sogar zahlreiche Faktoren, die das Abnehmen behindern, die aber in keiner Diät berücksichtigt werden. Chronische Entzündungen begünstigen Übergewicht. Wenn sich die Ursache nicht sofort beseitigen lässt, dann sollte man zunächst auf natürliche Entzündungshemmung setzen mit Omega-3-Fettsäuren, Kurkuma, Ingwer und Pflanzenkost. Da auch manche Medikamente zu Gewichtsproblemen führen können, empfiehlt es sich, einen Blick auf den Beipackzettel zu werfen und sich dann mit dem Arzt oder der Ärztin zu besprechen. In vielen Fällen gibt es Arzneimittelalternativen, die weniger Auswirkungen auf das Gewicht haben. Sogar eine Lichtquelle im Schlafzimmer, zum Beispiel ein Radiowecker, erhöht das Risiko für Übergewicht deutlich.
spot on news
Quelle: Lesen Sie Vollen Artikel