David Bowie: Seit fünf Jahren weilt der Starman nicht mehr auf Erden
Todestag am 10. Januar 2016
Er inspirierte Millionen Menschen sowie unzählige Künstler rund um den Globus. Er schlüpfte in Rollen von Ziggy Stardust über Nikola Tesla bis zu Pontius Pilatus. Er räumte schon in den 70er Jahren mit (bis heute nicht vollständig überwundenen) Geschlechterrollen auf. Und er nahm die erschütternde Krebsdiagnose als Chance wahr, selbst seinen Tod in Kunst zu verwandeln. Am 10. Januar 2016 starb der britische Musiker David Bowie. Oder, wem die Formulierung besser gefällt: Vor genau fünf Jahren verließ der Starman die Erde.
Ein Schlag ins Gesicht der Rollenklischees
Auf seine Kindheit angesprochen, hatte David Bowie von einer unterkühlten Stimmung berichtet. Man schlug sich im Hause Jones (so der bürgerliche Nachname des Künstlers) nicht, man nahm sich aber auch nicht in den Arm. Apropos: Um den Beweis zu erbringen, einzigartig zu sein, hätte es den Faustschlag selbstredend nicht benötigt, den Bowie mit 14 Jahren von seinem Kumpel George Underwood verpasst bekam. Dennoch trug er zur optischen Andersartigkeit des Musikers bei. Als direkte Folge litt er von 1962 an unter Mydriasis im linken Auge – einer starren, geweiteten Pupille, durch die sein in Mitleidenschaft gezogenes Auge dunkler als das andere erschien.
Für ihn war anders zu sein das Normalste der Welt. Und genau diese Botschaft vermittelte er durch seine Kunst. „Ich sehe mich als Sammler. Ich sammle Persönlichkeiten“, sagte er einst mit femininer Stimme, dickem Make-up, riesigem Kristallohring, knallrotem Vokuhila und noch bunterem Outfit in einem TV-Interview – seine Kunstfigur Ziggy Stardust. Wo andere zum „King“ oder zur „Queen of Pop“ geadelt wurden, erhielt Bowie den Titel „Chamäleon des Pop“ verliehen. Was ihm alles andere als zusagte: Chamäleons, so Bowie, passen sich ihrer Umgebung an. „Ich mache das genaue Gegenteil.“
Was er ebenfalls sammelte, jedoch eher unfreiwillig, waren Künstlernamen. Das erste Mal sah sich David Jones dazu gezwungen, seinen Namen zu ändern, als in den 60er Jahren die Band The Monkees samt Mitglied David „Davy“ Jones erfolgreich wurden. Also benannte er sich in Tom Jones um – wenige Wochen, ehe eben jener mit „It’s Not Unusual“ die Charts stürmte. Nach dem dritten Pseudonym namens David Cassidy war wenig später der Name gefunden, der in die Musikgeschichte eingehen sollte: David Bowie.
Das Vorbild der Missverstandenen
Immer wieder kokettierte Bowie mit seiner Sexualität, vornehmlich als Talkgast biederer TV-Shows mit noch biedereren Moderatoren. 1971 stieg er zur Ikone des Glamrock auf, ließ sich auf dem Cover seines Albums „The Man Who Sold The World“ in einem Kleid ablichten. Genau 50 Jahre später wird es von manchen Menschen noch immer als Tabubruch angesehen, wenn Harry Styles auf dem Cover der „Vogue“ das Gleiche tut. In einem anderen Interview stellte Bowie vor einigen Jahren fest, dass „die meisten meiner Charaktere verstoßen werden. Und das ist die eine Sache, die alle Menschen fürchten: ‚Gehöre ich hierher? Wer sind meine Freunde? Mag mich jemand? Bin ich auf mich allein gestellt?'“ Allesamt Sorgen, die zur Konformität drängen.
Wenig verwunderlich also, dass ihn genau die Stars als größte Inspiration angegeben haben, die selbst auf unterschiedlichste Weise der vermeintlichen Normalität entgegenwirken: Marilyn Manson, Lady Gaga, Madonna, oder auch, abseits der Musikindustrie, Ricky Gervais und Conan O’Brien. Wie sie störte es Bowie nie, mit seiner Kunst anzuecken oder Entscheidungen zu treffen, die im Einklang mit seinen Überzeugungen standen. Etwa, gleich zweimal (2000 und 2003) einen Titel der britischen Königsfamilie auszuschlagen.
Seine größten Erfolge
Der erste große Hit von David Bowie war der Song „Space Oddity“, wenn auch erst nach seiner Wiederveröffentlichung im Jahr 1972. Darin geht es buchstäblich um die Einsamkeit im Kosmos: Der Song erzählt die Geschichte des Astronauten Major Tom, der genau zehn Jahre später auch noch einmal durch Peter Schilling von der Erde „völlig losgelöst“ wurde, und wie er allein durch das All treibt. Als sein Alter Ego Ziggy Stardust gelang Bowie schließlich mit Songs wie „Starman“ der endgültige Durchbruch, gemeinsam mit John Lennon nahm er 1975 seinen ersten Nummer-1-Hit in den USA auf: „Fame“.
Von 1976 bis 1978 lebte Bowie im Westen der „Welthauptstadt des Heroins“, wie er das Berlin von damals rückwirkend bezeichnete. Dort entstand auch seine Berlin-Trilogie, bestehend aus den Alben „Low“, „Heroes“ und „Lodger“. Die zweite Platte bot mit seinem Titelsong „Heroes“ (von ihm auch auf Deutsch eingesungen) sogleich die Hymne einer gespaltenen Nation: Bowie singt darin von zwei Liebenden an der Berliner Mauer, sich küssend, während über ihnen die Grenzsoldaten das Feuer eröffnen. „And the shame was on the other side“.
Auch wenn David Bowie in den 80er Jahren noch Hits wie „Let’s Dance“ nachlegen konnte, herrscht allgemeinhin der Konsens: so gut wie in den wilden Siebzigern war er nie wieder.
Außerirdischer und gut bestückter Koboldkönig
Auch als Schauspieler zogen Bowie schräge und/oder Außenseiterrollen an. Bezeichnend, dass er über seine erste große Rolle als Außerirdischer in „Der Mann, der vom Himmel fiel“ sagte, er habe eigentlich nur sich selbst gespielt. Bei seinem Auftritt als Koboldkönig in Jim Hensons „Die Reise ins Labyrinth“ stach jedoch weniger sein Schauspiel als sein viel zu großer „Major Tom“ in seiner definitiv viel zu engen Hose ins Auge. Ja, selbst zum Meme hat es der „Bowie Bulge“ geschafft.
In Marlene Dietrichs letztem Film „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ (1978) hatte Bowie gar die Hauptrolle inne, zehn Jahre später verurteilte er in Martin Scorseses „Die letzte Versuchung Christi“ als Pontius Pilatus den Sohn Gottes zum Tod am Kreuz. Und beinahe 20 Jahre später, in Christopher Nolans „Prestige“, schlüpfte er in die Rolle des missverstandenen Genies Nikola Tesla. Seine eigene Lebensgeschichte soll unter dem Titel „Stardust“ im November dieses Jahres ins Kino kommen. Gespielt wird David Bowie darin von Johnny Flynn.
Zwei Hochzeiten – eine davon aus Liebe
Nein, aus Liebe heirateten David Bowie und Mary Angela Barnett 1970 nicht. Eine Ehe mit ihr sei wie mit einem Schweißbrenner zusammenzuleben, sagte der Musiker. Sie bezeichnete die Verbindung in einem Interview als Zweckehe: „Wir haben geheiratet, damit ich eine Arbeitserlaubnis bekomme.“ Etwas müssen sie aber doch aneinander gefunden haben – am 30. Mai 1971 kam ihr gemeinsamer Sohn Duncan zur Welt, für den Bowie nach der Scheidung 1980 das alleinige Sorgerecht zugesprochen bekam.
1992 heiratete der Musiker das somalisch-amerikanische Model Iman Abdulmajid – mit ihr war es Liebe. Das bekräftigte die Witwe erst vor wenigen Tagen in der Februar-Ausgabe von „Harper’s Bazaar“ und beteuerte, nie wieder heiraten zu wollen. Der Musiker sei ihre „wahre Liebe“ gewesen. „Meine Tochter fragte mich einmal, ob ich jemals wieder heiraten würde und ich sagte ’nie'“, so Iman. „David ist täglich in unseren Herzen und Gedanken.“ Im Jahr 2000 wurde die gemeinsame Tochter Alexandria Zahra Jones geboren.
Die Inszenierung seines eigenen Todes
Am 10. Januar 2016 verstarb David Bowie an den Folgen von Leberkrebs. Rund 18 Monate zuvor war die Erkrankung bei ihm diagnostiziert worden. Wie so viele andere Dinge ging er auch das Wissen seines baldigen Ablebens an – er verwandelte es in Kunst, orchestrierte seinen eigenen Tod. An seinem 69. Geburtstag am 8. Januar 2016, zwei Tage vor seinem Tod, erschien das 26. Studioalbum „Blackstar“.
Einen Tag zuvor war das düstere Musikvideo zu seinem rückwirkend als Abschied zu verstehenden Song „Lazarus“ veröffentlicht worden. Lazarus, der durch Jesus von den Toten auferweckt wurde. „Ich strebte nie nach Erfolg. Ich strebte nach etwas, das künstlerisch wertvoll ist“, hatte Bowie mal gesagt. Und das ist ihm gelungen. Vor, nach… und mit seinem Tod.
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