20 Jahre ist es her, dass die Talkshow von Nicole Noevers zum letzten Mal im TV lief. t-online hat die Moderatorin erreicht und mit ihr über das vermeidbare Ende des Formates und ihr neues Leben in Frankreich gesprochen.
„Nicole – Entscheidung am Nachmittag“: Dieser Talkshowtitel wird noch so manchen Fans der nachmittäglichen Unterhaltung, die vorwiegend im Privatfernsehen ihren Platz hatte, ein Begriff sein. Zu der Sendung hieß die ausgebildete Journalistin Nicole Noevers fast drei Jahre lang werktäglich um 16 Uhr auf ProSieben willkommen – in direkter Konkurrenz zum RTL-Talk von Hans Meiser.
Mit ihren Gästen versuchte die heute 53-Jährige, eine Antwort auf Fragen wie diese zu finden: „Er will eine Dreiecksbeziehung. Muss ich das mitmachen?“ In der Sendung folgten Lösungsvorschläge und schließlich eine Entscheidung. Gemeinsam mit Arabella Kiesbauer und Andreas Türck machte Nicole Noevers ProSieben mit den Talkshows zum Marktführer am Nachmittag. Zu Beginn der Zweitausenderjahre konnten die Sendungen aber nicht mehr überzeugen und wurden eingestellt.
t-online: Ihre Talkshow „Nicole – Entscheidung am Nachmittag“ wurde nach 600 Sendungen vor genau 20 Jahren eingestellt. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie sich bewusst machen, wie lange das nun her ist?
Nicole Noevers: Seitdem ist viel in meinem Leben passiert. Trotzdem kommt es mir nicht so lange vor. Ich kann mich noch so gut daran erinnern, weil es eine der intensivsten und beeindruckendsten Zeiten meines Lebens war. Ich habe damals sehr viel für mich und für das Leben gelernt.
Warum war die Zeit so intensiv und beeindruckend?
Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, kaum mit meinen Eltern gereist und war keinen Rummel gewohnt. Wir waren einfach normal. Dann wurde ich durch Zufall entdeckt, habe eine Probesendung gemacht und ProSieben wollte mich. Meine beste Freundin fragte mich da, ob ich mir sicher sei, dass ich mit dem Rummel umgehen könnte. Ich hatte keine Vorbereitung und keine Ahnung, wie es ist, wenn man nationales Fernsehen macht, um sich zu exponieren. In der Talkshow zeigte ich mein Gesicht und wurde bekannt. Das war eine große Sache – auch hinter den Kulissen.
Hat das Fernsehen Sie verändert?
Nein, eher nicht. Ich mache keinen Krawall. Ich bin als Typ bodenständig und wusste immer, woher ich komme. Ich habe auch nie mein Image damit verwechselt, wer ich wirklich bin. Ich dachte nie, ich sei besser, nur weil ich bekannter war. Das ist eine böse Falle im Unterhaltungsbusiness. Wenn es dann mal nicht so läuft, kann man tief fallen.
Viele andere Talkshows wurden vor 20 Jahren ebenfalls abgesetzt. Warum waren solche Formate dann nicht mehr zeitgemäß?
Das Fernsehen veränderte sich damals einfach. Plötzlich gab es die Gerichtsshows, die den Talkformaten Konkurrenz machten und die Fernsehmacher wurden nervös. Und machten Fehler. Meine Show wurde beispielsweise auf Scripted Reality umgestellt. Ich wusste als Moderatorin nicht mehr, was ich überhaupt moderieren sollte, denn vor mir saßen ja Schauspieler. Das lief nur ein paar Wochen so – ohne Erfolg. Gescriptete Talks waren nicht das, was das Publikum damals suchte. Das Leben ist so bunt, da muss nichts durch Fakes größer gemacht werden. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass guter Talk noch eine Chance hätte.
Was bräuchte es, dass sich eine solche Sendung heute behaupten könnte? Immerhin gibt es gerade eine Nostalgiewelle – siehe „Wetten, dass..?“ oder „TV total“.
„Wetten, dass..?“ habe ich mir angesehen. Mir und meinen Kindern hat es gefallen. Aber auf die Frage geantwortet: Es braucht einfach nur richtig gute, echte Geschichten und Moderatoren, denen die Menschen, mit denen sie sprechen, am Herzen liegen und die nicht nur auf Karriere und Selbstdarstellung aus sind.
Könnten Sie sich vorstellen, ins Fernsehen zurückzukommen?
Ich weiß nicht, ob ich noch massenkompatibel bin. Aber Fernsehen ist ein super Medium, weil es so viele Menschen erreichen kann. Insofern wäre das der Hit – gerade mit meinem Anliegen, Frauen zu empowern. Das ist schon ein Unterschied, ob ich ein Eins-zu-eins-Coaching oder einen Onlinekurs gebe oder im Fernsehen damit zu sehen bin. Insofern wäre Fernsehen ein guter Weg, eine Veränderung zu erzielen. Ich weiß aber eben nicht, ob mein Ansatz da einen Platz hat.
Inwiefern wollen Sie Frauen empowern?
Ich gebe seit Jahren Businesscoachings und bin immer wieder talentierten Frauen begegnet, die ihr Talent nicht sehen und sich immer wieder in Frage stellen. Jede Frau kennt das. Männer haben währenddessen vielleicht nur ein Halbwissen und starten durch.
Und da wollen Sie ansetzen. Warum müssen Frauen anders gecoacht werden?
Auch wenn sie ein gesetztes Ziel erreichen, sind viele Frauen unglücklich. Denn Frauen gehen in ihrer Entwicklung tiefer, schauen hinter die Fassade. Sie fragen, wie sie sich verändern sollen, um einer Situation gerecht zu werden. Männer hinterfragen, was sie tun müssen, um ein Ziel zu erreichen. Das ist wahnsinnig spannend – und dahingehend muss gecoacht werden. Leider zählen die männlichen Stärken in unserer Gesellschaft mehr. Und wir brauchen unbedingt mehr von der weiblichen Kraft.
Was macht das mit Frauen?
Wenn eine Frau erfolgreich sein will, versucht sie oft, die männliche Stärke nach außen zu zeigen. Das ist schwierig. Frauen imitieren da eher das Männliche, anstatt ihre typisch weiblichen Kompetenzen einzubringen. Wir sind einfach anders, wir haben Intuition, wir fühlen unser Gegenüber mehr als Männer – allein schon durch den Mutterinstinkt.
Was wiederum eine Stärke ist, oder?
Genau, wir haben den Wunsch, dafür zu sorgen, dass es allen gut geht. Das ist eine unglaubliche Kraft. Diese brauchen wir zum Wohl aller mehr in der Gesellschaft. Dann würde es uns allen besser gehen. Das hat man auch zu Beginn der Corona-Pandemie gesehen: In von Frauen geführten Staaten war die Infektionsrate niedriger. Für Deutschland lief es mit Merkel am Anfang auch sehr gut. In Frankreich haben die Leute vom positiven deutschen Beispiel gesprochen, ganz unabhängig davon, wie es jetzt aussieht.
Würdest Sie sich als Feministin bezeichnen?
Nein, ich mag den Begriff überhaupt nicht.
Warum nicht?
Das klingt so kämpferisch. Da denke ich an Alice Schwarzer und an die Zeit, als es wahrscheinlich nötig war, dass Frauen kämpferisch auftreten, um das herrschende System zu kippen. Einen solchen Kampf brauchen wir heute nicht mehr.
Weshalb? Was brauchen wir dann?
Wir brauchen heute beides, nämlich Männer und Frauen, die gemeinsam an einem Strang ziehen. In einer nur männlich dominierten Organisation bringen sich die Spieler desselben Teams gegenseitig zu Fall. Der Feminismus stellt eine verständliche Gegenbewegung dar, aber letztlich tauscht er nur Männer gegen Frauen als Spielfiguren aus. Das Verhalten verändert sich nicht. Es geht jedoch darum, einander in den Kompetenzen zu ergänzen. Dadurch eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten.
Dezember 2019: Nicole Noevers besuchte den Barbara-Tag in München. Sie hat lange Zeit in Bayern gelebt. (Quelle: IMAGO / Marja)
Sie leben seit Sommer 2020 mit Ihrer Familie in Frankreich, nahe der Schweizer Grenze. Wie kam es zu dem Umzug?
Ich bin mit meinen Töchtern in die Nähe von Genf gezogen – zu meinem Mann, weil er hier arbeitet. Er hat es über zehn Jahre lang in Kauf genommen zu pendeln, damit ich in Deutschland arbeiten konnte. Es war meine Heimat, ich hatte dort alle beruflichen Kontakte und die Kinder sind dort zur Schule gegangen. Irgendwann haben wir gesagt, dass es reicht. Das war anstrengend und nicht schön für uns als Familie.
Wie sieht Ihr Alltag im neuen Zuhause in Frankreich aus?
Es gibt Pläne und Wünsche und dann gibt es die Realität. Meine beiden Töchter sind 12 und 14 Jahre alt und die haben wir mitten in ihrer vorpubertären Phase aus der Schule, aus dem Freundeskreis rausgenommen. Da hat es bei uns ordentlich gescheppert.
Wieso das?
Wir haben englisch- und französischsprachige Freunde. Aber der Umzug ins französischsprachige Ausland war ein großer Schritt. Es ist eine Chance für die Kinder, aber schwierig ist es allemal – beispielsweise der Wechsel auf eine französische Schule. Durch den Lockdown in Frankreich war für uns alles noch komplizierter, weil wir die Neuen waren und niemanden treffen durften – dabei hatten wir gerade alle alten und langjährigen Freunde hinter uns gelassen und sehnten uns nach Anschluss. Die erste Schule passte nicht für beide Mädchen, also haben wir nach einer neuen Schule gesucht. Im Moment bin ich gerade einfach oft das Mamataxi und fahre die Mädchen hin und her.
Worauf sind Sie besonders stolz?
Ich bin sehr dankbar, dass ich eine Familie habe. Das war nicht so einfach. Mir wurde als junge Frau immer wieder vom Frauenarzt gesagt, dass ich Schwierigkeiten haben werde, Kinder zu bekommen. Das habe ich sehr bedauert, letztlich war dem aber gar nicht so: Ich hatte das Glück, dass ich richtig Karriere gemacht habe und mit 38 und 40 doch noch Mutter geworden bin.
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Sagen Sie sich: Alles richtig gemacht?
Man kann das Mutterwerden nicht kontrollieren, aber meine Kinder sagen schon immer mal: Wir hätten gern, dass ihr schon früher unsere Eltern geworden wärt, dann hätten wir mehr Zeit zusammen. Ich habe meinen Mann aber erst vor 15 Jahren bei einem Seminar auf Hawaii kennengelernt und war wenige Monate später schwanger. Es sollte einfach so sein. Natürlich bin ich eine ältere Mutter. Aber meine Familie ist mein größtes Glück. Und für die habe ich bewusst entschieden, nicht mehr voll zu arbeiten. Ich dachte viele Jahre, ich könnte keine Kinder bekommen. Jetzt macht es mir so eine große Freude, für sie da zu sein, sie aufwachsen zu sehen, sie zu begleiten und diese Aufgabe ernst zu nehmen.
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