- Bernhard Hoëcker ist aktuell mit zwei Programmen unterwegs – eines solo und eines mit Kollege Wigald Boning.
- Im Rahmen des Comedy-Festivals „Sommerlachen in der Autostadt“ sprach unsere Redaktion mit dem 52-Jährigen.
- Hoëcker erklärt, warum ihm das „Früher war alles besser“-Gerede auf die Nerven geht. Zudem äußert er sich zu den Formaten „TV total“ und „LOL“.
Herr Hoëcker, schön, dass wir uns heute sprechen, denn morgen war gestern alles besser – um es mit dem Namen Ihres aktuellen Solo-Programms zu sagen …
Bernhard Hoëcker (lacht): Genau, Sie sagen es.
Ihnen wird die Ehre zuteil, das Comedy-Festival „Sommerlachen in der Autostadt“, das bereits im Juli begann, gleich mit zwei Terminen in Wolfsburg ausklingen zu lassen. Haben Sie sich etwa das Motto „Wer zuletzt lacht, lacht am besten“ auf die Fahne geschrieben?
Wer zuletzt lacht, lacht zumindest auch noch am Ende. Das ist ein Sinnbild für das gesamte Leben, das schließlich ein Langstreckenlauf ist. Die Leute vergessen allerdings oft, dass man am Ende durchs Ziel rennt und nicht mittendrin. Insofern ist es doch sinnvoll, dass man sein Leben – und damit auch ein solches Festival – so gestaltet, dass die schönen Dinge am Ende kommen. Damit möchte ich natürlich nicht meine Kolleginnen und Kollegen dissen, die bereits beim „Sommerlachen“ auf der Bühne standen.
Sie sind aktuell mit zwei Programmen unterwegs. Wie unterscheidet sich der Hoëcker solo von dem Duett Hoëcker/Boning?
Der Hoëcker solo ist im Gegensatz zum Hoëcker mit dem Boning mit einem vorher festgelegteren Programm unterwegs. Natürlich setze ich mich bei „Morgen war gestern alles besser“ mit diesem ständigen „Früher war alles besser“-Gejammere auseinander: Die Sprache ist ja so schlimm geworden, das Gendern ist so schrecklich und die Jugend von heute ist so lotterig. Wenn man einige Menschen reden hört, könnte man annehmen, dass alle jungen Leute schlecht und alle alten toll sind.
Das können und wollen Sie widerlegen?
Richtig. Ich bekomme das auch in meiner Branche häufig mit. Früher waren angeblich auch die Comedy und die Filme besser. Dieses Gerede ging mir auf die Nerven. Wenn man sich diesem Gefühl, das mir selbst ja auch nicht ganz fremd ist, aber mal von einer rationalen Seite nähert, dann wird man feststellen, dass dem überhaupt nicht so ist. Es wird nicht alles schlimmer als früher. Im Gegenteil: Die meisten Dinge sind heute besser – weltweit und in Deutschland sowieso.
Warum vergessen wir so gerne, dass früher auch nicht alles Gold war, was glänzte?
Rein wahrnehmungspsychologisch betrachtet, ist es viel angenehmer und überlebenspraktischer, wenn man die negativen Sachen ausblendet. Wenn man zum Beispiel frühere Urlaube Revue passieren lässt, dann erinnert man sich nur daran, wie schön der Strand und wie lecker das Essen war. Dass zwischen Strand und Hotel jedoch eine Autobahn entlangführte und es viele Tage regnete, blendet man hingegen aus. Warum? Weil es das Leben schöner macht. Natürlich gibt es auch immer Gegenargumente, das will ich gar nicht infrage stellen.
Mit beiden Programmen sind Sie schon seit einigen Jahren unterwegs. Müssen diese inhaltlich immer verändert respektive erweitert werden? Die Zeit bleibt nicht stehen …
Für das Programm mit Wigald, das ja „Gute Frage“ heißt, trifft das nicht zu. Schließlich gibt es kein Konzept – außer, dass das Publikum uns beiden Fragen stellt. Der Vorteil ist, dass dieses Programm immer aktuell ist. Von klassischen Talkshow-Fragen à la „Wie sind Sie zur Comedy gekommen?“ bis hin zu großen Fragen wie „Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?“ wird das gesamte Spektrum abgebildet.
Ich hätte Ihr Publikum kreativer eingeschätzt …
Das ist es auch. Es sind viele kreative und sogar alberne Fragen dabei. Ein Beispiel: „Warum wird eine runde Pizza in Dreiecke geschnitten, damit man sie in viereckige Kartons verteilen kann?“
Im wahrsten Sinne eine „Gute Frage“. Wie verhält es sich mit Blick auf die Aktualität mit Ihrem Soloprogramm?
Da muss manchmal die Art, wie ich es erzähle beziehungsweise die Dramaturgie etwas angepasst werden. Interessant ist, dass sich die Reaktion der Zuschauer zum Thema „Schule“ nach der Pandemie verändert hat. Lehrern wird gerne vorgehalten, dass sie eigentlich nichts können. Als die Kinder coronabedingt dann aber zu Hause saßen, konnten Mama und Papa nicht helfen, weil sie zum Teil selbst nicht wissen, wie man vierstellige Zahlen addiert.
Darf man heute noch über alles und jeden Witze machen?
Ich finde schon, dass man über alles Witze machen kann. Man soll nur aufhören zu heulen, wenn man dafür Ärger kriegt. Wenn ein Comedian früher Witze über Schwarze oder Schwule gemacht hat, dann haben sich darüber auch schon Menschen geärgert. Der Unterschied ist, dass heute in den sozialen Medien schnell und öffentlichkeitswirksam reagiert werden kann. Es ist einfacher geworden, seine Meinung unter die Leute zu bringen.
Soziale Medien hin oder her: Sind die Zeiten von Macho-Gags à la Ingo Appelt oder Atze Schröder nicht längst vorbei?
Die Zeit ist immer im Wandel. Insofern ist immer irgendwas irgendwann vorbei. Ich mache heutzutage kein Bühnenprogramm mit Manta-Witzen. In meinem ersten Programm Anfang der 2000er ging es noch um die Gehirnhälften von Mann und Frau. Das würde ich heute nicht mehr machen, weil es mich auch selbst nicht fordert. An vielen alteingesessenen Comedians, die bereits lange dabei sind, ist die Zeit quasi vorbeigezogen. Im Film-Business ist das nicht anders: Ein Dinosaurier-Streifen reicht als Thema alleine heute kaum noch aus. Lassen wir den neuen „Jurassic World“-Film mal außen vor, der gut angelaufen ist …
Wenn nicht Dinosaurier: Was dann?
Bauernhof.
Wie bitte?
Ja, kein Scherz. Kinder mögen nach wie vor Dinos, aber die Buchhändler wollen keine Saurier mehr in ihren Läden liegen haben. Bauernhöfe hingegen funktionieren im Moment total gut, weil die Natur wieder mehr in den Vordergrund rückt.
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Spielt Ihr neues Kinderbuch „Das Katzenhuhn“ aus diesem Grund auf einem Bauernhof?
Das ist ein Grund, ja. Aber grundsätzlich passen diese tierischen und abenteuerlichen Geschichten, die ich mir mit Eva von Mühlenfels ausgedacht habe, einfach perfekt auf einen Bauernhof.
Nimmt man Ihnen Bauernhof-Geschichten für Kinder heute eher ab, weil Sie von Beginn an weniger der klassische Stand-Upper und Zotenreißer waren? Sie gelten als Comedian, der lustig ist und dennoch Wissen vermittelt. Profitieren Sie heute davon?
So weit würde ich vielleicht nicht gehen. Aber ja, seit meiner Jugend finde ich es spannend, Wissen und Fakten zu vermitteln und aufzuzeigen, womit man falsch liegt. So etwas ist natürlich zeitlos. Auf der anderen Seite haben sich viele Dinge, die ich früher erzählt habe, inzwischen als falsch oder anders herausgestellt. Vermutlich könnte ich ein ganzes Programm mit dem Titel „Ich habe mich geirrt“ zusammenstellen (lacht).
Man wird häufig an früheren Erfolgen gemessen. Vor dem Hintergrund: Was trauen Sie Ihrem Kollegen Sebastian Pufpaff und seiner „TV total“-Neuauflage auf Sicht zu?
Ich schaue extrem wenig deutsches Fernsehen, aber ich finde den Pufpaff unfassbar komisch. Und ich habe mitbekommen, dass er es gut macht. Das Problem ist immer das Erwartungsmanagement. Daraus ergibt sich häufig die Schlussfolgerung: Weil das Perfekte nicht erreichbar ist, vermeide ich auch das Unperfekte. Das ist natürlich Quatsch. Warum soll es heute also kein „TV total“ geben, nur weil es Stefan Raab aus Sicht vieler Menschen perfekt gemacht hat. Wer dieses Ziel hat, muss es ja nicht schauen – aber die anderen haben Spaß.
Wie viel Spaß hätten Sie an dem Format „LOL“ und wären Sie gerne einmal dabei?
Ich bin ein Mensch, der sehr gerne und sehr viel lacht. Interessant finde ich immer, wenn die Teilnehmer beschreiben, vor welchen Kollegen sie besonders Angst haben. Leider wirkt man in solch einem Format schnell unsympathisch – indem man so tun muss, als würde der Kollege einen schlechten Gag vorführen, obwohl er in Wirklichkeit richtig gut ist. Man darf ja nicht lachen, das ist anstrengend.
Vor wem hätten Sie denn besonders Angst?
Vor mir. Ich würde mich vermutlich selbst rausschießen, weil ich über meine eigenen Sachen lachen müsste. Aber auch Torsten Sträter und Kurt Krömer könnten für mich gefährlich sein.
Nicht Bastian Pastewka?
Ich kenne zu viele private Geschichten über Pastewka, um es hinzukriegen, nicht über ihn zu lachen. In solchen Fällen soll man sich die Leute ja immer in Unterhose vorstellen: Und das kann ich bei Basti sehr gut (lacht).
Sie besuchten früher in Bonn dieselbe Schule wie er. Konnte man zu dieser Zeit und vor allem in dieser Stadt nur Komiker werden? Helmut-Kohl-Witze waren schließlich der Renner …
Helmut Kohl war nicht nur Bürgermeister von Bonn, sondern auch noch Bundeskanzler. Insofern betraf das ganz Deutschland. Ich glaube, dass eher meine rheinländische Herkunft und meine katholische Konfession den Ausschlag für meinen beruflichen Werdegang gegeben haben. Als Rheinländer wurde mir der Karneval praktisch mit in die Wiege gelegt. Daher fällt es mir heute leichter, etwas vorzuführen. Zudem habe ich als Katholik und früherer Messdiener bereits in jungen Jahren Frauenkleider getragen. Das alles kam der Unterhaltung schon sehr nahe.
Wurden in der Comedy mehr Kohl-Witze oder mehr Merkel-Witze erzählt?
Da ich nie politisches Kabarett gemacht habe, kann ich das schwer beurteilen, glaube aber, dass Angela Merkel vorne liegen müsste. Das mag auch daran liegen, dass sich Witze heutzutage viel schneller verbreiten. Früher gab es „Rudis Tagesshow“ – und das war es dann auch schon.
Die Anzahl klassischer Scholz-Witze halten sich trotz der heutigen Verbreitungsmöglichkeiten noch in Grenzen …
Damit jemand einen Witz machen kann, muss er ja erst einmal etwas sagen, das man witzig finden kann. „Der Postillon“ hat kürzlich geschrieben, dass Olaf Scholz aus dem Fenster gegangen ist, weil er vergessen hat, wo die Tür ist. Den fand ich ganz gut. Gibt es nicht inzwischen sogar das Wort „scholzen“, also reden, ohne etwas zu sagen?
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