Comeback nach dem Oscar: Joaquin Phoenix in "Come on, Come on"

Comeback nach dem Oscar: Joaquin Phoenix in "Come on, Come on"

Drama und Roadmovie

US-Star Joaquin Phoenix (47, „Walk the Line“) meldet sich nach seinem Oscar für die Titelrolle in der Comicverfilmung „Joker“ (2019) mit „Come on, Come on“ beim Kinopublikum zurück. Der Schwarz-Weiß-Film von Regisseur Mike Mills (56) ist eine Mischung aus Drama und Roadmovie und in so ziemlich allen Bereichen ein krasser Gegensatz zur grellen Geschichte über den gereizten, aufbrausenden Einzelgänger Arthur Fleck (Joker) in Gotham City.

Der New Yorker Radiojournalist Johnny (Joaquin Phoenix), der nach einer langen Beziehung wieder Single ist, arbeitet an einer Reportage, für die er Jugendliche in den USA zu ihren Träumen, Ängsten und Hoffnungen für die Zukunft befragt. Doch nach einem Telefonat mit seiner Schwester Viv (Gaby Hoffmann, 40) muss er sich unerwartet in Kalifornien um deren neunjährigen Sohn Jesse (Woody Norman, geb. 2009) kümmern.

Zum ersten Mal, völlig unvorbereitet und buchstäblich über Nacht kommt Johnny so mit dem Thema Elternschaft und der damit einhergehenden Verantwortung in Berührung. Er muss alles lernen, was jeder lernen muss, der ein Kind bekommt, nur eben sehr, sehr schnell. Auch für den aufgeweckten, manchmal gar nicht kindlichen und doch sehr sensiblen Jesse ist die Situation neu, denn er ist zum ersten Mal längere Zeit von seiner Mutter getrennt.

Hinzukommt, dass Johnny und Viv kaum mehr Kontakt hatten, nachdem er sich in ihre Ehe mit dem psychisch kranken Musiker Paul (Scoot McNairy, 44) – Jesses Vater – eingemischt hatte. Und so kennen Onkel und Neffe sich zu Beginn des Films nicht wirklich. Weil die Umstände es aber erfordern und Johnny sein Radioprojekt fertigstellen muss, begeben sich die beiden dennoch gemeinsam auf einen Roadtrip quer durch die USA …

Joaquin Phoenix ist sicher der größte Lockvogel für diesen Film – und er erfüllt die Erwartungen auch. Überrascht sein werden die Zuschauerinnen und Zuschauer aber vor allem von dem britischen Kinderdarsteller Woody Norman, der die Rolle des „seltsamen“ Jesse unfassbar gut spielt. Jedes Wort, jede Handlung wirken außergewöhnlich natürlich und völlig spontan.

Richtig lustig wird es, wenn Johnny und Jesse über singende Zahnbürsten, das Haarewaschen oder die Wahrheit streiten. Oder als Johnny sein Erziehungsglück bei Jesse mit Hilfe eines Ratgebers versucht und der Junge trocken bemerkt, dass seine Mutter besser darin sei, es so aussehen zu lassen, als ob sie es nicht ablesen würde.

Die Figuren und Beziehungen in „Come on, Come on“ sind authentisch gezeichnet, was auch für Gaby Hoffmanns Viv gilt. Sie ist eine Frau, Mutter und Ehefrau, die hart daran gearbeitet hat, sich ein intellektuelles und spirituelles Leben jenseits der Grenzen der Mutterschaft und der Betreuung ihres Sohnes und des manchmal außer Kontrolle geratenen Vaters des Jungen zu bewahren. Die Wiederentdeckung der Nähe zwischen Bruder und Schwester fügt eine weitere berührende Ebene hinzu.

„Come on, Come on“ ist als Schwarz-Weiß-Film gedreht. Neben dem Faible des US-Regisseurs für dieses Filmmaterial, gibt es einen weiteren Grund dafür: „Es ist intim, lässt aber auch mehr Spielraum, holt die Figuren aus der Zeit heraus, distanziert uns vom Alltag und macht die Bilder fast zu Zeichnungen“, erklärt Mike Mills seine Entscheidung.

Der irische Kameramann Robbie Ryan (geb. 1970) nennt noch einen Punkt: „Da es sich um ein Roadmovie handelt, denke ich, dass schwarz-weiß dazu beiträgt, den verschiedenen Orten eine gewisse Einheitlichkeit zu verleihen.“ Der Film spielt in den vier sehr unterschiedlichen US-Städten Detroit, Los Angeles, New York und New Orleans.

Und er hat noch eine Besonderheit zu bieten: Zwischen den Spiel-Szenen der Protagonisten sind immer wieder kurze Interview-Sequenzen mit ganz realen Kindern und Jugendlichen für Johnnys Filmprojekt zu sehen. Sie wirken dokumentarisch und werfen große Fragen, verblüffende Antworten und unerwartete Gedanken dieser Generation auf.

Der Film erzählt von komplexen innerfamiliären Beziehungen und der großen Herausforderung, Eltern zu sein. Weil es dafür keine echte Anleitung gibt, ist jeder in jeder neuen Phase des Kindes wieder ein Anfänger mit aller Ungewissheit. In diesem Zusammenhang stellt der Film auch die Frage nach Bezugspersonen und deren Rollen im Leben von Kindern und Jugendlichen. Müssen, sollen und dürfen es immer nur Mutter und Vater sein oder können auch andere Menschen wichtige und gute Impulse liefern?

Aber auch Kinder und Jugendliche bekommen in dem Streifen eine deutlich vernehmbare Stimme. Einerseits durch die Kurzinterviews, andererseits durch Jesses Lebensgeschichte, die von dem Umgang mit der psychischen Erkrankung des Vaters geprägt ist. Der Film zeigt eindrucksvoll, wie wichtig Auszeiten für die Angehörigen und insbesondere für Kinder sind. Und so ist einer der bewegendsten Momente der, in dem Jesse seinen Onkel fragt, ob er wie sein Vater werden wird …

„Come on, Come on“ ist ein philosophischer, inspirierender, schöner und lebendiger Film mit fabelhaften Schauspielern in liebevoll kreierten Szenen – die in Farbe vielleicht sogar noch ein bisschen mehr Wucht entfaltet hätten. 

„Come on, Come on“ startet am 24. März in den Kinos.

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