Claudia Jung (58) blickt auf 35 Jahre Karriere zurück. In dieser Zeit hat sich in der Schlagerbranche "brutal" viel verändert, wie die Sängerin im Interview mit spot on news erzählt. "Schlager ist nicht mehr so greifbar wie früher", erklärt die 58-Jährige. "Über die Jahre ist der Schlager ganz weit aufgegangen. Plötzlich geht das von volkstümlichem Schlager über Ballermann-Schlager bis hin zu moderner Popmusik. Da komme ich nicht mehr mit." Außerdem prophezeit sie, dass es CDs "nicht mehr lange geben" wird. Durch die Streamingdienste erfahre die Musik "keine große Wertschätzung mehr". Darüber hinaus spricht sie über ihre Campingreise durch Europa und toxische Männlichkeit.
Sie sind seit 25 Jahren mit Ihrem Mann Hans verheiratet. Was ist das Geheimnis Ihrer langen Liebe?
Claudia Jung: Da halte ich es immer wie Dolly Parton. Das liegt daran, dass ich so gut wie nie zu Hause bin. Wenn man viel weg ist, verlernt man auch nie, sich aufeinander zu freuen. Dennoch ist es immer wichtig, dass beide Seiten für eine vernünftige Beziehung eine gehörige Portion gute Nerven mitbringen und viel Vertrauen in beide Richtungen: Vertrauen in denjenigen, der das Haus verlässt, aber auch in denjenigen, der zurückbleibt.
Haben Sie den Hochzeitstag besonders gefeiert?
Jung: Wir waren mit unserer Tochter, mit unserem Schwiegersohn und mit unserer Enkeltochter beim gemeinsamen Brunchen. Aber ansonsten haben wir das gar nicht so hoch gehangen, kein großes Tamtam und keine Party. Wir haben uns das Wohnmobil gegönnt über den Sommer und haben viel Zeit miteinander verbracht, jeden Job gemeinsam gemacht und auch einfach mal zwei Wochen Arbeit und Vergnügen miteinander kombiniert. Wir sind von Gelsenkirchen über Frankreich nach Italien und weiter nach Kroatien gefahren und haben das sehr genossen. Das war quasi unsere Silberhochzeitsreise.
Welche schönen Erfahrungen haben Sie beim Campen gesammelt? Welche Vorteile bringt ein Camper für Sie?
Jung: Das klingt immer nach einer riesigen Europatour, so war es eigentlich gar nicht. Wir haben einfach den Sommer genutzt, um mit einem Wohnmobil zu meinen Auftritten zu fahren. Ich hatte sozusagen meine rollende Garderobe immer dabei und das war sehr schön. Wir haben nach dem Videodreh in Gelsenkirchen einen Abstecher nach Paris gemacht. Dort haben wir unseren David (Hans Singer brachte Sohn David in die Ehe ein, Anm. d. Red.) besucht, der dort mittlerweile lebt, und haben das genutzt, ihm noch ein paar Möbel vorbeizubringen, die bei uns noch gelagert waren. Von da aus sind wir dann zu Freunden ins Burgund und unterm Mont Blanc durch, dann nach Italien bis an den Gardasee. Zum Schluss waren wir noch in Kroatien für ein paar Tage mit einem Auftritt und einem Videodreh, dann ging es wieder nach Hause.
Reisen mit dem Camper steht immer wieder auf meiner To-Do-Liste. Es gibt noch viele Ecken, die ich mit meinem Mann erleben möchte, seien es Skandinavien oder die USA. Ich finde es sehr vorteilhaft, sein eigenes Bett und all das, was einem zu Hause lieb und teuer ist, dabei zu haben. So hat man immer ein Stück Heimat dabei.
Ihr Song „Artige Frauen“ ist eine Hymne für alle Frauen. Wie schätzen Sie die Gleichberechtigung in der Musik- und Schlagerbranche ein?
Jung: Ich glaube, bei uns in der Schlagerbranche ist es gar nicht so wild. Da müsste ich mir eher um die Gleichberechtigung der Männer Gedanken machen. Wenn wir mal ehrlich sind und uns umschauen: Es gibt so viele Schlagersängerinnen, fast wie Sand am Meer. Aber es gibt wenig gute Kerle. (lacht)
Wie oft erleben Sie in Ihrem Umfeld toxische Männlichkeit? Wie reagieren Sie darauf?
Jung: Wenn man mich lässt, reagiere ich genauso toxisch darauf. Blöde Sprüche von Männern, die in der heutigen Zeit nicht mehr angebracht sind, machen mich schon wild. Die waren früher auch nicht angebracht, aber da haben sich die Frauen weniger gewehrt. Wenn so etwas in meiner Gegenwart passiert, halte ich mich, glaube ich, wenn dann nur auf der Bühne zurück.
Ich habe es jetzt gerade vor Kurzem erst gehabt: Da war ich in Kroatien bei einer großen Veranstaltung und der Moderator stand auf der Bühne und hat richtig frauenfeindliche Witze erzählt. Gott sei Dank war mein Mann dabei, ansonsten hätte ich den da runter geholt. (lacht)
„Einfach jung“ lautet der Titel Ihres neuen Albums. Ihr Name ist bei Ihnen Programm. Wie halten Sie sich so jung und fit?
Jung: Ich glaube, das liegt an meiner Familie, meinen Tieren und der Art und Weise, wie wir leben. Ich freue mich immer, wenn ich, so wie jetzt mit meinem neuen Album, in die Städte fahre, nach München oder Berlin. Ich genieße das für einen Tag oder für zwei sehr. Aber ich genieße es noch viel mehr, wieder nach Hause zurückzukommen, wo Fuchs und Hase sich noch gute Nacht sagen. In unserem Weiler gibt es keine Straßenlaternen, am Abend ist es stockdunkel. Ich brauche entweder Taschenlampen oder an die Mütze genähte Lämpchen, um zu sehen, wo der Weg ist. Da habe ich wirklich meine Ruhe, kann mich auf alles Wesentliche konzentrieren und besinnen. Und das macht mich glücklich.
Wie sehen Sie Ihrem 60. Geburtstag entgegen? Macht Ihnen das Alter etwas aus?
Jung: Welches Alter? Jedes Alter macht einem irgendwann etwas aus. Es ist schon komisch: Wenn wir noch jung sind, bemühen wir uns, älter auszusehen, damit wir Dinge, die wir erst mit 18 Jahren kriegen, vorher schon bekommen. Wenn wir älter werden, versuchen wir, wieder jünger auszusehen. Was soll der Mist? Sind wir doch einfach so alt wie wir sind! Wichtig ist einfach, jung im Herzen zu sein und sich nicht verrückt machen zu lassen von einer Zahl. Man kann immer viel Geld investieren in Cremes, Spritzen und Eingriffe, aber am Ende des Tages bleibt dennoch der Schildkrötenhals und die Flecken auf der Hand, die uns verraten, wie alt ein Mensch wirklich ist. Also von daher: Mit dem Geld kann ich Sinnvolleres anfangen.
Wie hat sich die Schlagerbranche in den 35 Jahren Ihrer Karriere verändert?
Jung: Brutal. Schlager ist nicht mehr so greifbar wie früher. Früher war Schlager eine ganz klare Aussage. Man wusste, was man kriegt. In den 70er Jahren war alles ganz klar definiert, ob jetzt Andy Borg oder Adam & Eve sangen. Das war Schlager. Daneben gab es die Popmusik und die Volksmusik. Über die Jahre ist der Schlager ganz weit aufgegangen. Plötzlich geht das von volkstümlichem Schlager über Ballermann-Schlager bis hin zu moderner Popmusik. Da komme ich nicht mehr mit. Das ist mir zu viel. Ich glaube, ich habe mich immer in der guten Mitte bewegt, immer mit einem Hang zur Popmusik und zum Country. Da fühle ich mich einfach zu Hause und es ist die Art und Weise der Musik, die mich glücklich macht.
Unsere Medienlandschaft hat sich ja auch total verändert. Es ist alles schnelllebiger geworden über die Jahre. Ich glaube auch, dass man heute leider Gottes keine Karrieren mehr aufbauen kann, wie es noch in den 80er und 90er Jahren möglich war. Die Leute kommen und sind auch gleich schon wieder weg. Das ist auch dem geschuldet, dass man Musik durch die Streamingdienste nicht mehr wirklich kaufen muss. Eine CD ist leider Gottes mittlerweile fast zu einem Werbeartikel verkommen. So kommt es mir vor. Die wird es auch wahrscheinlich nicht mehr lange geben. Durch das Flatrate-Musikhören bis zum Umfallen erfährt die Musik natürlich auch keine große Wertschätzung mehr.
Claudia Jungs neues Album "einfach JUNG" erscheint am 14. Oktober.
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