Aufschneider, Umkrempler, Traumfänger: Gianni Versace und die Mode

Aufschneider, Umkrempler, Traumfänger: Gianni Versace und die Mode

Er wäre 75 geworden

Das Schneideratelier seiner Mutter war sein Spielplatz, später sollte es sein Arbeitsplatz werden: Giovanni Maria „Gianni“ Versace knüpfte die ersten Fäden seiner Designerkarriere bereits in jungen Jahren und spann sie weiter zu Stoffen, aus denen Modeträume geboren wurden. Die platzten für viele am 15. Juli 1997, als der Italiener vor seiner Villa in Miami vom Callboy Andrew Cunanan erschossen wurde. Er wurde nur 50 Jahre alt. Am 2. Dezember 2021 wäre der „Meister des Neobarock“ 75 Jahre alt geworden. Eine Hommage an den Mann, der das Vulgäre schön machte.

Man kann von den Versace-Designs halten, was man will. Den einen sind die Entwürfe zu schrill, zu laut, zu obszön. Andere feiern die charakteristischen geometrischen Formen und die kräftigen Farben, die Gianni Versace so liebte. Damit schuf er einen krassen Gegensatz zu Purist Giorgio Armani (87), der für asketische Eleganz und strenge Zurückhaltung in der italienischen Mode steht. Seine Anzüge verliehen Richard Gere (72) in „Ein Mann für gewisse Stunden“ Coolness und spiegelten den Ehrgeiz von Leonardo DiCaprio (46) in „Wolf of Wall Street“ wider. Die Designs von Versace sind nicht cool, sondern hot, nicht ehrgeizig, sondern arrogant – das macht sie aus. Gianni Versace sagte einmal: „Warum nicht mal verwegen aussehen? Warum nicht sexy? Warum nicht vulgär? Konventionen kann man knacken wie Austern.“

Das tat Versace, indem er zusammenbrachte, was nicht zusammengehörte: Seide und Jute, Leder und Crêpe de Chine, Denim und Brokat, Kettenpanzer und Latex. 1982 entwickelte er das Metallgewebe Oroton, das aus miteinander verketteten Metallscheiben besteht. Models, die Kreationen aus diesem Material trugen, sahen aus wie moderne Statuen mit Sex-Appeal.

Dabei seien es nicht seine Kleider, sondern die Frauen, die in ihnen steckten, sexy: „Wenn ich sexy Kleider entwerfen könnte, wäre ich ein reicher Mann“, erklärte er. Bestes Beispiel dafür ist Schauspielerin Elizabeth Hurley (56), die bei der Premiere von „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ (1994) das berühmte „Sicherheitsnadelkleid“ trug. Diese Kreation von Gianni Versace machte sie quasi über Nacht berühmt. „Gianni hat dieses Kleid für eine Frau gemacht, die sehr selbstsicher ist und keine Angst davor hat, die Regeln zu brechen. Liz verkörperte all das auf außergewöhnliche Art“, erklärt Schwester Donatella „Harper’s Bazaar“ rückblickend, warum die Kreation ihres Bruders damals für ein derart großes Aufsehen sorgte. Übrigens stellte Hurleys Sohn Damian (19) das berühmte Dress etliche Jahre später nach. Statt Kleid schmückten die ikonischen Nadeln ein Sakko, wie er auf Instagram zeigte.

Fast 30 Jahre später würde das Nadel-Dress Vogue-Chefin Anna Wintour (72) wohl nur ein Zucken im Mundwinkel entlocken. Damals brachte das unkonventionelle Versace-Design aber frischen Wind auf die Laufstege von Paris, London, Mailand und New York. Doch mit dem tragischen Tod von Gianni drehte das Barometer im Modehaus Versace auf Sturm. Schwester Donatella, bis heute Kreativdirektorin, geriet bei der Führung des Konzerns ins Straucheln. Boutiquen wurden geschlossen, die Haute-Couture-Shows abgesagt, die Designs verspottet. Es reichte nicht, grelle Farben zu kombinieren, die Stoffe mit Unmengen von Strass zu beladen und alles über Naomi Campbell (51) zu stülpen.

Am Ende ging mit dem tragischen Tod von Gianni Versace auch ein Stück Kreativität, Mut und Glamour verloren und konnte vom „Versace-Girl“ Donatella nur bedingt zurückgeholt werden. Bleibt zu hoffen, dass der Meister rechtbehält: „Mode stirbt jeden Tag und wird dann neu geboren.“

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