Auch mit 75 liebt er die Bühne noch

Fernsehmoderator, Komiker, Autor, Musiker, Entertainer, Schauspieler, Hörbuchsprecher: Die Berufsliste von Jürgen von der Lippe ist lang. Am heutigen 8. Juni wird der Wahl-Berliner 75 Jahre alt und kann auf ein arbeitsreiches Leben zurückblicken. So feiert der Mann mit den bunten Hawaiihemden in diesem Jahr sein 50. Bühnenjubiläum. Auch an seinem Ehrentag gönnt er sich keine Pause: Er liest am Abend im Berliner Kabarett "Die Wühlmäuse" aus seinem Buch "Sex ist wie Mehl". Der umtriebige Show-Experte will offensichtlich noch lange nichts vom Ruhestand wissen und plant bereits bis Ende 2024 viele Auftritte. Das WDR Fernsehen widmet ihm zu seinem Geburtstag die Jubiläumssendung "Von der Lippe wird 75 und will nur spielen" (10. Juni, 20.15 Uhr). Im Radiosender WDR 5 beschäftigt sich die "Liederlounge" mit seinen Songs wie "Guten Morgen, liebe Sorgen" (11. Juni 2023, 22.04 Uhr).

„Die richtige Berufswahl getroffen“

2019 erhielt von der Lippe den Fernsehpreis für sein Lebenswerk. "Ich nehme es als Bestätigung dafür, dass ich die richtige Berufswahl getroffen habe", sagte er damals im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news. Doch zunächst steuerte er nach dem Abitur in Aachen in eine ganz andere Richtung: Bei der Bundeswehr ließ er sich zum Leutnant ausbilden und begann anschließend ein Lehramtsstudium.

Während seiner Zeit bei der Bundeswehr lernte er das Gitarrespielen und trat ab 1973 als Musiker und mit Bühnenprogrammen auf. 1980 kam er zum Fernsehen und moderierte zusammen mit Marijke Amado, 69, und Frank Laufenberg, 78, die Live-Show "WWF-Club" im WDR. Vier Jahre später erhielt er bei dem Sender seine erste eigene Show: "So isses". Bundesweit bekannt wurde er 1986 mit seiner ARD-Show "Donnerlippchen – Spiele ohne Gewähr". Von 1989 bis 2001 präsentierte er im Ersten dann die Samstagabendshow "Geld oder Liebe" – der Höhepunkt seiner Karriere. Für die von ihm mitentwickelte Sendung erhielt er 1994 den Grimme-Preis. Den zweiten Grimme-Preis bekam er 13 Jahre später als Spielleiter der ProSieben-Sendung "Extreme Activity". Neben seiner Showkarriere drehte er auch Filme, tourte mit Bühnenprogrammen, brachte etliche Bücher und Lieder heraus.

Bühne statt TV-Show

In den vergangenen Jahren sah man von der Lippe, der eigentlich Hans-Jürgen Hubert Dohrenkamp heißt und seinen Künstlernamen nach seiner Heimat Lippe wählte, nur noch selten im TV. "Große Fernsehshows, also Mainstream, ist nicht mehr mein Ding, das will auch kein Sender, da braucht es schwiegermutterkompatible junge Menschen", erzählte er 2019. Er startete stattdessen 2017 einen YouTube-Kanal, für den er die Büchersendung "Lippes Leselust" produziert. Mit seinem 2022 erschienenen Buch "Sex ist wie Mehl" hat er viele Lese-Termine, bis zum 10. November 2024 stehen noch 70 Abende an. Die Bühne ist von der Lippes große Leidenschaft: "Wenn ich ein Buch schreibe, spielt immer schon die Vorfreude auf die Lesungen mit." Am 26. August startet sein neues Bühnenprogramm "Voll Fett". 60 Termine stehen dafür bis 3. Oktober 2024 im Kalender. Auch im Alter bleibt von der Lippe also fleißig. Er habe noch nie daran gedacht, in den Ruhestand zu gehen, offenbarte er vor vier Jahren. Er tue auch alles dafür, fit zu bleiben: "Mäßiger Alkoholgenuss und leichtes Übergewicht erlauben statistisch gesehen ein längeres Leben als Askese und Idealgewicht. Einigermaßen ausgewogene Ernährung und regelmäßiger leichter Sport sind auch nicht verkehrt."

Seine Markenzeichen sind bunte Hawaiihemden und ein schlüpfriger Humor, der ihm so manche Kritik einbrachte. So endete seine Mitarbeit an der Radiosendung "Unterhaltung am Wochenende", weil dem verantwortlichen Redakteur seine häufigen sexuellen Witze missfielen. Sexismus jedoch könne man ihm "nun wirklich nicht vorwerfen", findet von der Lippe. "Schließlich kriegen ja immer die Männer von mir einen auf den Deckel." Er sei ein Feminist und finde es toll, "was die Frauen in den letzten 70 Jahren alles erreicht haben und ganz ohne Gendern".

Gendern ist ihm ein Graus

Die gendergerechte Sprache ist dem studierten Germanisten, der eine Zeit lang als Tutor Deutsch unterrichtete, ein Dorn im Auge. Vergangenes Jahr sagte er im Interview mit "t-online", dass Gendern "die Sprache verschandelt und verhunzt". Er bekomme Ohrenschmerzen, wenn er Moderatorinnen und Moderatoren im Fernsehen oder Radio gendern höre. "Selbstverständlich bin ich für die gleiche Bezahlung von Mann und Frau. Aber die Sprache wird dieses Problem nicht lösen", meint der Entertainer weiter. "Im Gegenteil: Die Mehrheit wendet sich ab, fühlt sich gegängelt. Auch ich fühle mich persönlich angegriffen, wenn man meine Sprache ganz bewusst und willentlich verhunzt." Für ihn sei es "ein Skandal, dass Universitäten verlangen, dass Arbeiten von den Studenten gegendert und so in einem falschen Deutsch eingereicht werden".

Von der Lippe schwimmt ungern mit dem Strom und hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. "Die Öffentlich-Rechtlichen weigern sich ja anzuerkennen, dass die Unterhaltung der Publikumsauftrag Nummer eins ist, wenn man sich Umfragen ansieht", kritisierte er etwa 2007 im "Spiegel"-Interview seine früheren Arbeitgeber. "Das Publikum erwartet in erster Linie Unterhaltung, dann will es Information und nur zu einem geringen Prozentsatz auch Bildung." Als er 2004/2005 die Hauptrolle des Pfarrers Erdmann in der RTL-Comedyserie "Der Heiland auf dem Eiland" spielte, monierte er, dass eine "humorfreie Redakteurin" die "besseren Drehbücher" abgelehnt habe. Auch über die frühzeitige Absetzung der ausgezeichneten "Extreme Activity"-Show ärgerte er sich öffentlich.

Auch sein Privatleben unterscheidet sich von der Masse

Etwas anders als der von ihm oft kritisierte "Mainstream" verlief auch von der Lippes Privatleben. Seit mehr als 40 Jahren ist er mit seiner Frau Anne Dohrenkamp glücklich – doch zwischendurch ehelichte er eine andere Frau. Von 1986 bis 1988 war er mit Moderatorin Margarethe Schreinemakers, 64, verheiratet. Anschließend kam er wieder mit seiner Ex zusammen, mit er aber nicht zusammenlebt. Im Januar 2022 erklärte er im Podcast "Blaue Couch" des Senders Bayern 1 seine ungewöhnliche Ehe: "Die getrennten Wohnungen sind eigentlich das Geheimrezept. Gut, das ist jetzt auch eine wirtschaftliche Frage, das ist schon klar. Aber jeder Psychiater sagt ja als Minimalforderung: getrennte Schlafzimmer." Man brauche in einer Beziehung auch einen Rückzugort. Zudem hätten er und seine Frau unterschiedliche Vorlieben. Er sei ein Stadtmensch, sie liebe die Natur. "Es war nie ein Thema, ob wir zusammenziehen. Wir besuchen uns. Und so ist das bis heute geblieben." Auch Nachwuchs gehört nicht zum Lebensmodell des Entertainers. Beide Ehen blieben kinderlos.

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