Anna Wilken: "Dieses Gefühl von 'Ich bin total anders', stört ich!"

Mit der Frage nach dem Kinderwunsch begibt man sich auf dünnes Eis. Die K-Frage impliziert Vieles: Möchte das Paar überhaupt Kinder? Klappt es vielleicht seit Jahren nicht, schwanger zu werden? Dabei wird eine Frage komplett vergessen. Denn weshalb stellen andere Menschen diese sehr intime und private Frage überhaupt? Ob aus Interesse, Neugier oder sonstigen Beweggründen – Bekannte und Freunde, vielleicht sogar die Familie, können nicht immer wissen, was sich im Leben des Paares abspielt und was die Frage bei ihnen auslöst. 

Für Anna Wilken, 25, ist nicht nur der Kinderwunsch täglich präsent – sondern auch die "gut gemeinten Ratschläge" und die "neckischen Kommentare", auf die jede Frau gut verzichten kann. Im Interview mit GALA verrät sie, wie die letzten Jahre sie verändert haben und weshalb sie niemals einen Ratschlag an andere Frauen weitergeben würde.

Anna Wilken: „Die Fragen beginnen ja schon am Familientisch“

GALA: Welche Menschen haben Sie bei Ihrem Kinderwunsch von Anfang an begleitet?

Anna Wilken: Meine Mutter, mein Partner und mein enges Umfeld.

Sie haben sich dann entschieden, Ihre Reise öffentlich zu teilen – wie kam es dazu?

Primär möchte ich Sensibilität für dieses Thema schaffen und das fängt nicht bei Unbekannten an, sondern schon am Familientisch. Als ich im letzten Jahr auf einer Familienfeier ein Baby auf dem Arm hatte, musste ich mir anhören 'Steht dir, Anna!'. Dabei wissen alle über unsere Geschichte Bescheid und wir tun ja alles dafür, dass unser Kinderwunsch in Erfüllung geht. Solche Fragen sind einfach unsensibel und nicht bedacht. Dabei macht hier auch immer der Ton die Musik. 

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Was glauben Sie, weshalb solche Fragen immer noch so plump gestellt werden?

Ich denke, viele verschließen die Augen vor dieser Problematik und gehen davon aus, dass jeder Kinder kriegt, wann er will. Dass jedes achte Paar ungewollt kinderlos ist, wissen viele nicht. Denn es klappt ja auch bei vielen. In meinem ganzen Freundeskreis zum Beispiel, und ich freue mich abgöttisch für sie. Doch dadurch denken viele, es geht bei allen so. 

Hat sich Ihr Freundeskreis dadurch eventuell sogar verändert? Haben Sie sich von Menschen abgewandt? 

Nein, mein Umfeld hat sich nicht verändert. Ich habe schon viel Glück in dieser Hinsicht. Natürlich wurden auch mir diese Fragen schon gestellt, aber ich habe jetzt keine Freundin durch die Thematik verloren.  Es gibt welche, die sich oftmals erkundigen und dann aber auch die Freundinnen, die Angst haben, etwas Falsches zu sagen. Es ist doch eher der Fall, dass alle sehr übervorsichtig sind. 

Ist das denn der richtige Umgang mit der Thematik?

Nein, nicht bei mir – aber da ist jede Frau auch anders. Ich sage meinem Umfeld, dass ich schon Bescheid gebe, wenn mich etwas stört. Wenn mich stört, dass ich das Neugeborene auf den Arm nehmen soll, dann mache ich es einfach nicht.

Man muss im Freundes- und Familienkreis offen damit umgehen. Das fällt schwer, aber man erspart sich dadurch einiges – vor allem dumme Kommentare.

Auch auf Instagram müssen Sie sich mit der ungefragten Meinung, sogar mit Beleidigungen auseinandersetzen. Sie scheinen damit sehr gut umgehen zu können.

Ja, aber auch ich lasse nicht alles an mir abprallen. Ich habe Momente, wo mich das auch belastet. Es kommt auch immer auf die Kommentare an. So etwas wie 'Ich hoffe, du bekommst kein Kind', das lasse ich nicht an mich heran. Viel anstrengender sind die Nachrichten, die mir das Gefühl geben, ich würde alles falsch machen. Wenn ich jeden Tag neue Tipps erhalte, impliziert das ja, dass ich vorher alles falsch gemacht habe. Und das ist auch nicht der richtige Umgang, denn die Menschen wissen nicht, was ich schon alles ausprobiert habe. 

Sie selbst erteilen anderen Frauen und Paaren keine Ratschläge. Weshalb?

Ich gebe 0,0 Prozent Ratschläge, weil ich mich dazu auch gar nicht in der Macht sehe. Das schreibe ich auch in meinem Buch 'Na, wann ist es denn so weit?'. Ich bin kein Kinderwunsch-Guru. Ich finde es auch grob fahrlässig, was auf Social Media passiert. Denn man kann dieses Thema nicht verallgemeinern. 

Es gibt lediglich einen Tipp, den ich mitgebe. Und der heißt: Habt keine Scheu davor, dem behandelnden Arzt alle Fragen zu stellen; und wenn man dort viele Stunden sitzt. Egal, Hauptsache ist, all meine Fragen werden beantwortet. 

Sie möchten kein Vorbild oder Guru sein, sondern einen sensiblen Umgang mit dem Thema schaffen. Haben Sie das Gefühl, bereits etwas erreicht zu haben?

Ich habe schon das Gefühl, dass es etwas bewirkt. Aber das bin nicht nur ich, sondern die vielen anderen KiWu-Accounts. Ich bin dennoch der Meinung, dass der Umgang nicht sensibler geworden ist – zumindest in dem Zeitraum, in dem ich das beurteilen kann. ¾ meiner Nachrichten auf Instagram sind Vorwürfe, weshalb wir nicht adoptieren wollen oder sonstiges – obwohl ich nie gesagt habe, dass wir diese Option nicht in Erwägung ziehen.

Wie reagieren Sie auf solche Vorwürfe?

Das kommt ganz auf den Moment an. Es gibt Situationen, da schicke ich eine wutentbrannte Nachricht zurück oder diskutiere auch mal. Aber im Großen und Ganzen kann ich das gut von mir abprallen lassen. Ich habe auch keine Lust, dass mich das belastet. 

War das schon immer Ihre Einstellung oder inwiefern haben Sie die letzten Jahre auch verändert?

Ich habe mich schon verändert. Ich war immer sehr dankbar für die kleinen Dinge im Leben, das ist jetzt noch intensiver. Ich war früher tatsächlich ein negativ denkender Mensch. Aber durch meine Endometriose habe ich gelernt, mit dem was ich habe, zurechtzukommen. Denn die Endo bleibt, selbst wenn ich jeden Tag weine. Ich finde auch nicht immer alles toll, aber im Endeffekt tut es mir gut, einen Umgang damit gefunden zu haben. Heute bin ich eine Mischung aus sehr realistisch, aber auch sehr positiv eingestellt. Ich entscheide alles so, wie es sich für mich richtig anfühlt.

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