Ana Johnson über Kinderwunsch: "Jeder Versuch, der nicht geglückt ist, hat uns in ein schwarzes Loch fallen lassen."

Sie haben kürzlich auf Instagram und Youtube nicht nur Ihre Diagnose Endometriose und Adenomyose* öffentlich gemacht, sondern auch die bisherige Kinderwunschreise. Warum haben Sie sich jetzt dafür entschieden, das zu teilen?

  • Ana Johnson: Wir haben das über vier Jahre für uns behalten, doch jetzt gab es kürzlich einen traurigen Schlüsselmoment dieser Kinderwunschreise und das war unsere Fehlgeburt Anfang des Jahres. Ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten, nicht darüber zu sprechen, den ganzen Schmerz nur zwischen uns auszumachen und wollte das mit anderen teilen, weil ich wußte, dass es mir helfen wird, darüber zu sprechen. Die Erfahrung habe ich schon gemacht, als wir es nach und nach Familie und Freunden erzählt haben.

    Danach ging es mir jedes Mal besser. Und ich weiß natürlich, dass ich auch anderen betroffenen Paaren damit helfen und ihnen das Gefühl geben kann, dass sie nicht allein sind und dass man sich für den Kinderwunsch nicht zu schämen braucht.

    Haben Sie sich deshalb niemandem anvertraut? Aus Scham?

    Ja, dieses Schamgefühl habe auch ich erlebt und mich deswegen die ganze Zeit nicht getraut, darüber zu sprechen.

    Wie geht es Ihnen damit, dass es jetzt jede:r weiß?

    Ich fühle mich damit sehr gut. Es ist aber auch überwältigend, plötzlich so viel Liebe zu erfahren, vor allem weil man sich jahrelang damit versteckt hat und plötzlich redet man so viel und so offen darüber. Das ist noch sehr ungewohnt und kostet mich noch viel Kraft, das immer wieder hochzuholen und darüber zu sprechen.

    Aber es ist schön, sich mit anderen auszutauschen. Ich habe so viele Nachrichten bekommen und Geschichten gehört, die mich sehr berührt haben und gleichzeitig macht es mich auch traurig, dass so viele betroffen sind – immerhin eins von sieben Paaren.

    Uns Frauen wird schon als Mädchen eingebläut, bloß aufzupassen, weil man sofort schwanger wird, wenn man einmal nicht aufpasst. Wann hatten Sie das erste Mal das Gefühl, dass irgendwas nicht stimmt?

    Das fing 2019 an. Im Jahr davor hatten wir geheiratet und haben uns bereit gefühlt, den nächsten Schritt zu wagen und eine Familie zu gründen. Also haben wir beschlossen, es einfach drauf ankommen zu lassen. Wir sind da ganz naiv an die Sache dran gegangen, weil wir immer nur Geschichten gehört haben, bei denen es sofort geklappt hat.

    Aber als dann bei uns nach einem Jahr noch nichts passiert war, habe ich mir schon langsam Sorgen gemacht und dann haben wir es ein bisschen mehr darauf angelegt. Als dann aber wieder ein Jahr ohne Schwangerschaft ins Land gegangen war, haben wir uns durchchecken lassen und da kamen dann auch die ersten größeren Sorgen auf.

    Wo liegen die Schwierigkeiten und wieso wurde es so spät erkannt?

    Dass es bis zu einem Jahr dauern kann, bis man schwanger wird, ist erstmal nichts Ungewöhnliches. Aber wenn es bis dahin nicht geklappt hat, wird empfohlen, sich durchchecken zu lassen. Nur dadurch, dass ich mich damals schon geschämt habe und mir dachte: "Oh Gott, es könnte irgendwas nicht in Ordnung sein", habe ich mir das immer wieder schön geredet. So vergingen dann zwei Jahre. Danach war ich nochmal ein Jahr lang bei einer anderen Gynäkologin, die auf Kinderwunsch spezialisiert ist und die auch schon sehr viele Untersuchungen bei mir gemacht hat.

    Es hieß aber immer, ich sei jung und gesund, es dauert einfach noch etwas. Aber alles, was versucht wurde, hat nichts gebracht. Die einzige Maßnahme, die noch andere Erkenntnisse mit sich bringen konnte, war eine Gebärmutterspiegelung. Die habe ich dann im Oktober 2021 machen lassen, mit der Sicherheit: Wird schon alles ok sein, die werden da eh nichts finden. Aber als ich dann aus der Narkose aufgewacht bin, hat mir ein Arzt ziemlich unsensibel mitgeteilt, dass ich eine sehr ausgeprägte Endometriose und eine Adenomyose habe und dadurch auch verschlossene Eileiter, weshalb ich auf natürlichem Wege niemals Kinder bekommen könnte und wir uns an eine Kinderwunschklinik wenden sollten.

    https://www.instagram.com/p/Cn_u_4JoEK-/

    Warum hat das Ihre Ärztin nicht schon früher untersucht?

    Bei mir ist die Endometriose offenbar eher asymptomatisch. Ich habe zwar schon immer starke Regelschmerzen gehabt, aber das immer als "So ist das eben" hingenommen, weil mir das auch immer so von Frauenärzt:innen gesagt wurde, die ich gefragt habe – "Da muss jede Frau durch." Da ich aber keine anderen Symptome hatte, hat es so extrem lange gedauert, die Endometriose zu diagnostizieren. Und das wiederum geht auch nur über eine Gebärmutterspiegelung, wenn man 100 Prozent Gewissheit haben möchte.

    Sie erzählen in Ihrem Video, dass lange niemand im Umfeld wusste, was Sie durchmachen. Warum?

    Mir war das lange total unangenehm, selbst mit meinen engsten Menschen darüber zu sprechen, weil ich dachte: Das kann doch nicht sein, bei allen klappt es. Selbst eine Freundin, die auch Endometriose hat, wurde beim ersten Versuch schwanger. Wieso sind wir so anders? Ich habe mich ausgeschlossen und einsam gefühlt und dachte, dass mich niemand verstehen kann.

    Wenn ich mich mit diesem Wunsch öffne, kommen vermutlich so Sätze wie: "Es dauert einfach noch ein wenig", "Ihr müsst euch mal entspannen", "Fahrt doch mal in den Urlaub". Solche Sätze braucht niemand in dieser Situation, weil die implizieren, man müsse sich nur noch mehr anstrengen, damit es klappt. Dabei tut man ja schon alles. Man denkt, man ist komplett allein mit seiner Geschichte, weil niemand darüber redet.

    Was hat sich dann verändert?

    Als ich mich entschieden habe, darüber zu sprechen, habe ich erstmal meine Mama und meine beste Freundin eingeweiht. Allein das hat mir so viel Druck genommen. Denn plötzlich hörte man dann Geschichten von anderen, die ähnliches erlebt haben. Das hat mir total geholfen, besser mit der Situation klarzukommen.

    Warum wird immer noch so selten über Kinderwunschbehandlungen gesprochen?

    Weil es immer noch sehr schambehaftet ist und sich die wenigsten trauen, darüber zu reden. Gleichzeitig ist es so ein emotionales, intimes und privates Thema – ich verstehe total, wenn Paare oder Frauen auch gar nicht darüber sprechen wollen. Sicherlich spielt auch die Angst vor der Reaktion Anderer eine Rolle, beispielsweise, dass der Wunsch kleingeredet wird.

    Ganz oft bekommt man auch zu hören: "Wenn es nicht klappt, dann adoptiert doch ein Kind". Das stellen sich viele immer so einfach vor, als würde man einfach in einen Laden gehen und sich ein Kind aussuchen. Oder Sprüche wie: "Ein Leben ohne Kinder ist doch auch schön". Das sind Sätze, die in dieser Situation doppelt und dreifach weh tun.

    Haben Sie sich unter Druck gesetzt oder unter Druck gesetzt gefühlt, weil Kinder langsam erwartet wurden nach Hochzeit und Hausbau?

    Nach unserer Hochzeit ging es tatsächlich auch mit den Fragen los, ob wir Kinder wollen, wie viele wir haben möchten oder warum wir noch keine eigenen Kinder haben, wenn wir uns gemeinsam mit befreundeten Familien gezeigt haben. Also die komplette Bandbreite unsensibler Fragen, die uns natürlich unter Druck gesetzt haben. Auf Instagram habe ich irgendwann aufgehört Q&As zu machen, weil wirklich jede zweite Frage sich um das Kinderthema drehte. Wenn du dich gerade einer Kinderwunschbehandlung unterziehst, ist das unglaublich belastend.

    Mittlerweile haben Sie fünf Versuche hinter sich und mussten zwei Fehlgeburten verkraften. Was gibt Ihnen in der schweren Zeit Kraft und was lässt Sie weiter machen?

    Mein Mann Tim und ich sind generell zwei sehr positive Menschen und lassen uns nicht so schnell unterkriegen. Wir sind ein super starkes Team. Doch jeder Versuch, der nicht geglückt ist, hat uns in so ein schwarzes Loch fallen lassen, weil man auch weiß, wie viel man schon hinter sich gebracht hat und natürlich gibt es auch diese Momente, wo man zweifelt und sich fragt, ob das alles noch Sinn macht und ob es überhaupt irgendwann klappen wird.

    Aber immer, wenn ich einen solchen Moment habe, ist mein Mann eine super starke Stütze, der mich immer wieder aus diesem Loch rauszieht, obwohl es ihm selbst schlecht geht. Uns unterstützen aber natürlich auch unsere Freunde und Familien. Wir lieben unsere Jobs, die uns einfach auch mal ablenken und uns auf andere Gedanken bringen, weil der Kinderwunsch natürlich so viel Raum einnimmt. Und wir haben eine wirklich tolle Klinik gefunden, die uns immer wieder Hoffnung gibt. Jeder Misserfolg führt zu neuen Erkenntnissen, die weiterhelfen und uns auch Kraft und Energie schöpfen lassen.

    Freude und Enttäuschung liegen auf Ihrer Reise sehr nah beieinander, wie schaffen Sie das emotional?

    Anfangs dachte ich noch ganz blauäugig: Ach, das wird schon irgendwie in den ersten drei Versuchen klappen. Als dem dann nicht so war, war ich am Boden zerstört und dachte, ich will das alles gar nicht mehr, mich nimmt das viel zu sehr mit und ich weiß nicht, wie ich das ertragen soll. Aber man lernt mit diesem Schmerz und dieser Trauer umzugehen und man kommt immer besser damit klar. Daher: Solange wie wir das körperlich und psychisch schaffen, werden wir es weiter versuchen.

    Die letzte Fehlgeburt ist noch nicht lange her. Wie geht es Ihnen körperlich und seelisch?

    Mittlerweile wieder ganz gut. Die ersten Tage waren natürlich furchtbar. Wir haben kurz vor Silvester von der Schwangerschaft erfahren und es dann auch mit Freunden geteilt, mit denen wir gemeinsam im Urlaub waren. Das war dann schon hart, ihnen das dann auch zu sagen, dass es leider doch nicht geklappt hat, wo man sich erst vor kurzem so sehr miteinander gefreut hat. Mir hat es aber auch sehr geholfen, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, weil ich so viel positiven Zuspruch bekommen habe. Ich glaube, ich war in dieser gesamten Kinderwunschphase noch nie so positiv wie aktuell, weil wir so überhäuft werden von Liebe.

    Hat Sie die Kinderwunschreise als Paar verändert?

    Wir haben in dieser Zeit auf jeden Fall gelernt, extrem gut über Gefühle zu sprechen. Wir sind beide super emotional. Und in den letzten Jahren hatten wir auch nur uns, um sich darüber auszutauschen und das hat uns noch enger zusammengeschweißt. Das hat uns nochmal auf eine ganz andere Ebene, was Vertrauen und Rückhalt angeht, gebracht.

    Wie geht es für Sie jetzt weiter?

    Wir hatten erst kürzlich wieder einen Termin in der Kinderwunschklinik, um zu besprechen, wie es weitergeht. Höchstwahrscheinlich können wir schon in den nächsten Wochen wieder starten, geben meinem Körper und unseren Herzen aber noch ein bisschen Erholungszeit.

    Ich denke, wir sind auf einem super guten Weg. Dieses Mal werden wir eine andere Methode austesten und noch die ein oder andere Untersuchung machen. Wir haben durch die letzte Behandlung wichtige, neue Erkenntnisse gewonnen. Ich bin mir sehr sehr sicher, dass es irgendwann klappt, wir müssen nur noch den richtigen Weg finden.

    Endometriose und Adenomyose gehören zu den häufigsten Unterleibserkrankungen bei Frauen. Endometriose beschreibt das Auftreten von Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnlich ist, außerhalb der Gebärmutter, beispielsweise an den Eierstöcken oder am Darm. Bei einer Adenomyose tritt dieses Gewebe aus den Drüsen der Gebärmutterschleimhaut innerhalb der Muskelschicht der Gebärmutter auf.

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