"Ich denke nicht, dass wir mit dem Finger [auf jemanden] zeigen oder irgendjemanden beschuldigen sollten", antwortet Prinz Harry, 36, auf die Frage, ob er einen seinen Sohn Archie, 2, anders erziehe, als er selbst erzogen worden sei. Doch dann stellt er klar: Er will es definitiv anders machen als sein Vater Prinz Charles, 72, und seine Großmutter Queen Elizabeth, 95. Er will "genetischen Schmerz" und "genetisches Leid" nicht an die nächste Generation weitergeben, er will "den Zyklus durchbrechen", er will, dass Archie und seiner Schwester nicht dasselbe passiert wie ihm. Dies sei auch ein Grund dafür gewesen, warum er von England nach Kalifornien gezogen sei, erklärt der Royal.
Harry fährt fort und beschreibt, wie er mit zunehmendem Alter die Ähnlichkeiten zwischen seinem Leben und dem seines Vaters bemerkte. "Und dann fing ich plötzlich an, [die Teile] zusammenzusetzen und zu sagen: 'Ok, hier ist er zur Schule gegangen, das ist passiert, das weiß ich über sein Leben. Ich weiß auch, dass das mit seinen Eltern zusammenhängt, was bedeutet, dass er mich so behandelt hat, wie er behandelt wurde." Zwar geht Harry nicht ins Detail – doch das muss er auch nicht, um den Eindruck zu erwecken, unnötige und sogar verletzende Interna ausgeplaudert zu haben.
Meinung: 5 Gründe, warum Prinz Harrys Aussagen zu weit gehen
Prinz Harry hat jedes Recht der Welt, über seine Gefühle und Erfahrungen zu sprechen und jedes Recht der Welt, die Art und Weise seiner Erzählungen selbst zu bestimmen. Wie jeder andere, der seine psychischen Probleme teilt, verdient auch er Respekt und Anerkennung. Dennoch drängt sich eine Frage auf: Warum offenbart Harry – wissend um die Brisanz seiner Worte und das zu erwartende Medien-Echo – solch sensible Familienangelegenheiten vor einem Millionen-Publikum?
1. Unpassendes Timing
Wie nicht anders zu erwarten ist Prinz Harry aktuell DAS Thema in den britischen (und internationalen) Medien. Dabei schien nach dem Wirbel um das Oprah-Winfrey-Interview und nach dem Tod von Prinz Philip gerade etwas Ruhe in die Familie Windsor eingekehrt zu sein. Im Zuge der Trauerfeier für den Herzog von Edinburgh seien zwischen Harry, seinem Vater und seinem Bruder erste "Babyschritte" in Richtung einer Versöhnung erfolgt, heißt es. TV-Aufnahmen, die Harry, Prinz William, 38, und Herzogin Catherine, 39, nach dem Gottesdienst in einem freundlichen Gespräch zeigen, scheinen die Annahmen zu bestätigen. Seinem Vater soll Harry vor der Reise nach London sogar einen emotionalen Brief geschrieben haben. Und jetzt der Podcast.
Warum kann Prinz Harry in einer solch angespannten Lage nicht darauf verzichten, über sensible Familienangelegenheiten zu sprechen? Angelegenheiten, die, womöglich, hinter verschlossenen Türen bereits besprochen wurden? Wie fühlt sich Prinz Charles bei den kritischen Worten seines Sohnes? Bloßgestellt, enttäuscht, traurig? Zumindest nach außen lässt er sich nichts anmerken, als er am Tag nach dem Podcast einen offiziellen Termin absolviert und fröhlich in die Kameras lacht. Die Message ist klar: Die Royals in England wollen sich auf ihre Pflichten konzentrieren, nicht auf die Ausbreitung ihres Privatlebens.
2. Mangelnde Empathie und fehlender Respekt für die anderen Royals
Prinz Harry hat aufgrund seines royalen Status' gelitten und tut es immer noch. Aber das tun andere in der Königsfamilie auch. William, der ebenfalls an jenem 31. August 1997 seine Mutter verloren hat, dessen Freundin Kate Middleton Mitte der 2000er Jahre von Paparazzi verfolgt wurde und der sich von Harry nach dem Megxit "im Stich gelassen" fühlen soll. Prinz Charles, der sich gedrängt fühlte, eine Frau zu heiraten, die er nicht liebte, und dessen zerrüttete Ehe bis heute die Klatschspalten füllt. Queen Elizabeth, der man nachsagt, lieber ein Leben auf dem Land führen zu wollen als das einer Königin. Es täte Prinz Harry gut, anzuerkennen, dass er nicht der Einzige ist, der wegen seiner royalen Herkunft strauchelt. Und es täte ihm gut, zu respektieren und anzuerkennen, dass sich seine Familienmitglieder mit ihren Pflichten arrangiert haben.
3. Schädigung der Monarchie
Mit der ehrlichen Schilderung seiner Gefühle schafft Prinz Harry einerseits ein Verständnis dafür, dass das Leben als Royal seine Schattenseiten hat und welche Auswirkungen diese auf ihn selbst hatten. Doch dabei scheint er zu vergessen (oder es in Kauf zu nehmen), dass es dabei nicht nur um ihn selbst geht, sondern auch um eine altehrwürdige Institution und seine eigene Familien. Eine Familie, deren Mitglieder zu den berühmtesten Menschen der Welt gehören, die ihren Dienst in den der Gesellschaft gestellt haben und die sich öffentlich nicht frei äußern dürfen. Allen voran Queen Elizabeth, die am längsten regierende Monarchin in der Geschichte. Eine Frau, die mit 95 Jahren immer noch jeden Tag arbeitet. Harry nimmt der Monarchie nicht nur ihren Zauber, sondern beschädigt sie nachhaltig. Seine Message? Prinz oder Prinzessin sein, nein danke!
4. Erinnerung an alte Wunden
Mit seiner Äußerung über "Schmerz und Leid" riskiert Prinz Harry, alte Wunden von Prinz Charles und Queen Elizabeth aufzureißen. Wie sehr Charles als Kind unter der Abwesenheit seiner Eltern und der strikten Erziehung, vor allem durch Prinz Philip, gelitten hat, ist seit Jahrzehnten hinlänglich bekannt und Gegenstand vieler Biographien und Bücher. Auch als Erwachsener gab es Probleme; stieß Charles mit seiner Leidenschaft für Umwelt und Klima und politischen Äußerung oft auf Unverständnis. Prinz Philip soll gar der Meinung gewesen sein, sein Sohn besitze nicht die passenden Eigenschaften für einen König.
Und vor allem vergisst Harry eines: Prinz Charles war und ist vielleicht nicht immer ein guter Vater, doch auch er ist zu einem Großteil die Summe seiner Erziehung. Noch dazu wurde er in einem Zeitalter großgezogen, in dem aristokratische Eltern und Kindern oftmals nicht die innige Beziehung hatten, wie man sie heute kennt. Wo ist Harrys Verständnis dafür?
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5. Prinz Harry profitiert von seinem Status
Den Podcast mit Dax Shepard hat Prinz Harry nicht nur aufgenommen, um seine Sicht der Dinge darzulegen und anderen Menschen mit psychischen Problemen Mut zu machen. Er hat auch gesprochen, um seine neue Doku-Serie "The Me You Can’t See" zu promoten. Sie erscheint am 21. Mai 2021 auf AppleTV+, ist eine Zusammenarbeit mit Oprah Winfrey, 67, und dreht sich um das Thema mentale Gesundheit. 2020 hat Prinz Harry außerdem lukrative Deals mit Netflix und Spotify abgeschlossen. Fakt ist: Dies wäre ohne seinen royalen Status nicht möglich gewesen. Die Welt hört ihm nur aus einem Grund zu und bietet ihm nur aus einem Grund all seine Möglichkeiten: Weil er ein Nachfahre von Queen Elizabeth ist. Auch hier wäre es zu begrüßen, würde Prinz Harry dazu stehen, was er seiner Herkunft zu verdanken hat.
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