In Sachen Absurdität zeigt Multikünstler Helge Schneider bei seinem neuen Krimi „Stepptanz“ mal wieder sein ganzes Können. So folgt der detailreichen, blutigen Schilderung eines Mordes eine grausige Entdeckung des Protagonisten Kommissar Schneider: Die puppenartige Leiche besteht aus „menschlichen Teilen und Elektronik“. Was und vor allem wer steckt dahinter? „Stepptanz“ hat 192 Seiten. Enthalten sind auch 18 Zeichnungen des Autors.
Der vor allem als „Musikclown“ (Eigenbezeichnung) und Jazzmusiker bekannte Entertainer Helge Schneider (68, „Katzeklo“) schreibt seit vielen Jahrzehnten auch Bücher, darunter Krimis. Kommissar Schneider ermittelte bereits in fünf früheren Kriminalfällen.
Hauptbösewicht in „Stepptanz“ ist ein Chirurg und Elektronikexperte namens Jérôme Grismann, der eigentlich Klaus heißt. Er bringt Menschen um, zersägt sie, friert die Einzelteile in Gefriertruhen im Keller ein und baut bei Gelegenheit „Hybriden“ aus ihnen, die er „Hybs“ nennt oder auch „futuristische Hilfsroboter“. Für den Bau verwendet er Schaufensterpuppen aus Europa, die in Marokko zum Einsatz kamen und dann via Kamelkarawane über Jordanien mit Hilfe eines Containerschiffs nach Bremerhaven gebracht werden. Dort holt Grismann sie ab. Später fahren die Hybs auch nach Paris.
Böse sind auch die Mörder Johnny und seine Mutter, die Hybs erschlagen sowie einen Uhrenverkäufer an einem Strand in der Nähe von San Remo. Johnny wird später von einem Bären gefressen. Seine Mutter springt in eine 200 Meter tiefe Schlucht, landet in einem Planschbecken und überlebt. „Die alte Espelkamp hatte wieder unglaubliches Glück gehabt“, stellt der Erzähler fest. Ihr weiteres Schicksal bleibt offen. Nur noch einmal hat sie einen Auftritt. Da sitzt sie frierend am Münchner Stachus.
Vor einem Stepptanzstudio lernt derweil die Tochter des Kommissars, Charlene, den Bösewicht Grismann kennen und kommt ihm näher. Der erschlägt später den Studiobetreiber. In dem Studio wird der Fall dann schließlich auch gelöst, natürlich völlig absurd.
Auch abseits der vielen Morde durchzieht groteske Gewalt den Roman: Etwa, wenn Mutter Espelkamp „derb“ auf das Gesicht einer Frau einschlägt, „immer wieder“, Johnny seiner Mutter eine „knallt“ oder eine Mitarbeiterin an einem Filmset einer Kollegin „aggressiv eins auf die Fresse“ haut. Der Erzähler erwähnt auch, dass Johnny einen Schäferhundmischling verhungern ließ. „Doch Mutter hat ihm verziehen, er war eben noch nicht so weit, dass er mit Tieren umgehen konnte.“
Die Figur des Kommissars bietet dem Leser und der Leserin ebenfalls keine heile Welt. Immer wieder beschreibt der Erzähler etwa die Gleichgültigkeit des Ermittlers gegenüber seiner Frau (Kosename: „Hase“) bis hin zur Verachtung: „Die Frau Kommissar war wirklich ziemlich blöde.“ Mehrfach muss sie ihm den Rücken waschen. Zum „Durchvögeln“ kommt es in einer Szene nicht mehr. Vorher klingelt das Telefon. „Hase. Ich bin Kriminalist. Ich kann nicht mit einem Weichzeichner die Gesellschaft abbilden. Sie ist so, wie sie ist“, sagt Kommissar Schneider in einem anderen Zusammenhang einmal.
Immer wieder greift der Roman aktuelle Themen der vergangenen Jahre auf. Da ist die Rede von einer Baracke an einer „Braunkohlebrache“, wo „demnächst der Riesenbagger“ wüten soll. Oder von Elektroautos, die es fast nur noch gibt. „Einzig und allein in Indien fuhren noch alte Autos rum, das war nahezu das einzige Land, in dem es noch Benzin zu kaufen gab. Kommissar Schneider bestellte sich deshalb manchmal Benzin übers Internet.“ Das nimmt er dann in Bremerhaven direkt am Kai in Empfang. Auch sonst gibt es Seitenhiebe, etwa den hier: „Mittlerweile hatten fast alle Leute Lastenfahrräder, die damit niemals Lasten transportieren mussten, aber es gehörte zum guten Ton, kein Auto mehr zu gebrauchen.“
Nostalgische Freude dürften Lesende in fortgeschrittenem Alter empfinden, wenn sie etwa von Telefonaten mit Wandtelefonen, von einem „Übergangsmantel“ oder einem Autokinobesuch lesen. Da Kommissar Schneider im Ruhrgebiet lebt, gibt es natürlich auch einen Kohlenhändler. Dieser findet die erste Leiche.
Er habe bereits vor mehreren Jahren mit den Arbeiten zu dem Buch begonnen, schreibt der Autor im Epilog. „Die Realität hat in großer Eile meine absurden Ideen bezüglich des Buches eingeholt“, so Schneider. Er verweist auf einen 2022 erschienenen Medienbericht über eine Bestatterin in den USA, die illegal Leichenteile verkauft haben soll. Dass Leute mit Körperteilen lebhaften Handel treiben, gehöre „mit zu den unanständigen Seiten des Homo Sapiens, die heute allgegenwärtig sind“, so Schneider weiter.
Helge Schneider geht mit dem Buch auch auf Lesereise. Start ist am 14. Oktober in Berlin, am 24. und 25. Oktober gastiert er im Wiener Konzerthaus. Beide Termine sind ausverkauft.
(S E R V I C E – Helge Schneider: „Stepptanz“, Kiepenheuer & Witsch, 192 Seiten, 22,70 Euro,)
(APA/dpa)
Quelle: Lesen Sie Vollen Artikel