- Wird – nachdem im vergangenen Jahr alle Großveranstaltungen und damit die Musikfestivals abgesagt werden mussten – nun auch der Festivalsommer 2021 ausfallen?
- Im Moment sieht es leider danach aus. Doch auch wenn erste Festivals bereits abgesagt werden mussten – der Metal-Klassiker Wacken hält noch stand.
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Mitte der Woche wurde bekannt gegeben, dass insgesamt sieben große Festivals in Deutschland und der Schweiz abgesagt werden müssen – darunter auch die Schwergewichte „Rock am Ring“/“Rock im Park“ und „Hurricane“/“Southside“.
Die Absagen dürften viele Fans zwar traurig stimmen, überraschend kamen sie kaum. Überraschender mutet es eher an, dass einige Veranstalter auf das Prinzip Hoffnung setzen.
Musik- und vor allem Metal-Fans schauen nun gespannt nach Schleswig-Holstein. Die Veranstalter des bereits ausverkauften „Wacken Open Air 2021“ halten an ihrem Termin fest. Wie groß die Chance ist, dass nach der letztjährigen Absage in diesem Jahr vom 29. bis 31. Juli das Festival stattfindet und wie man als Veranstalter in diesen schwierigen Zeiten die Motivation behält, hat uns Wacken-Mitbegründer Thomas Jensen im Interview verraten.
Wie lässt sich denn die Stimmung bei Ihnen und Ihrem Team gerade beschreiben? Ist vor allem die Unsicherheit belastend? Oder gilt: Keine Absage bedeutet immer noch Hoffnung?
Thomas Jensen: Die zahlreichen positiven Nachrichten unserer Fans geben uns viel Kraft. Die großartige Unterstützung hat uns massiven Rückhalt gegeben und Mut gemacht und sie tut dies weiterhin. Auch wir Veranstalter sind zusammengerückt und haben uns deutschlandweit zum regelmäßigen Austausch zusammengefunden. Wir stehen in den Startlöchern, um unsere Festivals bestmöglich zu realisieren, sobald sich die Möglichkeit dazu ergibt. Denn noch ist der Sommer 2021 nicht verloren!
Die Organisatoren des „Wacken Open Air“ und anderer Metal- und Rock-Festivals bedanken sich in einem gemeinsamen Statement für die Unterstützung der Fans – und werben für Solidarität, sollten doch weitere Festivals abgesagt werden. Das ganze Statement gibt es hier.
Das W:O:A profitiert ja auch vom recht späten Datum im Festivalkalender. Gibt es aber so etwas wie eine Deadline, einen Stichtag, an dem bestimmte Rahmenbedingen erfüllt sein müssen, um das Festival stattfinden zu lassen?
Die derzeitigen Planungen für das „Wacken Open Air“ sind trotz Kurzarbeit in vollem Gange und wir hoffen, dass die staatlichen Maßnahmen greifen und eine Rückkehr zu Live-Events im Spätsommer möglich sein wird. Wir stehen dabei im intensiven Austausch mit allen zuständigen Behörden, mit Expertinnen und Experten und mit der Politik und planen alle Szenarien.
Sicherlich wird in ein paar Wochen der Punkt kommen, an dem wir vonseiten der Politik wissen müssen, ob eine Veranstaltung grundsätzlich umsetzbar ist. Dazu setzen wir auf Austausch. Unsere Prämisse ist: Wenn wir veranstalten dürfen, dann mit der Sicherheit aller im Blick.
Wacken steht geradezu symbolisch für die enge Bindung zum Ort, zu den Menschen, zu lokalen Behörden und Betrieben. Ist das etwas, woraus sich nun Vorteile ergeben?
In der Tat können wir immer auf unsere örtlichen Ansprechpartner und die Bewohnerinnen und Bewohner bauen. Zum Teil waren die ja genauso traurig wie wir, als letztes Jahr klar war, dass es kein W:O:A geben wird. Dementsprechend gut läuft auch der Austausch in der jetzigen Situation.
Die Konzert-/Event-/Kulturbranche gehört zu den großen Verlierern der Pandemie. Obwohl sie ein wichtiger Wirtschaftszweig, Arbeitgeber und Ausbilder ist, habe ich bisweilen den Eindruck, dass sie von der Politik nicht ernst genommen wird. Als ginge es um Berufsjugendliche, die sich verwirklichen wollen. Wie sehen Sie das? Fühlen Sie sich unterstützt und informiert?
Wir bekommen aus allen politischen Lagern immer wieder Nachfragen, ob man uns helfen könne. Wir werden wahrgenommen und haben in verschiedenen Gremien ein Gesicht bekommen, das war ja nicht immer so in unserer Laufbahn. Wichtig ist hierbei aber zu beachten, dass in der gesamten Branche so viele Leute vor, hinter und auf der Bühne arbeiten, die mit ihrer Leidenschaft und ihrem Know-how den Rock’n’Roll am Leben halten und nun in existentieller Not sind. Dieser wichtige Bereich der Kultur darf auf keinen Fall übersehen werden, denn der hier drohende Verlust ist mit nichts aufzuwiegen.
Ist es überhaupt möglich und absehbar, unter den aktuellen Bedingungen ein Festival stattfinden zu lassen? Jedes Hygienekonzept generiert ja einen Mehraufwand, der bezahlt werden muss.
Inwiefern neue Auflagen für den Sommer festgesetzt werden, wird man in den kommenden Wochen und Monaten sehen. Sobald konkrete Auflagen feststehen, werden wir diese selbstverständlich umsetzen sowie bereits bestehende Hygienemaßnahmen verbessern und entsprechend anpassen.
Zum Mehraufwand lässt sich derzeit überhaupt nichts sagen. Wenn derlei Sicherheitsmaßnahmen in Umfang und Aufwand überhaupt signifikant höher ausfallen sollten als ohnehin einkalkuliert. Da viele Faktoren in die Entwicklung von Konzepten einfließen, werden wir die konkreten Maßnahmen im Detail vorstellen, wenn feststeht, welche von ihnen wir ergreifen.
Sollte es tatsächlich zum Schlimmsten kommen und das Festival müsste erneut abgesagt werden: Ist das aus wirtschaftlicher Sicht stemmbar?
In über 30 Jahren Wacken-Geschichte hat man schon einiges erlebt und uns ist noch immer etwas eingefallen. Eine Pandemie in dieser Größenordnung stellt aber die gesamte Branche vor völlig neue Herausforderungen. Eine erneute Absage wäre natürlich eine Katastrophe, aber nicht nur für uns, sondern für alle Beteiligten wie Crews, Künstler, Gewerke und die zahlreichen Solo-Selbständigen. Man darf nie vergessen, wie viele Menschen in der Musik- und Veranstaltungsindustrie arbeiten und massiv von der Pandemie betroffen sind.
Ein anderer Faktor sind die Mitarbeiter. Wenn zweimal hintereinander so ein Projekt abgesagt werden muss, ohne dass man es beeinflussen kann – woher nimmt man die Kraft und den Ansporn für die neue Planung?
Wir haben das beste Team und die besten Fans der Welt. Im letzten Jahr konnten wir zum Beispiel gemeinsam mit unseren Partnern erstmalig das „Wacken World Wide“ in nur sechs Wochen auf die Beine stellen. Das war wirklich beeindruckend zu sehen, zu was man fähig ist und wie viel man aus dem Stand bewegen kann. Alle Beteiligten haben mit viel Ehrgeiz und Motivation an der Umsetzung des neuen Konzepts gearbeitet, um ein beispielloses Gesamtpaket auf die Beine zu stellen. Solche Projekte spornen an und wir werden auch in Zukunft verschiedene Events online und live umsetzen.
Das Streaming-Event „Wacken World Wide“ war ein großer Erfolg mit Zuschauern auf der ganzen Welt. Gibt es für den Ernstfall Pläne für dieses Jahr?
„Wacken World Wide“ feierte im letzten Sommer die erfolgreiche Premiere und bereits zu unserer ersten Ausgabe war es der feststehende Plan, dass das Online-Streaming-Event nicht als Ersatz gesehen wird, sondern als zusätzliches Format angeboten wird, das wir unabhängig von unserem Wacken Open Air wiederholen werden.
Prognosen sind schwierig bis geradezu unmöglich. Aber ich möchte trotzdem fragen: Wo führt der Weg hin? Wird es irgendwann zurückgehen zum „Davor“ oder haben die Veränderungen und Einschnitte so große Spuren hinterlassen, dass wir Konzerte und Festivals neu denken müssen?
In den vergangenen Wochen und Monaten hat sich wieder einmal gezeigt, wie sehr die Metal-Familie zusammenhält. Eine gesunde Musikszene benötigt eine mannigfaltige Live-Szene –momentan ist dies in Deutschland noch der Fall. Egal ob Mainstream oder Underground, unsere Festivallandschaft bietet für jede Band und jeden Fan den passenden Rahmen. Das ist wichtig und auch gut so, die Pandemie bedroht diese Vielfalt jedoch stark. Wir als Festivalveranstalter halten zusammen und hoffen weiterhin auf den Support unserer Fans.
Wacken-Veranstalter planen weiter ihr Festival im Sommer
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