Viel Applaus, wenig Verstörung: "Malina" am Volkstheater

Claudia Bauer hat recht gehabt. „Ich geh‘ erst mal davon aus, dass es den Leuten nicht genauso gut gefallen wird, dass sie sagen werden: So gut wie ‚humanistää!‘ war es aber nicht“, hatte die Regisseurin im Vorfeld ihrer „Malina“-Inszenierung im Volkstheater gesagt. Die gestrige Premiere der Bachmann-Bearbeitung überzeugte tatsächlich nicht in dem Ausmaß wie ihr vielfach ausgezeichneter Jandl-Abend – obwohl durchaus einige Parallelen zu erkennen waren.

Das liegt einerseits daran, dass auf den Überraschungs- stellenweise der Abnützungseffekt folgte, andererseits am Umstand, dass diesmal kein amüsantes Patchwork zusammengeflickt werden konnte, sondern ein komplizierter, weithin bekannter, aber wenig gelesener Roman aus dem Kanon der österreichischen Nachkriegsliteratur bühnentauglich zu machen war. Dabei vermeidet die Bühnenfassung von Claudia Bauer und Matthias Seier jedoch die traditionelle Lesart der Dreiecksgeschichte so sehr, dass man lange meint, „Malina“ komme am Volkstheater ohne Malina aus.

Erst gegen Ende wird diese männliche Doppelgängerfigur, die fast zur Gänze in der Vielzahl der Ponyfrisur tragenden Ich-Figuren aufgeht, etwas prägnanter herausgearbeitet, ohne dass eine schlüssige Deutung entstünde. Da hat der etwas über zwei Stunden lange Abend aber schon einige Durchhänger und Unschärfen zu überwinden gehabt und sich Ivan-Darsteller Samouil Stoyanov bereits längst in den Mittelpunkt des Abends gespielt.

Mit Bettina Lieder tollt der handfeste Anti-Intellektuelle so durch das von drei Holzkuben in unterschiedlicher Größe dargestellte Ungargassenland (Bühne: Patricia Talacko), dass der Rest der vielen zaudernden Ichs (Evi Kerstephan, Nick Romeo Reimann, Uwe Rohbeck, Christoph Schüchner, Friederike Tiefenbacher) fast nur im Chor wahrgenommen wird – durchaus auch im wörtlichen Sinne, denn Peer Beierlein leitet nicht nur die schlagzeuglastige Livemusik im Orchestergraben, sondern dirigiert auch einige Sprechgesänge. Mezzosopranistin Johanna Zachhuber ergänzt das durch schöne Profi-Gesangseinlagen. Dazu gibt es ein wenig Ballett, viele Videoprojektionen, zwei Stoffpuppen (Ivans Söhne Bela und Andras), ein überlebensgroßes Telefon, ein tanzendes Krokodil und ausladende Röcke, als hätte man die „Corsage“-Ausstattung geplündert.

Es tut sich also viel in dieser Inszenierung, mitunter zu viel. Die Tragödie einer peinigenden inneren Zerrissenheit und Unsicherheit wird dabei ebenso nur an der Oberfläche behandelt wie Vaterfigur und NS-Vergangenheit. „Mehr lachen! Weniger denken!“ Diese Ratschläge Ivans an die Ich-Erzählerin hat sich auch die Inszenierung zu Herzen genommen. Wo nicht gestochen und gestochert wird, fließt aber kein Blut. Konsequenterweise entfällt daher der berühmte Schlusssatz des Romans: „Es war Mord.“ Wo kein Täter, da kein Kläger, da kein Richter – aber auch keine Katharsis. Hier endet der Abend mit „Mein Name: Malina“. Viel Applaus, wenig Verstörung.

(S E R V I C E – „Malina“ von Ingeborg Bachmann, Bühnenfassung: Claudia Bauer und Matthias Seier, Inszenierung: Claudia Bauer, Bühne: Patricia Talacko, Kostüm: Andreas Auerbach, Gesangs-Kompositionen und Musikalische Leitung: Peer Baierlein, mit Evi Kehrstephan, Bettina Lieder, Nick Romeo Reimann, Uwe Rohbeck, Christoph Schüchner, Samouil Stoyanov, Friederike Tiefenbacher. Gesang: Johanna Zachhuber, Livemusik: Igor Gross, Livevideo: Ulrike Schild, Volkstheater Wien, Nächste Vorstellungen: 16., 27.9., Karten: 01 / 52 111-400, . Das Gartenbaukino zeigt am 10. September und 8. Oktober Werner Schroeters „Malina“-Verfilmung, die auch am 15. September und 9. Oktober im Rahmen der Filmarchiv-Retrospektive im Metro-Kinokulturhaus zu sehen. Am Todestag am 17. Oktober veranstaltet die Autorin Barbara Kaufmann um 20 Uhr in der Roten Bar mit dem Volkstheater-Ensemble die Leseperformance „Die Verhöre der Ingeborg Bachmann“.)

(APA)

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