"Sommernachtstraum" bejubelt, Burgtheater-Saison eröffnet

Ostentative Müdigkeit kann auch ermüden. Ausgerechnet beim Saisonauftakt war am Sonntag im Burgtheater weniger frische Energie als deutliche Ermattung zu spüren. Auf der Bühne war das gewollt, hatte Regisseurin Barbara Frey Shakespeares „Sommernachtstraum“ doch mehr in Watte gepackt als im Athener Wald angesiedelt, doch war die Müdigkeit ansteckend und in den zweieinviertel Stunden das eine oder andere Gähnen im Publikum zu vernehmen. Gejubelt wurde am Ende dennoch ausgiebig.

Frey hat als Ruhrtriennale-Intendantin in jedem Jahr auf eine Koproduktion mit dem Burgtheater gesetzt. Nach Edgar Allan Poe („Der Untergang des Hauses Usher“) und Arthur Schnitzler („Das weite Land“) widmete sie sich heuer Shakespeare. „Ein Sommernachtstraum“ passe als ein „Stück der Stunde“ in die aktuelle krisengeschüttelte Zeit, hatte sie verkündet, und was Bühnenbildner Martin Zehetgruber vor drei Wochen in die riesige einstige Kraftzentrale im Landschaftspark Duisburg-Nord gestellt hatte, erinnerte eher an eine von Menschen hinterlassene Abfallhalde als an einen von Elfen bewohnten Wald, in dem mittels Zauberkräften und Zaubersäften mit Gefühlen jongliert wird.

Die Übersiedlung der Bühne von den großen Industriehallen ins Burgtheater war in der Vergangenheit immer ein gewisses Problem gewesen, diesmal geht weniger die Dimension denn die Konzeption nicht ganz auf. Zwischen ein paar einzelnen Bäumen liegende Autowracks und Industriecontainer spiegeln mehr das Ruhrgebiet denn die Ringstraße wider – und doch lässt sich das Ambiente problemlos als zivilisationskritischer Kommentar verstehen. Den Grundgedanken der Inszenierung zu entschlüsseln, die radikal auf die Tempobremse steigt, alles sehr gedämpft ablaufen und die Figuren stellenweise wie ferngesteuert agieren lässt, ist schon deutlich herausfordernder.

Stellenweise wähnt man sich in einem von David Lynch ersonnenen bösen Traum, das unheimliche Elfen-Paar von Gunther Eckes und Sabine Haupt erinnern an die gruseligen Zwillinge in Stanley Kubricks „Shining“, und Elfenkönigin Titania sieht mit engem Kleid und Hochsteck-Frisur verdammt nach Marge Simpson aus. In Barbara Freys melancholischem Fantasiereich ist alles möglich und Gender-Cross-Besetzung ganz normal. Deshalb gelingt Markus Scheumann als verliebte Titania ein berückendes Kabinettstück der Schauspielkunst (das er später als straight besetzter Theseus kontrastiert), ist Sylvie Rohrer als Elfenkönig Oberon Strippenzieher, Dorothee Hartinger ein eher mürrischer Puck und Marie-Luise Stockinger neben dem jungen Athener Bürger Lysander auch der Handwerker Schnock.

Die Irrungen und Wirrungen junger Liebe, deren Unbedingtheit sich jäh von einem zum anderen Objekt zuwenden kann, kommen unter diesen Umständen deutlich zu kurz. Meike Droste, Lili Winderlich und Langston Uibel haben wenig Chance, die Fallhöhe zwischen Lieben und Leiden deutlich auszumessen. Deutlich mehr Raum bekommen die Handwerker, bei denen Oliver Nägele als ausgebuffter Theaterprofi Zettel den Abräumer gibt. Das hat Wahrhaftigkeit und Komik, und von Letzterer deutlich mehr als so mancher Kritiker in Duisburg zu entdecken vermochte.

Am Ende zeigt sich König Theseus von der von der Laienspieltruppe vorgebrachten Tragödie um Pyramus und Thisbe, die von Live-Musiker Josh Sneesby mit einer Dauerschleife der Anfangstakte von Dave Brubecks „Take Five“ untermalt wird, zwar angetan, verzichtet jedoch auf den angebotenen Epilog zugunsten eines Bergamasker Tanzes. Für diesen begibt er sich sogar gemeinsam mit seiner Gattin persönlich auf die Disco-Tanzfläche – in Slow Motion natürlich.

Dieser „Sommernachtraum“ war weder traumhaft noch traumatisch. Eines ist gewiss: Die Burgtheater-Saison wird nach diesem mit Geschwindigkeitsbegrenzung absolvierten Auftakt sicher noch Fahrt aufnehmen.

(S E R V I C E – „Ein Sommernachtstraum“ von William Shakespeare, Deutsch von Angela Schanelec, Jürgen Gosch und Wolfgang Wiens. Regie: Barbara Frey, Bühne: Martin Zehetgruber, Kostüme: Esther Geremus. Musik: Barbara Frey, Josh Sneesby, Mit Markus Scheumann, Sylvie Rohrer, Gunther Eckes, Marie-Luise Stockinger, Langston Uibel, Lili Winderlich, Meike Droste, Oliver Nägele, Sabine Haupt und Dorothee Hartinger. Koproduktion mit der Ruhrtriennale, Burgtheater, Nächste Vorstellungen am 6., 9., 18. und 23. September. )

(APA)

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