Saint Privat ist zurück mit beschwingter Melancholie

Klaus Waldeck gehört zu den heimischen Elektronikpionieren der ausklingenden 90er-Jahre und ist als Waldeck seither einer der erfolgreichsten Musiker des Genres. Nach eineinhalb Jahrzehnten Pause hat er nun sein frankophiles Seitenprojekt Saint Privat mit Sängerin Valerie Sajdik wiederbelebt. „Après la Boheme“ heißt das neue Album, das zwischen Beschwingtheit und Melancholie changiert und einen durchaus „cineastischen Ansatz“ verfolgt, wie der Künstler im APA-Gespräch meint.

Es war kurz nach der Jahrtausendwende, als sich Waldeck und Sajdik – beides studierte Juristen – auf einer Hochzeit über den Weg liefen. Schnell beschloss man, gemeinsam ins Studio zu gehen. Als Saint Privat veröffentlichte das Duo zwei durchaus erfolgreiche Alben: „Riviera“ (2004) und „Superflu“ (2006). Danach war Schluss. „Es war kein Rosenkrieg, aber doch ein spürbarer Bruch“, erinnert sich Waldeck im Rückblick. „Valerie ist damals in Richtung Deutschpop gegangen, das war nicht unbedingt mein Ding.“ Rund zehn Jahre später hat seine frühere künstlerische Partnerin dann bei Waldeck angeklopft mit dem Vorschlag, doch wieder was zu machen. Gedauert bis zur konkreten Arbeit an einer neuen Platte hat es dann noch einmal drei Jahre. „Mir hat zunächst die Vision gefehlt, wo wir überhaupt anschließen wollen.“ Unterm Strich sei es nach so vielen Jahren ein Sprung ins kalte Wasser gewesen, was Waldeck aber als „erfrischend und aufregend“ empfand im Gegensatz zu „einer langjährigen Ehe, wo man genau weiß, was auf einen zukommt und wie der Partner dann reagiert“.

Der Sprung hat sich ausgezahlt. „Après la Boheme“ – veröffentlicht auf Waldecks eigenem Label Dope Noir Records – umfasst ein Dutzend schöner, melodieverliebter Dreiminüter. Der Bogen spannt sich vom swingenden Opener „Regarde-moi Joe“ bis zum jazzig-lautmalerischen „Bossa Casanova“, vom schwermütigen „Le Tailleur de Pierre“ bis zum Feel-Good-Pop von „Toi et moi“. Romantik und „einen fast nostalgischen psychedelischen Charakter“ schreibt Waldeck selbst dem Album zu. Durch die Textlastigkeit gibt es freilich auch einen starken Bezug zum klassischen französischen Chanson. Immerhin verehren beide Saint-Privat-Hälften Charles Aznavour. Und was hat es mit dem Albumtitel auf sich? „Der spielt mit dem Klischee des Künstlers, seiner gefühlten Freiheit, dem Sich-Austoben und dem Ankommen in einer späteren Lebensphase, vielleicht auch verbunden mit einer gewissen Katerstimmung.“

Allerdings klingen die neuen Tracks so gar nicht nach Midlife-Crisis, Trauer oder Weltschmerz, sondern oft leichtfüßiger, verspielter und weniger nach Soundbastelei als jene der Vorgängeralben. „Vor allem das erste Album war noch stark von Loops geprägt, von einfacheren Strukturen. Heutzutage befriedigt mich die Arbeitsweise mit Musikern mehr“, sagt Waldeck. Insofern gibt es auf den neuen Nummern nur noch „kleine elektronische Versatzstücke“. Das hat auch damit zu tun, dass Waldeck – Jahrgang 1966 – sich mit dem Klavier, das er schon im Kindesalter gelernt hat, „inzwischen angefreundet“ hat. „Im später Alter von 50 habe ich angefangen, wieder Unterricht zu nehmen und habe mir einen Flügel gekauft“. Auf dem sind die Songskizzen entstanden, Valerie Sajdik, zweisprachig aufgewachsen, hat dann die – bis auf kleine englische Einsprengsel – ausnahmslos französischen Lyrics beigesteuert.

Woher kommt seine Frankophilie eigentlich? „Das Schulfranzösisch war es jedenfalls nicht“, lacht Waldeck. Er könne nur spekulieren. Es habe wohl damit zu tun, dass er als „junger Jugendlicher“ gerne Filme mit Pierre Richard oder Louis de Funès geschaut. „Der kann ein bisschen nervig sein manchmal, aber was all diese Filme gemeinsam haben: Die Musik hat einen ganz zentralen Stellenwert, offenbar hat mich das beeinflusst.“ Wenig überraschend, dass er beim Komponieren – wie übrigens schon bei seinen letzten Soloalben – einmal mehr einen „cineastischen Ansatz“ verfolgte. „Die Harmonien und Melodien sollten in eine Richtung gehen, wo man sich vorstellen kann, dass man das auch in einem französischen Film hören kann.“

Zwar nicht ins Kino, aber immerhin in die erfolgreiche Netflix-Serie „Emily in Paris“ hat es das Stück „Boom Boom Click“ bereits geschafft. Und auch in Cannes wurde es als Soundtrack für das Defilee der Stars am Roten Teppich benutzt, freut sich Waldeck. Am Konto schlägt das kaum zu Buche. Für das Filmfestival gibt es kein Geld, für die Serienpräsenz auch nicht wahnsinnig viel. „Die Filmindustrie hat sich seit Streaming total gewandelt. Die Lizenzzahlungen, die beim Label oder beim Künstler landen, sind um den Faktor 10 zurückgegangen. Früher hatte man finanziell ein bisschen Luft für neue Produktionen, jetzt denkt man sich ‚eh nett'“, meint der Musiker, dessen Lieder auch schon in der Serie „Grey’s Anatomy“ oder in Werbeclips von Versace oder Mercedes eingesetzt wurden.

Zu „Boom Boom Click“ gibt es noch eine weitere Anekdote. Denn die Nummer dreht sich um die wahre Geschichte der Chansonsängerin Claudine Longet, die Mitte der 70er-Jahre ihren Lebensgefährten erschoss. Durch einen Verfahrensfehler habe sie aber nur einige Wochen im Gefängnis verbringen müssen – „und das auch nur am Wochenende“, erzählt Waldeck und fügt lakonisch hinzu: „Später hat sie den Rechtsanwalt geheiratet, der sie verteidigt hat.“ Einer von Longets Liedern ist „Nothing to lose“ aus dem Soundtrack von Peter Sellers Film „The Party“ aus 1968. „Eine Coverversion davon war die allererste Nummer, die ich mit Valerie aufgenommen habe.“ Damit verbinde „Boom Boom Click“ gewissermaßen die Vergangenheit mit der Gegenwart von Saint Privat.

Und wie sieht die Zukunft von Saint Privat aus? „Wir gehen ohne große Erwartungshaltung ran“, zeigt sich Waldeck entspannt. Es sei ein guter Moment um auszuloten, ob neben seinem Soloprojekt daraus so etwas wie ein zweites Standbein werden könnte. Großen Druck scheint er sich aber nicht zu machen – und bemüht noch einmal Claudine Longet: „‚Nothing to lose‘ ist auch ein schönes Motto für dieses Projekt.“

(Das Gespräch führte Thomas Rieder/APA)

(S E R V I C E – Albumpräsentation am 14. und 15. September im Wiener Rabenhof; )

(APA)

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