Die britische Rockband Idles legte am Mittwoch einen denkwürdigen Abend in der Wiener Arena hin. Sänger Joe Talbot und seine vier Kollegen, die sich seit ihrem Debüt „Brutalism“ im Jahr 2017 eine stetig wachsende Fanschar erspielt haben, pushten das Publikum von der ersten Sekunde an.
WiDabei galt in den späten Nachmittagsstunden die volle Aufmerksamkeit vieler Besucherinnen und Besucher vorwiegend dem Himmel, war doch eigentlich just zu Konzertbeginn ein Wetterumschwung erwartet worden. Stattdessen hielt sich die schwüle Sommerhitze und bereitete nicht nur der hervorragenden Vorband Ditz (ebenfalls aus den UK, ebenfalls mit harschen Gitarren, intensivem Drumming und rauen Vocals) einen passenden Rahmen. Als um kurz nach 21.00 Uhr die Lichter für Talbot und Co angingen, gab es trotz des eher gemächlichen Beginns mit „Colossus“ kein Halten mehr. Wer die Nummer kennt, weiß schließlich: Es ist nur die Ruhe vor dem Sturm, das falsche Wiegen in Sicherheit, bevor die Hölle losbricht.
Einmal quer durch die Diskografie
Insofern war es auch nicht verwunderlich, dass Gitarrist Lee Kiernan schon in den ersten Minuten das Bad in der Menge suchte – natürlich inklusive seines Instruments. Saitenpartner Mark Bowen, der im langen, gelben Gewand den Sonnenanbeter gab, sollte es ihm später gleichtun, während Talbot in unnachahmlicher Manier seine Kreise im Bühnenzentrum zog, wütend die einzelnen Zeilen ausspuckend, um mit einer kleinen Handbewegung die tobende Menge mal hierhin, dann dorthin zu lenken. Er sei der „beste Cheerleader auf dem Planeten“, hatte er vor dem Gig im APA-Gespräch festgehalten. Tja, wie kann man ihm bei so einer Darbietung widersprechen?
In gut eineinhalb Stunden ging es einmal quer durch die Diskografie der Idles, wurde das krachende „Mother“ vom ersten Album ebenso abgefeiert wie das Quasi-Titelstück „Crawl!“ vom 2021 erschienenen „Crawler“ oder das Gift und Galle spuckende „I’m Scum“. So heftig das alles rüberkam, vergas das Quintett dabei nicht auf einzelne Inseln der Ruhe, holte die aufgeheizte Meute damit runter, nur um sie im Handumdrehen die nächste Klippe runterstürzen zu lassen. Aufstacheln zum nächsten Moshpit? Den König verunglimpfen? Alles Kleinigkeiten für diese Herren, die als eingespieltes Team einen Sieg auf ganzer Linie einfuhren und gleichzeitig bewiesen, wie wenig eigentlich für eine gelungene Show notwendig ist.
Wütend, aber glücklich: Rockband Idles begeisterte in der Arena Wien
Denn abgesehen von einer ziemlich reduzierten Lichtshow und dem überdimensionalen Idles-Schriftzug im Bühnenhintergrund wurde durch nichts abgelenkt von dem, was eigentlich zählt: die Musik und die Menschen, die diese zelebrieren – und zwar auf beiden Seiten des Bühnengrabens. Dass Idles zudem eine nicht zu überhörende sozialkritische Ader haben, wurde nicht nur beim Hit „Danny Nedelko“ deutlich, den Talbot allen Immigranten widmete. Gegen Ausbeutung, gegen Kapitalismus, gegen jede Form von Sexismus, Gewalt oder Unterdrückung trat man auf, und das ziemlich eindeutig.
Zum großen Finale brach dann wieder die Lust am Chaos durch, als sich die Anheizer Ditz zu ihren Mentoren gesellten und mit vier Gitarren, zwei Bässen und jedem nur greifbaren Percussionsinstrument um die Wette musiziert wurde. Mehr, mehr, mehr lautete das Motto, was wohl auch dem Publikumswunsch bei dieser ausverkauften Open-Air-Show entsprochen haben dürfte. Aber alles hat einmal ein Ende, so auch dieses erinnerungswürdige Konzert. Das abgestumpfte Ritual aus Abgang, Applaus und ohnehin geplanter Zugabe spielen Idles übrigens nicht. Lieber mit einem lauten Knall enden. Verständlich. Diese wütende, aber offensichtlich sehr glückliche Band geht eben keine Kompromisse ein.
APA
(APA/Red.)
Quelle: Lesen Sie Vollen Artikel