Leopold Museum zeigt üppige Retrospektive zu Max Oppenheimer

Fast 30 Jahre sind seit der letzten großen Ausstellung zum Werk von Max Oppenheimer in Wien vergangen. Nun kann man im Leopold Museum wieder eintauchen in die Welt dieses „Expressionisten der ersten Stunde“, wobei die Retrospektive mit über 170 Arbeiten äußerst üppig ausgefallen ist. Ausgehend von seinen Porträts über Künstlerfreund- und -feindschaften bis zu Musik und Religion, lernt man einen gebildeten Maler kennen, der „durchaus auf Provokation“ aus war.

So beschrieb ihn Museumsdirektor Hans-Peter Wipplinger bei einem Rundgang durch die Schau Donnerstagvormittag. Oppenheimer, 1885 in eine kunstaffine, jüdische Familie in Wien geboren, kam früh mit unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksformen in Berührung. Noch vor seinem Studienabschluss an der Akademie stellte er 1906 erstmals in der Secession aus, was Studierenden eigentlich nicht gestattet war. Damit begann auch sein Eintritt in die kulturellen Sphären der Stadt, die sich nicht zuletzt in zahlreichen Porträts von bekannten Persönlichkeiten wie Arnold Schönberg, Anton Webern, Adolf Loos oder der Gebrüder Mann manifestieren sollte.

Während ein Gemälde Sigmund Freuds noch im klassischen Stil gehalten war, zeigte sich schnell Oppenheimers Interesse an der „Psychologisierung des Antlitz“ (Wipplinger). Ihm ging es um einen Blick hinter das Offensichtliche, sollte sich doch die Seelensuche in den Werken widerspiegeln. Ein Ansatz, der ihn mit Oskar Kokoschka verband: Aus der anfänglichen Freundschaft mit seinem Zeitgenossen wurde aber schnell eine erbitterte Rivalität, der ein eigener Raum in der von Wipplinger kuratierten und bis Februar zu sehenden Präsentation gewidmet ist. Deutlich weniger konfliktbeladen war da die Beziehung zu Egon Schiele, dessen Porträt Oppenheimers auch den Ausstellungskatalog ziert. Die beiden teilten nicht nur stilistische Vorlieben, sondern sogar das Atelier – bis hin zum Papier: Auf der Rückseite einer Zeichnung Oppenheimers, die gezeigt wird, findet sich nämlich ein schon mehrfach ausgestelltes Schiele-Werk.

Doch Oppenheimer war nicht nur den weltlichen Erscheinungen in Form von Intellektuellen und Kunstschaffenden (eine besondere Nähe hatte er zur Musik) zugetan, sondern näherte sich auch religiösen und mythologischen Themen. Allen voran das Leiden spielt in großformatigen Werken wie „Simson“ oder „Geißelung“ eine Rolle, was sich nicht zuletzt mit dem aufkommenden Antisemitismus jener Zeit sowie der Ausgrenzung Oppenheimers aufgrund seiner Homosexualität erklären lasse. Auch eine von Kokoschka initiierte Kampagne gegen ihn dürfte hier hineingespielt haben.

Hoffnungsvollere Saiten werden angeschlagen, wenn sich Oppenheimer der Musik oder dem Berlin der 1920er widmet: Unzählige Werke zeigen Streichquartette in Gesamt- und Detailansicht, wobei der Künstler Experten zufolge größten Wert auf korrekte Griffhaltungen legte. Immerhin war er selbst erfahrener Violinist. Es ist eine farbenprächtige Lebendigkeit, die im harten Kontrast zur monochromen Farbwelt der Porträts steht. Auch Szenen aus Berlin, von den Radfahrern beim „Sechstagerennen“ über eine dynamisch gestaltete „Schachpartie“ bis zur „Eisrevue“, versprühen Leichtigkeit und Optimismus – Dinge, die Oppenheimer wohl auch aufgrund seiner prekären finanziellen Lage nicht immer erlebt haben dürfte.

Durch den Aufstieg der Nationalsozialisten sah er sich letztlich gezwungen, über die Schweiz nach New York zu fliehen, wobei er etliche seiner Arbeiten und Besitztümer zurücklassen musste. Von den Nazis wurden seine Werke als „entartet“ bezeichnet, viele wurden zerstört oder gelten bis heute als verschollen. Das traf bis vor kurzem auch auf ein relativ düster gehaltenes „Selbstbildnis“ von 1911 zu, das im Frühjahr bei einer Auktion in Köln auftauchte. Nachdem die Erben nach Oskar Reichel Ansprüche erhoben hatten, wurde es von der Versteigerung zurückgezogen. Das Leopold Museum konnte sich schließlich mit allen Beteiligten auf einen Ankauf einigen, womit das Werk nach über 100 Jahren erstmals wieder öffentlich zu sehen ist.

Wipplinger geht davon aus, dass künftig noch mit weiteren Überraschungen zu rechnen ist. Alleine in der Schau seines Hauses seien etwa fünf Arbeiten, die nicht im aktuellsten, Mitte der 1990er veröffentlichten Werkverzeichnis aufscheinen. „Ich bin der Überzeugung, dass noch einiges auftauchen wird“, erklärte er der APA am Rande der Presseführung. Von einigen verschollenen (oder zerstörten) Bildern gebe es immerhin noch Abbildungen oder Vermerke, allerdings lasse sich keineswegs sagen, ob damit alles abgedeckt ist. Das Faszinosum Max Oppenheimer wirkt also weit über seinen Tod 1954 hinaus.

(S E R V I C E – Ausstellung „Max Oppenheimer. Expressionist der ersten Stunde“ von 6. Oktober bis 25. Februar 2024 im Leopold Museum, Museumsplatz 1, 1070 Wien, tägl. außer Dienstag von 10-18 Uhr, auch an Feiertagen geöffnet; Katalog zur Ausstellung, hrsg. von Hans-Peter Wipplinger, Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König, 336 Seiten, 39,90 Euro. )

(APA)

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