Die ungarische Kleinstadt Veszprém konnte sich im Wettbewerb um den Titel Kulturhauptstadt Europas gegen eine starke Konkurrenz durchsetzen, erinnert sich Mihály Müller, Pressechef des Programmes Veszprém-Balaton-Bakony Kulturhauptstadt Europas 2023, im APA-Gespräch. „Unsere Wettbewerbsgegner waren die weit größeren ungarischen Städte Debrecen und Györ. Doch Veszprém mit seinen 60.000 Einwohnern gewann den Kampf David gegen Goliath.“
Der Grund sei das konzertierte Antreten gewesen: „Ein Pluspunkt für uns war, dass sich Veszprém gemeinsam mit der umliegenden Region Balaton und Bakony um den Titel bewarb.“ 116 Städte und Dörfer der Region haben sich zusammengeschlossen und damit rund 300.000 Menschen ins Rennen geworfen. Diese Vereinigung umfasst die zentralen Gegenden des Balaton und des Bakony-Gebirges.
Das Budget des Kulturhauptstadt-Jahres beträgt 74 Milliarden Forint (rund 20 Mio. Euro). 72 Milliarden kommen aus dem ungarischen Staatshaushalt, zwei Milliarden wiederum von den beteiligten Städten und Gemeinden. Weiter gab es eine Anschubfinanzierung von 1,5 Millionen Euro aus Mitteln des EU-Kulturförderprogrammes „Creative Europe“.
„Das Antlitz der Stadt Veszprém hat sich verändert. Auch durch Projekte, die leer standen, vernachlässigt waren und in die erneut kulturelles Leben einziehen konnte. Ein gutes Beispiel ist das Kulturbistro ‚Papirkutya'“, so Müller.
Erfolgreich auch das Projekt Privat-Veszprém. Es präsentiert eine 150-jährige Stadtgeschichte, erzählt mittels der Geschichten einzelner Veszprémer Familien. So die der Apothekerfamilie, die die erste Apotheke der Stadt namens „Schwarzer Adler“ betrieb. Ganz in der Nähe gab es im 19. Jahrhundert einen Barbiermeister, der in einem Tagebuch die Ereignisse der Stadt und ihre Menschen verewigte. Vorgestellt wird auch die Geschichte des jüdischen Arztes Dr. Jenö Rosenberg, Arzt der Armen. Die Konditorei Mackó wiederum war einst ein Tanzcafé, das als Broadway von Veszprém bezeichnet wurde. Denn die Besucher des in der Nähe gelegenen Theaters kehrten nach der Vorstellung hier ein. In dem Gebäudekomplex gab es auch ein Casino und ein Hotel.
Müller gesteht zu, dass die Veszprémer der Eröffnung des Kulturhauptstadt-Projektes mit großen Zweifeln und mit Aufregung entgegensahen. „Da gab es viele Fragezeichen in der Bevölkerung – ist das kleine Veszprém wirklich fähig, das durchzuziehen? Die Eröffnung im Jänner wurde jedoch zu einem wirklichen Volksfest und überzeugte auch die letzten Zweifler, Veszprém hat es geschafft.“
Zufriedenheit herrscht auch mit der bisherigen Besucherzahl. Im April/Mai trafen mehr Gäste ein als im Ganzen Sommer 2022, rund 60 Prozent mehr aus dem Ausland. Vor Start des Kulturhauptstadt-Jahres war die Hotelkapazität im Rahmen des Entwicklungsprogrammes erweitert worden.
An diesem Wochenende geht das „Bondoro Straßentheater Festival“ Balatonalmádi über die Bühne, das bereits zum fünften Mal stattfindet und heuer ein erweitertes Programm zeigt. Von 18. bis 27. Juli stehen dann die „Veszprémer Tage der Alten Musik“ auf dem Programm, die heuer ihr zehnjähriges Jubiläum in der barocken Jesuitenkirche feiern. Im August wird das „Margofest“ im nur 300 Einwohner zählenden Ort Szentgyörgyvár stattfinden. Das Programm reicht von Literatur über Konzerte und Ausstellungen bis hin zu Filmvorführungen.
Am 7. Juli will man mit dem Orchester und dem Chor der Ungarischen Staatsoper gemeinsam mit örtlichen Chören Gustav Mahlers „Symphonie der Tausend“ mit wörtlich Tausend Teilnehmenden intonieren. Das Festival für den Lokalmatador, den Geigenstar des 20. Jahrhunderts, Leopold von Auer, würdigt von 1. bis 6. August die Kunst der Violine, während man beim Festival Balkan:Most von 7. bis 9. September nicht nur die Musik der Region bis zum Schwarzen Meer, sondern auch deren Kulinarik feiert. Und um Kulinarik geht es auch von 20. bis 22. Oktober bei einer verlängerten „Nacht der Cafés“, bei der man das Kulturgut Kaffeehaus mit allerlei kulturellen Aktivitäten in Veszprém hochleben lässt.
Alles in allem gestaltet sich das Kulturhauptstadtjahr in der erweiterten Region aber sehr musiklastig. Und das soll auch in der weiteren Zukunft so bleiben. Klingt das Kulturhauptstadt-Jahr am 31. Dezember aus, gibt es sehr ambitionierte Ziele. „Es geht uns vor allem um die Pflege der starken Musik-Traditionen der Stadt. Bis 2030 soll es in Veszprém verglichen zur Einwohnerzahl die meisten musizierenden Menschen Ungarns geben“, betonte Müller im APA-Gespräch.
(S E R V I C E – )
(Das Gespräch führte Harriett Ferenczi/APA)
(APA)
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