- Jendrik Sigwart aus Hamburg wird Deutschland am 22. Mai beim Eurovision Song Contest in Rotterdam vertreten.
- Sein Song „I Don’t Feel Hate“ ist eine Botschaft gegen Hass und Diskriminierung, verpackt in einen fröhlichen Pop-Song.
- Im Interview mit unserer Redaktion spricht der 26-Jährige über seine Ziele beim ESC, die polarisierenden Reaktionen auf seinen Song und verrät seinen Lieblingsmoment beim europäischen Gesangswettbewerb.
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Jendrik wirkt ziemlich aufgedreht während des Zoom-Interviews mit unserer Redaktion. Der Sänger und Musicaldarsteller trägt einen Pullover mit weißen Comic-Katzen vor einem Weltraum-Hintergrund, er beginnt zu singen und spielt auf seiner Ukulele.
Die Vorfreude auf seinen Auftritt beim ESC in Rotterdam, wo er Deutschland vertreten wird, ist dem 26-Jährigen anzumerken. Aber Jendrik kann auch ernst sein. Er holt sein Smartphone hervor und liest eine Hassnachricht vor, die er über die sozialen Netzwerke erhalten hat. Und genau darum geht es Jendrik, er möchte nicht nur möglichst viele Punkte für Deutschland holen, sondern auch eine Botschaft gegen Hass senden.
Jendrik, dein Song heißt „I Don’t Feel Hate“. Verspürst du wirklich nie Hass?
Jendrik Sigwart: Nein! Natürlich nicht (lacht). Kein Mensch kann so utopisch sein zu sagen, dass er keinen Hass verspürt. Deshalb habe ich den Song ja auch geschrieben. Als Reminder an mich selbst, dass ich in solchen Momenten, wo ich Hass verspüre, zu mir selbst sagen kann: „Moment Jendrik, du hast doch da so einen Song geschrieben…“ Da versuche ich mich dann immer dran zu erinnern. Aber ja, ich bin kein Mensch, der nie Hass spürt.
„Hass ist der Auslöser der meisten Probleme“
Warum ist es dir so wichtig, eine Botschaft gegen Hass zu senden?
Hass ist der Auslöser der meisten Probleme. Oft sind es Missverständnisse, die zu Diskussionen und Streit führen, das sind Situationen, in denen sich Menschen gegenseitig hochschaukeln. Wenn man zu einer Person, die scheiße zu einem ist, sagt: „Hey, was du machst verletzt mich, aber ich möchte dich nicht zurückverletzten“, führt das oft zur Lösung des Problems. Das habe ich aus eigener Erfahrung schon oft bemerkt. Dadurch kommt man oft wieder ins Gespräch.
Ist dein Song in Zeiten von Social Media eine Anleitung zur Selbsthilfe?
Ja! Durch Corona finden die Diskussionen und der Hass noch mehr online statt. Da ist der Song aus meiner Sicht die richtige Message.
Du engagierst dich gegen Hass, Mobbing und Diskriminierung und bekommst nun beim ESC eine riesige Bühne für deine Botschaft. Was bedeutet dir das?
Das ist doch geil, dass ich mit einer guten Message, die ich zu 100 Prozent vertrete und die ich wichtig finde auf eine Bühne treten kann, die von 100 Millionen Menschen gesehen wird. Der ESC ist ein Kindheitstraum. Ich finde es so faszinierend, dass der ESC so farbenfroh ist und dass dort Menschen zusammenkommen, die sein können, wie sie wollen. Egal ob auf der Bühne oder im Publikum. Egal aus welchem Land, egal welche Hautfarbe, egal welche Sexualität, egal mit welchem Gender du dich identifizierst, egal wie du auftrittst. Alle kommen zusammen und feiern Diversity und Community zusammen. Das finde ich am ESC so besonders.
„Freue mich einfach drauf“
Ganz Europa wird auf dich schauen. Bist du schon aufgeregt?
Vorfreude! Gerade ist es noch Vorfreude. Ich kann mir schon vorstellen, dass ein, zwei Tage vorher die Aufregung dazukommt, aber jetzt freue ich mich einfach drauf.
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Wie bereitest du dich auf einen Auftritt vor?
Ich fahre jeden Tag ins Tanzstudio, um den Song zweimal inklusive Choreographie durchzusingen. Damit die Kondition da ist.
Also können wir eine aufwendige Perfomance erwarten?
Aufwendig würde ich nach meiner Einschätzung nicht sagen. Aber eine mit Choreo und Spaß.
Kannst du etwas verraten?
Nö. (lacht)
“ Ich schaue den ESC schon viele Jahre“
Bist du selbst großer ESC-Fan?
Ja! Ich habe den ESC als Kind immer mit meiner Familie geschaut. Und im Studium hat ein Freund immer ein riesen Event mit eigener Abstimmung daraus gemacht. Ich schaue den ESC also schon viele Jahre.
Was waren deine Lieblingsmomente beim ESC?
Beim ESC selbst war es der Sieg von Alexander Rybak 2009, weil ich früher auch Geige gespielt habe. Ich fand es mega beeindruckend, dass die Geige in der Popmusik benutzt werden kann. Privat waren es die Partys, die wir während des ESC gefeiert haben. Die waren immer schön.
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Lena Meyer-Landrut, Guildo Horn oder Stefan Raab sind einige bekannte deutsche ESC-Teilnehmer. Gab es Kontakt, oder wirst du dir von ihnen etwas abschauen?
Nein, es gab keinen Kontakt und ich versuche mir auch nichts abzuschauen. Dann wäre ich ja nicht mehr ich selber, ich will lieber mein eigenes Ding machen.
Wie bei Stefan Raab ist die Ukulele auch dein bevorzugtes Instrument. Wie kam es dazu?
Die Ukulele lag auf dem Geburtstagstisch meiner Schwester. Dann habe ich sie in die Hand genommen und seitdem hat sie die Ukulele nie mehr wieder gesehen (lacht). Ich habe angefangen, Ukulele zu spielen und mich sofort verliebt. Ich habe täglich gespielt und meine Familie damit genervt.
„Das Publikum fehlt mir“
Wegen der Corona-Pandemie konntest du deinen Song bisher noch nicht einem größeren Publikum präsentieren. Fehlt dir das direkte Feedback?
Das letzte Mal habe ich ihn beim Vorentscheids-Finale vor dem Kamera-Team und den anderen Künstlerinnen und Künstlern gespielt. Das Publikum fehlt mir natürlich, aber das Feedback bekomme ich ja im Internet (lacht). Ich habe mich schon dran gewöhnt, dass man am Ende des Songs keinen Applaus bekommt, sondern dass einfach jemand sagt: „Ey geil, lass uns weiter machen.„ Das ist irgendwie schon Standard geworden.
Du hast zwei unabhängige Jurys überzeugt, dass du der richtige Kandidat für den ESC bist. Wie lief das ab?
Es waren mehrere Runden, in denen eine 20-köpfige Experten-Jury und eine 100-köpfige Jury aus ESC-Zuschauern uns bewertet hat. Sie haben die Videos der Songs zugeschickt bekommen und sie wie beim ESC mit Punkten von eins bis zwölf bewertet. Aber das Besondere bei dem Prozess war, dass der Algorithmus die Songs besser bewertet hat, die polarisieren.
„Für einen durchschnittlichen Song rufen die Leute nicht an“
Wenn ein Song durchschnittlich sechs oder sieben Punkte bekommen hat, wurde der Song schlechter bewertet als einer, der durchschnittlich zwölf oder einen Punkt bekommen hat. Weil der NDR lieber Songs möchte, die entweder zwölf oder nur einen Punkt bekommen. Denn dann rufen die Leute an. Für einen durchschnittlichen Song rufen die Leute nicht an.
„I Don’t Feel Hate“ polarisiert auch bei den Reaktionen im Netz stark. Hast du ihn bewusst so geschrieben?
Nein, bewusst habe ich da gar nichts geschrieben. Ich habe den Song so geschrieben, weil ich ihn so gefühlt habe. Als er dann fertig war, habe ich gedacht: „Boah, der passt perfekt zum ESC.“
Was ist dein Ziel für den ESC?
Der erste Platz natürlich! (Jendrik macht eine kurze Pause und überlegt) Natürlich will ich Erster werden, aber ich wäre mit dem letzten Platz auch nicht unzufrieden, weil ich meinen Traum, beim ESC mitzumachen, schon erreicht habe.
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