Höhner-Frontmann Henning Krautmacher gesteht: "Mein Nachfolger ist ein besserer Sänger als ich"

  • Seit seinem 65. Geburtstag Anfang März tritt Henning Krautmacher kürzer, ehe er sich Ende des Jahres komplett als Frontmann der Höhner zurückziehen möchte.
  • Im Interview mit unserer Redaktion erklärt der Sänger der kölschen Kult-Band, warum ein Rücktritt vom Rücktritt für ihn nahezu ausgeschlossen ist.
  • Zudem spricht er über seinen geplanten Roman, seine Koch-Leidenschaft und seine Auffassung, auch in Zeiten des Krieges „für einen Moment Freude am Leben“ zu übertragen.

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Herr Krautmacher, Sie haben angekündigt, nach ihrem 65. Geburtstag kürzertreten zu wollen. Dieser Stichtag war der 5. März. Wurden die ersten Schritte demnach bereits eingeleitet?

Henning Krautmacher: Es gibt für alles irgendwelche Lebensweisheiten. Hierzu passt: Der Geist ist/war willig, das Fleisch ist … (lacht). Nach Karneval bin ich erst einmal ein paar Tage abgetaucht, weil das die einzige Möglichkeit ist, mal zur Ruhe zu kommen. In der Tat ist mein größter Wille, jetzt etwas kürzerzutreten. Das funktioniert allerdings nicht wie mit einem Lichtschalter. Ein/Aus – so etwas gibt es in meinem Beruf nicht. Man muss es machen wie mit einem Medikament und es langsam ausklingen lassen. Man nimmt einfach ein paar Pillen weniger, bis man überhaupt keine mehr braucht.

Welche Pillen, um im Bild zu bleiben, drehen Sie aktuell mit Blick auf die Höhner? Was wollen Sie vor Ihrem Abschied noch bewegen?

Ich möchte nicht nur das Weiterleben der Höhner vorantreiben, sondern auch ehrenamtlicher Natur mit Freude auf eine schöne Jubiläumsparty im Spätsommer hinarbeiten. Schließlich gehöre ich zum Festkomitee. Nach meinen fast 36 Jahren, die ich als Bandmitglied schon auf dem Buckel habe, kann ich natürlich ordentlich mitreden. Die vielen Erinnerungen wollen weitergegeben werden – auch in Form eines Jubiläumsbuches.

Nach ihrem Abschied soll Patrick Lück, der bereits seit Ende 2021 Teil der Band ist, das neue „Oberhohn“ werden. Passen ihm die großen Fußstapfen, die Sie ihm hinterlassen?

Zunächst kann ich nicht wirklich beurteilen, ob meine Fußstapfen wirklich so groß sind. Mir selber passen sie ja, weil ich hineingewachsen bin. Patrick hat jedenfalls ausreichend Erfahrung auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Zudem bringt er alle anderen wichtigen Vorzüge mit, die es braucht, um in der ersten Reihe dieser Band zu stehen: Er ist kontaktfreudig, hat eine tolle Kinderstube, bringt ein beachtliches Organisationstalent mit und ist ein außergewöhnlich guter Sänger. Ich würde sogar noch weiter gehen: Mein Nachfolger ist ein besserer Sänger als ich. In der Theorie könnte ich mich sofort zurücklehnen…

Henning Krautmacher: „Ich bin guter Dinge, dass Patrick einen guten Draht zu den Fans herstellen wird“

Viele Fans sind der Meinung, die Höhner ohne Henning Krautmacher wären wie Köln ohne Dom. Reden Sie Ihre Bedeutung nicht ein wenig zu klein?

Ich will meine 36 Jahre jetzt auch nicht unter den Scheffel stellen und habe durchaus ein gesundes Selbstbewusstsein. Ich bin mir meiner Wirkung schon bewusst. Aber: Niemand kann in die Zukunft sehen, es muss sich zeigen. Es gibt immer zwei Seiten: Die eine liefert, die andere empfängt. Wenn da die Antennen zwischen Patrick und dem Publikum stimmen, dann wird es gutgehen. Ich bin guter Dinge, dass er auch als Frontmann einen guten Draht zu den Fans herstellen wird.

Wären Sie vielleicht sogar ein Stück weit enttäuscht, wenn Ihr Nachfolger zu schnell und zu gut einschlagen würde?

Nein, denn genau das ist ja der Plan. Ich könnte wunderbar damit leben, wenn das Publikum dem „Neuen“ zujubelt. Da werde ich nicht traurig sein. Dieses „Ohne-mich-geht-es-nicht“-Denken ist mir fremd.

Sie sagen, ihr Geist ist willig. Können Sie vor diesem Hintergrund einen Rücktritt vom Rücktritt à la Howard Carpendale ausschließen?

Howard Carpendale wird gerne als Beispiel genannt. Es gibt aber jede Menge andere Künstlerinnen und Künstler, die plötzlich wieder auf der Matte standen. Die Frage lautet doch immer: Wie ernst ist es einem mit der Rücktrittsankündigung? Ich kann nur für mich sprechen und bestätigen, dass ich es sehr ernst meine.

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Warum sind Sie so sicher, dass sich an dieser Einstellung nichts ändern wird?

Wissen kann man es nie, aber meine Überzeugung liegt größtenteils darin begründet, dass ich ja nicht untätig werde, nur weil ich meine Höhner-Ära beende. Ich bin als kleiner Workaholic bekannt – und das stimmt auch. Zudem ist mein soziales Engagement vielfältig. All das gebe ich doch nicht einfach so auf. So werde ich der DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei; Anm. d. Red.) weiterhin zur Verfügung stehen, wenn das gewünscht sein sollte. Ich werde nicht müde, dafür Werbung zu machen, dass Blutkrebs heutzutage heilbar ist. Ich werde nach wie vor dem Lobby-Restaurant nahestehen, meinem Hobby frönen und für die Obdachlosen der Stadt Köln zur Weihnachtszeit kochen. Das mache ich seit nunmehr 20 Jahren.

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Henning Krautmacher: „Ich will einen Roman schreiben“

Ihr soziales Engagement in Ehren: Wäre es nach Jahrzehnten auf der Bühne nicht an der Zeit, auch mal an sich selbst zu denken?

Ganz bestimmt sogar. Ich werde ein paar Dinge angehen, für die ich Höhner-bedingt bislang keine Zeit hatte. Vorrangig denke ich daran, endlich meinen Roman zu schreiben. Es hat sich sogar schon ein namhafter Verlag unaufgefordert bei mir gemeldet, nachdem ich die Idee öffentlich gemacht hatte.

Wie haben Sie reagiert?

Ich habe zurückgerufen und gesagt: „Ihr seid aber mutig. Ihr wisst doch gar nicht, ob ich das überhaupt kann.“

Vielleicht haben die Verantwortlichen die Folge der „Pastewka“-Sitcom gesehen, in der bei Ihrer Autogrammstunde in einem Buchgeschäft der Andrang riesig war, während bei Bastians Buchvorstellung gähnende Leere herrschte …

Ein guter Gedanke, aber es wäre nicht klug, sich darauf zu verlassen (lacht). Das war eine großartige Folge – wie überhaupt die gesamte Serie. Doch zurück zum Schreiben, das mir nicht ganz fremd ist. Ich habe ein paar Jahre meines Lebens als Journalist verbracht, als Redaktionsleiter einer Wochenzeitung. Das Kreative liegt mir schon sehr nahe. Zum Beispiel male ich auch für mein Leben gern.

Apropos Pastewka: Er wird Anfang April 50 Jahre alt. Sind Sie noch in Kontakt und wie sehr vermissen Sie seine Erfolgsserie?

Da wohnen zwei Seelen in meiner Brust. Ich glaube, dass ich der Unglücklichste von allen war, als ich hörte, dass er Schluss macht. Auf der anderen Seite verstehe ich ihn. Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Daher habe ich auch meine eigene Position als Frontmann überdacht. Zu Bastian habe ich nach wie vor einen sehr guten Kontakt. Er ist einfach genial, hat mir vor wenigen Wochen noch einen schönen Aufsatz für unser Höhner-Jubiläumsbuch geschrieben.

Warum schreiben Sie einen Roman und nicht, wie viele andere Promis, eine Autobiografie?

Weil ich glaube, dass sich die Zahl der Interessenten an meiner Biografie im Rahmen halten würde. Alles, was man über mich erfahren will, kann man im Netz nachlesen. Dafür braucht es kein autobiografisches Werk – im schlimmsten Fall auch noch von einem Ghostwriter verfasst. Aber keine Sorge, ich werde schon persönliche Erlebnisse in den Roman einfließen lassen. Natürlich wird es in meinem Erstlingswerk um die Musik, um die Domstadt und den 1. FC Köln gehen. Und ich werde die Brücke von Köln in die Welt schlagen – mit einer kleinen Prise augenzwinkernder Überheblichkeit. Schließlich bin ich davon überzeugt, dass Köln mit den Metropolen New York, Rio, Tokio absolut mithalten kann.

Mutmaßlich auch kulinarisch. Woher rührt eigentlich Ihre Koch-Leidenschaft?

Ich komme aus einem kulinarischen Haushalt. Mein Vater war gelernter Konditor und Koch, und meine Mutter ist die Tochter eines Müllers. Wenn du schon als Kind an den Herd geführt wirst und Spaß daran findest, ist der Grundstein häufig gelegt. So war das bei mir. Wenn man bereits in jungen Jahren Nackenkoteletts eigenhändig panieren und goldbraun ausbacken darf, dann kann das schon prägend sein. Dass ich heute so intensiv koche, hat wiederum damit etwas zu tun, dass ich irgendwann aufgehört habe zu rauchen. Meine Ersatzbefriedigung war dann nicht die Schokolade, sondern ein warmes Süppchen vor dem Hauptgericht. Daher habe ich dann ein Suppen-Buch kreiert.

„Ich habe kölsche Tapas ins Leben gerufen“

Mit Suppen alleine gibt sich der (Hobby-)Koch Krautmacher heute aber nicht mehr zufrieden, richtig?

Das stimmt. Irgendwann hielt bei mir die Kreativität Einzug, kölsche Rezepte zu erfinden. Als begeisterter Spanien-Urlauber bin ich ein großer Tapas-Fan. Da es bei uns so etwas nicht gibt, außer man geht in ein spanisches Restaurant, habe ich kölsche Tapas ins Leben gerufen.

Beispiele?

Was in Spanien Datteln im Speckmantel sind, sind bei uns im Rheinland Prumme („Pflaumen“) im Speckmantel. Da mir der Dom besonders am Herzen liegt, habe ich „LSD“ in die Küche gebracht. Das steht für Leberkäs-Senf-Dömche. Meine jüngste Kreation in Anlehnung an „Himmel un‘ Ääd“ heißt übrigens „Himmel un‘ Äätze mit Spiejel-Ei“. Ich hatte noch tiefgefrorene Erbsen, ein paar Äpfel und Eier (statt Blutwurst bzw. „Flönz“, wie man auf Kölsch sagt) übrig. Ich war erstaunt, wie lecker das geschmeckt hat.

Spricht da der neue Horst Lichter aus Ihnen? Parallelen sind mit Blick auf Kreativität, Schnauzer und Herkunft (Lichter ist ebenfalls Rheinländer) erkennbar. Wie wäre es mit einer neuen Laufbahn als TV-Koch?

Was das Kochen in der Öffentlichkeit angeht, habe ich mir schon die Hörner abgestoßen. Ich stand von Kerner über „Lafer! Lichter! Lecker!“ bis hin zu „Kochen mit Martina und Moritz“ in fast jeder Kochshow am Herd. Es ist auch nicht zu erwarten, dass ich mich nach den Höhnern durch die Talkshows reichen lasse. Hingegen kann ich mir weitere positiv-verrückte Kochbücher durchaus vorstellen. Während meine „kölschen Sushis“ als Buch ein Flop waren, kamen meine Rezepte zu „kölschen Pasta & Pizza“ inklusive meiner Lasagne aus Salat hervorragend an.

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Lassen Sie uns über ein ernstes Thema sprechen: den Krieg gegen die Ukraine. Sollten aus Höhner-Sicht Gute-Laune-Events, wie zuletzt der Karneval, in Zeiten wie diesen abgesagt oder als Bühne für Botschaften genutzt werden?

Diese Frage ist nicht in einem Satz zu beantworten. Seit ich denken kann, hat immer irgendwo auf der Welt mindestens ein Krieg stattgefunden – manchmal so weit von uns entfernt, dass viele Menschen davor ihre Augen verschlossen hatten. Für Deutschland ging es erstmals wieder während des Golfkriegs Anfang der 1990er ans Eingemachte, sprich: Es ging den Menschen hierzulande ans Portemonnaie. Damals wurden die Veranstalter und Künstler gefragt: Wie könnt ihr Karneval feiern, wenn am Golf ein Krieg tobt? Ein paar Jecken sind dennoch auf die Straße gegangen und haben für den Moment die Leichtigkeit des Seins zelebriert. Die Höhner wiederum schrieben in der Zeit den Song „Kumm, loss mer fiere“ („Komm, lass uns feiern“). Was nach einem Partylied klingen mag, ging inhaltlich in eine ganz andere Richtung. Im Songtext heißt es unter anderem „An dä Sorje schunkele mer schon nit vörbei“ („An den Sorgen schunkeln wir schon nicht vorbei“) oder „Denn die Trone, die do laachs, musste nit kriesche“ („Denn die Tränen, die du lachst, musst du nicht weinen“). Das war unsere Antwort damals.

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Wie ist Ihre Antwort heute?

Die ist ähnlich. Wir sind weiterhin der Auffassung, dass es die Möglichkeit zur Kompensation geben muss. Es kann nicht unmoralisch sein, wenn man für einen Moment Freude am Leben überträgt und auch selber empfindet. Das ist die Grundhaltung, die ich vertrete – und die gilt auch für den Krieg in der Ukraine. Aber: Die Ukraine ist nur etwa zwei Flugstunden entfernt. Zu meinem Erstaunen denke ich aktuell darüber nach, ob ich es schaffe, auf unseren Konzerten ab Ende März völlig unbedarft dafür zu sorgen, dass die Leute musikalisch unterhalten werden. Ich gebe zu: Ich habe Angst, dass mich der Ukraine-Krieg auf der Bühne emotional beschäftigen wird.

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