Die Sängerin und Regisseurin Brigitte Fassbaender, die im Sommer in Erl „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ von Richard Wagner inszeniert und 2024 den Ring komplettiert, hat sich hinsichtlich der Bestellung von Jonas Kaufmann als designiertem Erl-Intendant skeptisch bzw. erstaunt gezeigt. Der Tenor, den sie künstlerisch schätze, erfülle „kaum Kriterien der Ausschreibung“, meinte Fassbaender im APA-Interview: „Ich hätte mir das Theaterwissen von Bernd Loebe weiterhin gewünscht“.
Letzterem folgt Kaufmann ab Herbst 2024 nach. Ein wenig erscheine ihr die Entscheidung für Kaufmann als ein „Zugeständnis an die Eventkultur, bei der große Namen mehr zählen als künstlerische Qualität an sich“, monierte die gebürtige Berlinerin, die von 1999 bis 2012 Intendantin des Tiroler Landestheaters war. Damit gehe aber wohl auch zum Teil Gutes einher, so die Künstlerin: „Ich bin davon überzeugt, dass er mit seinem Namen ein großes Publikum anzieht.“ Man dürfe schließlich auch nicht vergessen, dass das Thema Auslastung für die Politik immer noch mitschwinge und letztlich das Wichtigste sei.
Kaufmann, der mit September 2024 das Erl-Zepter als künstlerischer Leiter in die Hand nehmen wird, wünsche sie jedenfalls viel Glück. „Er muss sich dann aber erst einmal beweisen, zumal er bis auf seine internationale Vernetzung kaum der Intendanzausschreibung gerecht wird“, so die Kammersängerin deutlich. Die kommende Intendanz sei wohl vor allem „für Kaufmann selbst in seiner Lebensphase eine gute Entscheidung.“
Zuletzt war es in Erl zu Querelen rund um die Bestellung des Intendanten gekommen. Der Deutsche Loebe, langjähriger Intendant der Frankfurt Oper, zeigte sich im April enttäuscht, dass sein Vertrag nicht automatisch verlängert wurde, weshalb er sich letztlich auch nicht für eine weitere Periode bewarb. Festspielpräsident Hans Peter Haselsteiner zauberte schließlich mit Juni den 53-jährigen Tenor und Publikumsliebling Jonas Kaufmann aus dem Hut, der neuer „Mr. Erl“ werden soll. Kaufmanns Vertrag läuft bis 2030.
Die Vorgänge rund um Loebe im Zuge der Intendanz-Ausschreibung seien „unschön gelaufen“, nahm sich Fassbaender auch in dieser Hinsicht kein Blatt vor den Mund. Der Theatermanager habe seit seinem Antritt Ende 2019 den „Karren aus dem Dreck gezogen“, sich dann mit Corona beschäftigen müssen und so gar keine Zeit gehabt, „kontinuierliche künstlerische Arbeit zu leisten“. Ihre persönliche Vorstellung wäre es jedenfalls gewesen, „den Plänen von Loebe noch eine Chance zu geben.“ Dass Loebe nach Ende der Sommersaison 2024 gehe, „ist schade“.
Ausschließlich Lob, zumindest in künstlerischer Hinsicht, hatte Fassbaender auch für den ehemaligen künstlerischen Leiter der Erler Festspiele, Gustav Kuhn, übrig. „Kuhn hat Tolles geschaffen, indem er diesen Ort hier für Wagner erschaffen und etabliert hat“, sagte sie. Kuhn sei zudem „ein großartiger Dirigent“, der von einer großen Vision getrieben war, so Fassbaender.
Für sie sei es somit nur konsequent, in Erl Wagner zu inszenieren. „Ich möchte diesen so klar, so nachvollziehbar und so kurzweilig wie nur möglich machen“, gab sie Einblicke in ihren Wagner-Zugang. „Ich gehe zudem sehr vom Text aus, da der Text bei Wagner ebenso wichtig ist wie die Musik“. Der Raum, das Passionsspielhaus, sei in dieser Hinsicht sehr reizvoll: „Die Limitierung hier ist interessant, weil nichts von der Bühne und vom Inhalt ablenkt“. Sie finden einen „wundervollen, suggestiven Raum vor“ und könne somit den überzeitlichen Stoff der Wagner-Opern bestmöglich verwirklichen.
Das Wort „Konzept“ wollte sie für ihren Umgang mit Wagner und seinen Werken erst gar nicht in den Mund nehmen, konstatierte Fassbaender. „Ich mache mich stattdessen gemeinsam mit meinen Darstellern gemeinsam auf eine Reise durch diesen unerschöpflichen Kosmos“, so die Regisseurin. Das Inszenieren von Wagner sei auf alle Fälle „stets eine Herausforderung“, weil man „stets etwas Neues entdeckt und dann eigentlich wieder von Neuem beginnen könnte“, sagte sie.
Mit ihren Wagner-Inszenierungen wollen sie sich jedenfalls nicht zuletzt mit aller Macht gegen den „Bildungsverfall stemmen, den ich sehr bedaure“, sagte Fassbaender. „Bei Wagner ist so viel mythologischer Stoff und Wissen verpackt“, geriet sie ins Schwärmen. Auch junges Publikum gelte es dafür zu begeistern: „Dafür braucht es konsequente Vermittlung und gute pädagogische Arbeit“. Wagner „ist ein Höhepunkt unserer Kultur“ und müssen unbedingt ein Teil dieser bleiben, weil er trotz seiner schwierigen Person ein „Genie war, vor dem letztlich alle Einwände verstummen müssen“.
(Das Gespräch führte Markus Stegmayr/APA)
(APA)
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