Eine KritikvonRobert Penz Diese Kritik stellt die Sicht von Robert Penz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.
Seit Jahrzehnten deckt Günter Wallraff inhumane Arbeitsbedingungen auf, führt er die Reichen und Einflussreichen vor, legt Missstände bei Managern, Medienzaren und Militärs frei und den Rest der Verdächtigten hat er eigentlich auch schon entlarvt. Den Fastfood-Riesen „Burger King“ jetzt sogar schon zum zweiten Mal. 2014 mussten nach Wallraffs Sendung unglaubliche 89 Filialen schließen. Acht Jahre später wollte es der Aufdecker der Nation noch einmal wissen. Erneut schickte er Undercover-Reporter in ein paar Filialen der Kette. Das Ergebnis? Erschütternd und verstörend.
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Für 10,83 Euro die Stunde darf Tobias, der eigentlich Alexander heißt und schon 2014 undercover für Boss Wallraff die Fühler ausstreckte, in einer „Burger King“-Filiale in Bernau bei Berlin anfangen. Gleich in der Früh erspäht er dort massenhaft geschnittene Tomaten und Zwiebeln, die die ganze Nacht in der warmen Theke herumstanden und gerade ganz selbstverständlich in Burger eingearbeitet werden. Dass Tobias nicht lange danach auch noch einen Mitarbeiter dabei beobachten muss, wie der gerade Lebensmittel, deren Haltbarkeitszeiten längst abgelaufen sind, umetikettiert, kann er kaum glauben. Dabei ist er erst seit wenigen Stunden da. „Ich finde es ekelhaft, besonders, weil man dem Bacon bereits ansieht, dass er seine beste Zeit hinter sich“, kommentiert er.
„Hier hat sich nichts verändert“ Auch reihenweise Saucen sind in der Bernauer Filiale längst abgelaufen. Die Strategie dort: Einfach mal ein bisschen frische Sauce auf die alte draufkippen! „Man findet da keine Worte. Ich hab ja so keine Kontrolle mehr über das Produkt. Das wird dann irgendwann schon kriminell“, kommentiert Koch und Gastronomie-Trainer Ronny Loll das systematische Vorgehen in der „Burger King“-Küche, in der auch regelmäßiges Händewaschen für die Mitarbeiter keine echte Option zu sein scheint.
"Rauschgift, Rotlicht, Rocker": Mallorca und seine dunkle Seite Als einem von ihnen eine Handvoll Münzen auskommt, zeigen sich die Kollegen zwar hilfsbereit, doch die Hände will sich, nachdem ihre Finger am dreckigen Fußboden unterwegs gewesen waren, vor dem Bearbeiten der nächsten Burger niemand waschen. „In der Systemgastronomie, wo ich viele Menschen mit Essen versorge, ist das natürlich ein absolutes No-Go“, äußert sich Loll dazu. Warum es in dieser Filiale keinen Geschirrspüler gibt, sondern mit der Hand gespült wird, kann der Gastro-Experte auch nicht verstehen. „Acht Jahre nach meinem ersten Einsatz, muss ich sagen. Hier hat sich nichts verändert“, so Reporter Alexander alias Tobias, der da noch keine Ahnung hat, wie es in anderen Filialen zugeht.
Die große Madenwanderung Denn es wird noch um einiges übler. Eine Informantin, die beim Fastfood-Riesen zu Werke geht und natürlich unerkannt bleiben will, erzählt von Unmengen an Maden in den Küchen. „Wir hatten jeden Tag damit zu tun, sie wieder aus der Küche zu bekommen“, offenbart sie.
Handyaufnahmen belegen das, darauf zu sehen: Unzählige Maden, die sich aus der Biotonne über den Hintereingang sukzessive Richtung Küche vorarbeiten, sowie ein Mitarbeiter, der mit einem Wasserschlauch gegen Windmühlen kämpft. Dass die seit Tagen abgelaufenen Brötchen dort in einem riesigen Plastiksack liegen, hat nur einen Grund: Sollte eine Kontrolle kommen, könnte man, obwohl die abgelaufenen Brötchen natürlich noch verarbeitet und den Kunden verkauft werden, halbwegs glaubhaft behaupten, der Sack würde gleich in den Müll wandern.
Erschöpfte Mitarbeiter, Uringeruch im Keller Auch in der „Burger King“-Niederlassung am Kölner Friesenplatz, die vom Franchisenehmer „F & S Olympia“ betrieben wird, erlebt die Undercover-Reporterin, die hier als Julia arbeitet, Abenteuerliches. Zunächst fällt ihr nur auf, dass die Mitarbeiter hier frühmorgens schon alle völlig erschöpft antreten. „Ich mache niemals Pause. Ich arbeite 24 Stunden“, so ein Kollege auf Julias Nachfragen. 13 bis 15 Stunden am Stück hier zu arbeiten, sei völlig normal, bestätigt auch ein bei „Burger King“ arbeitender Informant bei Wallraff im Studio. Nach ein paar Stunden kann das Julia nachvollziehen: „Es ist der pure Stress. Man hat gar nicht die Zeit, hinterherzukommen. Es sind hier viel zu wenig Mitarbeiter.“ Noch mehr irritiert sie allerdings der Keller, in den sie Küchenchef Kevin mitnimmt. Dort, wo sämtliche Lebensmittel gelagert sind, stinkt es gewaltig nach Urin und Abfällen.
Julia ist verstört. Doch die Filiale am Friesenplatz hat noch viel mehr Horrorstorys zu bieten. Nachdem die Reporterin einen Kollegen beobachtet, der gerade an einem verdächtigen Stück Fleisch schnuppert und dabei das Gesicht verzieht, das Teil dann aber dennoch für eine Bestellung verarbeitet, bekommt Julia fast einen Herzinfarkt: Sie entdeckt unter allen anderen Brötchen, die noch verkauft werden, ein von Mäusen angefressenes. „Das ist von einer Maus. Wegschmeißen!“, sagt der Schichtleiter mit absolutem Ruhepuls.
Falscher "Ben Zucker": Ilka Bessin deckt im TV unglaubliche Betrugsmasche auf Mäuse seien tatsächlich sehr oft in der Küche zu finden, lässt auch ein Informant Wallraff wissen. Teilweise säßen sie auch in der Shake- und Eismaschine, worüber man dann Witze mache. In einem Sicherungskasten neben der Küche entdeckt dann auch Julia unfassbar viel Mäusekot. Es ist wirklich ekelhaft.
In einer Stellungnahme geht die Burger King GmbH auf die „Mäusevorwürfe“ gar nicht ein. Stattdessen gibt es darin primär Plattitüden á la „Prozesse werden optimiert“ und „erneute Trainings“, die „persönlich sowie digital“ stattfinden würden, wonach kein Mensch gefragt hat, zu lesen. Warum werde nicht häufiger kontrolliert, will das Wallraff-Team wissen. Das Problem: In manchen Landkreisen ist lediglich ein einziger Lebensmittelkontrolleur für 2.000 Betriebe zuständig. „Der Kollege kann dann nur mehr Feuerwehr spielen und sich auf risikoreiche Betriebe spezialisieren“, erklärt Maik Masche, Bundesvorsitzender beim Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure Deutschlands. Interne Kontrollen gibt es bei „Burger King“ aber sehr wohl. Doch die sind alles andere als ernst zu nehmen, wie Undercover-Reporterin „Sheila“ in einer Filiale in Köln erleben muss.
Unangekündigte Kontrolle kündigt sich an Dort sind nämlich gerade ungewöhnlich viele Mitarbeiter anwesend, die meisten davon sind mit Aufräumen, Putzen und Wegschmeißen beschäftigt. Der Grund: Die unangekündigte interne Kontrolle hat sich wieder einmal angekündigt. Daher arbeitet auch Mitarbeiterin Maria seit nahezu 24 Stunden in der Filiale, um sie auf Hochglanz zu bringen, damit die interne Prüfinstanz „Restaurant Evaluation“ (REV) den vorübergehenden Hochglanz-Räumlichkeiten gutes Zeugnis ausstellt. Und Überraschung: Die Kölner Filiale bekommt die Note „A“, weshalb der Leiter, der auch für die Niederlassung am Friesenplatz verantwortlich zeichnet, 100 Euro für Pizzen für seine Leute springen lässt. „Wenn die Kontrolle unangemeldet gekommen wäre, hätten wir niemals ein ‚A‘ bekommen“, flüstert ein Mitarbeiter Sheila zu. Auch so viel Personal sei normalerweise nicht anwesend, gebe es doch eine klare Richtlinie von oben: Die Personalkosten dürften maximal 14 Prozent des Umsatzes ausmachen. Alles andere sei inakzeptabel. „Es wird mehr Wert darauf gelegt, die Personalkosten unten zu lassen, als den Umsatz zu fördern“, konstatiert ein Ex-Mitarbeiter.
Veganer Burger mit Hühnerfleisch Erst kürzlich hat die Tierrechtsorganisation Peta Deutschland zur Überraschung vieler den „Plant-based Long Chicken“ von Burger King mit dem „Vegan Food Award“ prämiert. Mit einer neuen veganen Werbekampagne will die Kette moderner und jünger werden. Reporterin „Lea“ arbeitet im Auftrag des „Team Wallraffs“ undercover in einer Filiale in München (Franchisenehmer „Schloss Burger“). Die Vegetarierin will überprüfen, ob die Auszeichnung verdient ist und ob es bei der Verarbeitung des veganen Burgers auch tatsächlich nicht zur Berührung mit tierischen Produkten kommt. Von wegen! Lea beobachtet nach wenigen Stunden Dienst, wie ein Kollege, da der Wärmebehälter mit den „Plant-based Long Chicken“-Burgern leer ist, sich für eine vegane Bestellung einfach im normalen Hühnerfleisch-Behälter bedient. „Es gibt einfach Sachen, die willst du als Kunde einfach nicht wissen“, lässt ein anderer Mitarbeiter Lea wissen.
Der Fall Dieter Gurkasch: Wie viel Mörder steckt in uns? Doch die Investigativ-Reporterin will es genau wissen. Und so weiß sie jetzt auch, dass die veganen Nuggets in der Münchner Filiale immer wieder auch mal im Öl der Fleischfritteuse brutzeln, wenn sonst kein Platz ist. „Hier ist gerade überhaupt nichts mehr vegan“, so Lea beinah verzweifelt. Im August 2022 konfrontiert die Wallraff-Truppe die Burger King GmbH mit den Zuständen in den inkriminierten Filialen. „Wegen technischer Probleme“ sind diese dann plötzlich geschlossen. Sie sollen remodelt, also umgekrempelt werden. Erneut trudelt eine Stellungnahme der Burger King GmbH ein. „Nachdem wir von Ihren Vorwürfen erfahren hatten, haben wir (…) sofort gehandelt und entsprechende Maßnahmen ergriffen. Wir haben die benannten Restaurants umgehend geschlossen und ein außerordentliches, externes Audit für alle 750 Burger King Restaurants in Deutschland angeordnet“, heißt es darin. Zudem wolle man bis Ende 2022 bis zu 100 Restaurants „remodeln“. „Alles mit dem Ziel, das Restauranterlebnis für die Gäste noch besser zu machen.“ „Noch besser“? Man glaubt es kaum.
Brutales Fazit von Wallraff Laut Team Wallraff sind drei der Filialen, in denen Reporter unterwegs waren, längst wieder geöffnet; eine weitere wird gerade adaptiert. „‚Burger King‘, ein Weltkonzern, der für seine Profite Mitarbeiter ausbeutet und Kunden arglistig täuscht“, fasst es Günter Wallraff am Ende der Sendung zusammen.
Es müsse mit mehr Kontrollen in den „Burger King“-Küchen durchgegriffen werden, fordert der Investigativ-Reporter, der am 1. Oktober seinen 80. Geburtstag feiert. „Aber dieses Menü verputzt er noch“, twittert ein User über einem Foto, das den an einem Tisch vor einem großen „Burger King“-Menü sitzenden Wallraff zeigt. Es ist schon ganz gut, dass einem das Lachen nie ganz vergeht.
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