Eine KritikvonIris Alanyali Diese Kritik stellt die Sicht von Iris Alanyali dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.
Jetzt ist der Sommer offiziell vorbei: Der „Tatort“ ist zurück. Aber sowas von: mit den Nibelungen, mit Wein und Wagner. Ein gewagter Mix aus U- und E-Kultur eröffnet den deutschen Krimiherbst. Es geht um die Suche nach dem Schatz der Nibelungen, aber als Krimi statt als Oper. Warum auch nicht, „die Gier nach Gold fordert Blut“, sagt das Autorenpaar Fred Breinersdorfer und Katja Röder ganz richtig über die Nibelungensage. Das ist natürlich ein ausgezeichneter Krimistoff.
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In „Gold“ geht es um das Verschwinden des Bankfilialleiters Boris Wolter. Anders als die Ludwigshafener Kommissarinnen Lena Odenthal (Ulrike Folkerts ) und Johanna Stern (Lisa Bitter) wissen die Zuschauerinnen gleich, dass Boris leider tot ist. Wir sind auch dabei, als ein Hehler erschossen wird – von einer Antiquitätenhändlerin, deren Gier nach dem altertümlichen Goldschmuck in seinem Safe zu groß war. Der Fluch, der der Sage nach über dem Schatz des Nibelungengeschlechts liegt, zeigt Wirkung: Wer in diesem „Tatort“ nicht tot ist, ist zumindest mehr oder weniger verrückt.
Odenthal und Stern (Lisa Bitter ) wissen von alledem aber noch nichts und beißen sich an dem Fall die Zähne aus wie an den alten Goldmünzen, die sie in Wolters verlassenem Wagen finden. Wolters war Mittelalterfan, bei ihm zuhause stehen Ritterrequisiten herum wie bei anderen Leuten die Topfpflanzen. Hat Boris Wolters vielleicht den Schatz der Nibelungen gefunden? War das sein Unglück?
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Jetzt kommen die alten Heldensagen und Richard Wagner ins Spiel Denn als die Ermittlerinnen die Münzen aus Boris Wolters Kofferraum untersuchen lassen, ist bei dem Experten Albert Dürr die Aufregung groß: Ja, sagt der Kurator, die könnten zu dem Gold der Nibelungen gehören – dem unermesslichen Goldschatz, den irgendjemand irgendwann in den Rhein gekippt hat. Vielleicht auch neben den Rhein. Die Experten sind sich da nicht so sicher. Wer genau was wo versteckt, ist je nach Sage verschieden. Doktor Dürr allerdings ist sich ganz sicher, dass der Schatz gehortet und gehütet werden muss, auch vor ignoranten Kriminalkommissarinnen.
„Gold“ spielt mit der Annahme, dass die alten Geschichten einen historischen Kern besitzen: Es ist durchaus möglich, dass im Chaos der Völkerwanderung um 500 n. Chr. ein reicher Römer hastig seinen Besitz oder gierige Germanen ihr Raubgut im Rheinland vergraben haben. Hobbyarchäologen mit Metalldetektoren durchkämmen gelegentlich die Region – so wie jene, die im „Tatort“ zum Entsetzen Doktor Dürrs bald durch die Pfälzer Weinberge stapfen, in deren Nähe Boris Wolter sich zuletzt aufgehalten zu haben scheint. Dürr will lieber selber buddeln.
Heino Ferch als kauziger Museumsdirektor hat eine Gast- und Paraderolle in diesem verzwickten „Tatort“. Albert Dürr hat seine Besessenheit vom Nibelungenschatz zum Beruf gemacht und gehört eindeutig zu den Gold-Verrückten in „Gold“. Außerdem ist er handelnde Person und Erzähler zugleich: Mit verschmitztem Blick in die Kamera fasst er fürs Fernsehpublikum die Nibelungensage zusammen.
Nützlicher wäre es allerdings, wenn Ferch der Erklärbär für diesen „Tatort“ wär‘. Denn ein cleveres Drehbuch macht noch keinen guten Krimi. Regisseurin Esther Wenger gibt sich Mühe, so spielerisch mit dem beziehungsreichen Drehbuch umzugehen, dass jeder seine Freude haben kann, sowohl Wagner-Fans als auch wir Banausen, die nur die Hälfte der Anspielungen mitbekommen. Da heißt ein Polizeispürhund Freia (wie die Göttin im „Rheingold“), es gibt eine Katze namens Sieglinde (bei Wagner ist das die Zwillingsschwester des Helden Siegfried) und einen Liebhaber mit dem schönen Namen Hagen – wie der Bösewicht der „Götterdämmerung“. Und Boris Wolters Ex-Frau wütet wie eine rachsüchtige Brünnhilde im Weinberg.
Die Geschichte ist in vier Kapitel unterteilt, die nach den Opern des „Ring“-Zyklus benannt sind – für die Krimihandlung ist das allerdings völlig unnötig und sorgt für künstliche Trennung, wo ein harmonischer Erzählfluss viel nötiger wäre. Auch der Goldstaub, der hier und da über Szenen gestreut wird, ist zwar hübsch anzusehen und macht Lust auf „Harry Potter“ – aber die Magie will sich einfach nicht einstellen, trotz der stimmungsvollen, von Wagner inspirierten Orchesterklänge (Filmmusik: Jens Langbein und Robert Schulte Hemming).
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Die Münsteraner Kommissare Thiel und Boerne (bekanntlich ein großer Wagner-Fan, der sich mit Albert Dürr gut verstehen würde) hätten dieses Opernwitzgewicht vielleicht stemmen können – ihre Ludwigshafener Kolleginnen sind damit überfordert.
„Gold“ gelingt es nicht, Krimi und Heldensage unter einen Hut zu bringen: Die Nibelungen-Effekthascherei lenkt von der Handlung ab, und die Handlung verzettelt sich dermaßen in ihrem Gewirr aus bühnenreifen Verdächtigen und Motiven, dass man sich irgendwann eine ähnliche Frage stellt wie jene, die Opernbanausen bei Wagner gerne herausrutscht: Warum reden die nicht einfach Klartext, anstatt zu singen.
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