München – Von den vielen großformatigen Stones-Fotos verteilt auf zwei Etagen der Pasinger Fabrik fällt eines besonders auf. Es zeigt Brian Jones im weißen Designer Rollkragenpullover mit eingestrickter lila Schärpe und in makellos weißer Hose.
Herbert Hauke über Brian Jones: „Hier ist er am Anfang seiner Selbstzerstörung“
Er sitzt auf einem grauen Polstersessel ohne sich anzulehnen. Mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand dreht er am Regler eines portablen Plattenspielers. Dabei blickt er konzentriert in die Kamera.
Das Foto entstand in einem Hotelzimmer vor dem ersten Münchner Stones-Konzert im September 1965 im Circus Krone. Während des Konzerts trägt Brian Jones denselben Pullover. „Hier sitzt er entspannt an dem runden Holztisch, ausgedrückte Zigarette im Aschenbecher, ein Cola, das Grammophon: Vom Label her zu urteilen, ist es eine Blues-Platte, die er gerade hört. Man kommt ihm hier nahe. Hier ist er am Anfang seiner Selbstzerstörung“, sagt der Kurator der Ausstellung und Gründer des Rockmuseums im Olympiaturm, Herbert Hauke.
Keith Richards: „You never get me alive“
Anlässlich der Beatles-Ausstellung in der Pasinger Fabrik im vergangenen Jahr hatte eine Frau dem Rockmuseum sieben bislang unveröffentlichte Fotos von Brian Jones in München vermacht. Nun sind diese erstmals öffentlich zu sehen.
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Sie laden stärker zum Verweilen ein als manche der herausragenden Devotionalien, wie Keith Richards‘ Mantel im Schlangenleder-Look, von ihm mit den Worten signiert: „You never get me alive“ oder seine signierte kleine und leichte Reise-Gitarre. Ebenfalls in einer Vitrine ist eine signierte Vox Mark Teardrop Gitarre von Brian Jones: Der Korpus ist geformt wie eine Träne, der Klang ist hart und rau.
Keith Richards und Anita Pallenberg beim Spanferkel-Essen
Beim Konzipieren der Ausstellung hat sich Hauke auf den frühverstorbenen Jones konzentriert. Eine vergrößerte Seite aus der „Bravo“ zeigt „Jungstar“ Anita Pallenberg 1969 mit ihrem „Auserwählten“ Keith Richards beim Spanferkel-Essen in Bratislava, wo der Film ‚Michael Kohlhaas‘ entsteht. Der Stone flog aus London zu Besuch ans Set und ließ es sich schmecken. Liebe geht auch bei Beatboys durch den Magen“, so ganz bieder die „Bravo“. Die Schlagzeile lautet: „Anita lockt mit Schweinebraten“.
Hauke: „Brian Jones wurde von den Ereignissen überrollt“
Regisseur des Films „Michael Kohlhaas“ war Volker Schlöndorff, der das Dreiecksverhältnis Pallenberg, Jones, Richards seit 1966 miterlebte. Keith Richards ist im Kohlhaas-Film auch kurz zu sehen. „Je länger ich mich mit den Stones beschäftigt habe, desto klarer wurde mir die Bedeutung von Brian Jones. Er hat sie gegründet, er war Multiinstrumentalist, ein Genie, ein Mensch, der die Stones Musik mit vielen Einflüssen bereichern wollte. Er hat auch Mick das Mundharmonikaspielen beigebracht und ist vermutlich der Namensgeber“, meint Hauke.
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Letztendlich sei Jones von den Ereignissen überrollt worden, als er im Rampenlicht stand und „zwischen diesen zwei Bullen, Keith und Mick, eigentlich keine Chance hatte. Als die beiden merkten, die Mädchen stehen auf Brian, gab es Gedränge und Stress. Das war ein Teil seiner Verzweiflung, seiner Flucht in die Drogen. Ich bin kein Psychologe, aber ich kann mir vorstellen, dass so ein sensibler Typ es nicht verkraftet hat, wie ihm Anita Pallenberg ausgespannt wurde. Das war ein Bruch in seinem Leben, und er ist ja kurz danach auf tragische Weise umgekommen.“
Als Townshend, Daltrey, Entwistle und Moon den Stones zu Hilfe eilten
In chronologischer Folge entdecken die Besucher multimedial die wichtigsten Entwicklungen der Band, wobei Hauke immer wieder mit Besonderheiten überrascht. So geht es bei den zunehmenden polizeilichen Problemen der Stones weniger um Drogen, mehr um Marsriegel (zwischen den Schenkeln einer Frau), weniger um das „Böse Buben“-Image, mehr um Solidarität. Ausführlich wird die Hilfsaktion von The Who für die Stones im Mai 1967 dokumentiert.
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Sie nehmen Stones Coverversionen auf und überweisen die Einnahmen an die Freunde in Not: Die gerichtlich verurteilten Kollegen seien nur die Sündenböcke für ein allgemeines Drogenproblem. Die Reproduktion eines Artikels aus der britischen Times beginnt mit der Zeile „Wer foltert einen Schmetterling?“ Nur wegen der Prominenz würden die Stones härter bestraft als Normalsterbliche. Vor dem Gesetz müssten aber alle gleich sein. Die Stones waren in Sorge, dass die Urteile das Ende ihrer Karriere bedeuten könnten. Auch stellte sich die Frage, wie lange die Finanzreserven reichen würden. Da eilten Townshend, Daltrey, Entwistle und Moon zu Hilfe.
Pasinger Rolling-Stones-Ausstellung reicht bis in die Gegenwart
Die Ausstellung setzt Schwerpunkte auf die Bedeutung Münchens für die Stones. Dazu gehört eine Nachbildung der Musicland Studios, die zeigt, wie eng es 1974 bei den Aufnahmen zu „It’s Only Rock’n’Roll“ war. Fotos aus dem Schweizer Magazin „Pop“ zeigen Musicland-Chef Giorgio Moroder am Bass und Ian Stewart am Piano bei einer Jam Session.
Die Ausstellung reicht bis in die Gegenwart. Mit „Living in a Ghost Town“ standen die Stones im Sommer 2020 (52 Jahre nach „Jumpin‘ Jack Flash“) ein weiteres Mal auf Platz eins der deutschen Single-Charts. Damit sind sie die ältesten Spitzenreiter. Die Stones haben viele Rekorde gebrochen. Aktuelle Fakten und Zahlen finden sich in der Ausstellung und ausführlicher im Ausstellungskatalog.
Weitere Rock-Ausstellung mit Schwerpunkt München
Und es gibt ein Begleitprogramm mit Führungen, Kino-Abenden und Konzerten. Letztes Jahr wurde in Kooperation mit dem Rock Museum die große Beatles Ausstellung organisiert. Auslöser: Eine lange geplante Kunstausstellung fiel Corona zum Opfer. Die Kooperation wird jetzt wegen des großen Erfolges fortgeführt: mit den Stones und nächstes Jahr mit einer Ausstellung über Queen und Freddie Mercury.
„Bei all diesen Rock-Ausstellungen gibt es den Schwerpunkt München. Das Münchner Publikum schätzt das. So gewinnen wir auch neue Besucher, die die Pasinger Fabrik bislang nicht kannten“, so Ausstellungsleiter Thomas Linsmayer.
„Magic Moments of the Rolling Stones“: bis 1. August, außer Montag 16 bis 20 Uhr, Galerie der Pasinger Fabrik und im Lichthof, www.pasinger-fabrik.de (Katalog: 137 Seiten, 10 Euro)
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