Eine KritikvonChristian Vock Diese Kritik stellt die Sicht der Autorin dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.
Rockmusik. Es gibt eine ganze Menge, was man mit Rock assoziiert: E-Gitarren, turmhohe Marshall-Boxen, nackenwippende Massen – Rockmusik mit ihren unzähligen Spielarten ist unglaublich vielfältig. Aber nicht endlos vielfältig. Der „ZDF-Fernsehgarten“ ist jedenfalls nicht das Erste, was einem beim Begriff „Rockmusik“ in den Kopf schießt.
Trotzdem hat die „Fernsehgarten“-Redaktion genau das ausprobiert und die jüngste Ausgabe am Sonntagmittag unter das Motto „Rock im Garten“ gestellt. Und so steht dort, wo sich sonst die Giovanni Zarrellas und DJ Ötzis der Republik das Mikrofon in die Hand geben, Hardrock-Institution Doro Pesch auf der Bühne und begrüßt die Zuschauer mit reichlich Dezibel.
„Wow! Doro, Dankeschööööön“ bedankt sich auch Moderatorin Andrea Kiewel im Applaus des Publikums, nachdem sie zu Guns n‘ Roses „Paradise City“ in einem „Rock im Garten“-T-Shirt auf einem Trike zur Bühne gefahren wurde. Was einem eben so beim Stichwort Rockmusik einfällt und der Off-Sprecher haut mit einem „Hier ist Ihr ZDF-Fernsehgarten und sie ist die härteste Gärtnerin von allen“ einen raus, als er Kiewel ankündigt.
„ZDF-Fernsehgarten“: „Nieten, die Faust und vor allem schwarz“ So weit, so Klischee und es beschleicht einem schon in diesen ersten Minuten ein ungutes Gefühl, dass man mit Rock und dem „Fernsehgarten“ etwas zusammenbringen wollte, was nicht zusammengehört. Dieser Eindruck bestätigt sich, als Kiewel durch Begriffe rauscht, die sie so mit „Rock“ verbindet: „Es hat 36 Jahre gedauert. Heute gibts kein Zurück. Heute sind wir laut, heute sind wir hot – Rock im Garteeeen! (…) Das ist heute das Motto: Nieten, die Faust und vor allem schwarz.“
Was für Kiewel noch zum Motto „Rock“ gehört: Luftgitarre. Wie passend, dass es vor kurzem eine entsprechende Weltmeisterschaft gab, von der Kiewel nun Bilder zeigen kann und die ihr die Gelegenheit gibt, das Motto noch einmal zu erklären: „Sie merken es, der Fernsehgarten ist heute Rock, wir sind Rock im Garten. Warum? Ja, warum nicht?“, erklärt Kiewel und schiebt dann noch ihren Lieblingsspruch hinterher, den sie immer bringt, wenn sie wortgewandt scheinen möchte: „Weil wir’s können.“
Ja, natürlich kann der „ZDF-Fernsehgarten“ auch das Motto „Rock“ ausrufen, aber man merkt zwischendrin immer wieder, dass sich die Redaktion sehr viele Gedanken gemacht hat, ob das wirklich eine gute Idee ist, wie auch Andrea Kiewel zwischendrin immer wieder erklärt. Nun ist es fast nie verkehrt, sich Gedanken zu machen und das ist es auch hier nicht, aber das Ergebnis dieser Gedankenmacherei ist ein zweifaches.
Wie macht man Fernsehen für Rocker? Auf der einen Seite scheint das „Fernsehgarten-Team“ Spaß daran gehabt zu haben, die eingetretenen Schlager-Pfade einmal zu verlassen, wie Kiewel erklärt: „Ich bin so stolz auf uns. Mal raus aus dieser Box. Einfach mal machen.“ Da möchte niemand, der die Schlager-Dominanz im „Fernsehgarten“ satt hat, widersprechen und auch das Publikum scheint das an diesem Sonntagmittag so zu sehen und wippt durchgängig und begeistert mit.
Dass „Der ZDF-Fernsehgarten“ also auch mal andere Musik zulässt, ist löblich, über das Wie kann man hingegen streiten. Das Line-up ist natürlich auch bei Rockmusik Geschmackssache, aber mit Bands wie Kissin‘ Dynamite, Bonfire, Doro Pesch, Visions of Altlantis, Saltatio Mortis oder The Rasmus hat man die ganze Sache doch einigermaßen massenkompatibel und realistisch abgedeckt. Dass AC/DC oder Iron Maiden im „Fernsehgarten“ Halt machen, ist ohnehin eher unwahrscheinlich.
Beim Zwischenprogramm scheinen die Köpfe in Mainz schon ein bisschen mehr geraucht zu haben, ob und wenn ja, womit man Rock-Fans und „Fernsehgarten“-Stammgäste gleichermaßen zufriedenstellen kann. Ob Küchenmessertipps vom Koch, ein Kindergeburtstagsspiel um Wacken-Tickets und ein Starker-Mann-zerkloppt-ohne-Grund-320-Steine-mit-der-Hand-Rekord-Versuch dabei die richtige Wahl waren, kann jeder selbst entscheiden.
Rat an alle Rock-Fans: „vorwässern“! Fast schon rührend sind dahingegen die Ratschläge von TV-Ärztin Yael Adler, was man alles im Vorfeld tun kann, um den Folgen von Alkohol-Konsum entgegenzusteuern, während Kiewel gleichzeitig mahnend sichergeht, dass man hier keinesfalls zu exzessivem Saufen animieren will. Ob die Besucher eines Metal-Festivals aber wirklich, wie es Adler rät, vor dem Alkohol-Konsum ihren Elektrolyt-Haushalt „vorwässern“ und dann, wie es Kiewel empfiehlt, nach dem zweiten Bier Schluss machen, sei mal dahingestellt.
Es ist also ein kleiner Spagat, den man beim „Fernsehgarten“ diesmal hingelegt hat, aber dessen war man sich bewusst: „Wir hatten ja ein bisschen Schiss vorher, dass es vielleicht ganz leer ist, weil: Rock und Metal ist ja schon heftig“, erklärt Kiewel die Vorab-Bedenken, doch das ist natürlich Ansichtssache. Es dürfte schließlich nicht wenige geben, die genau dasselbe über Schlager- und Malle-Musik sagen, die aber offenbar ganz problemlos und regelmäßig im „Fernsehgarten“ stattfindet.
Am Ende aber gelingt dieser Spagat irgendwie und auch Andrea Kiewel kriegt die neuen Töne im „Fernsehgarten“ gebändigt. Die Moderatorin ist zwar offenkundig nicht in der Rockmusik zu Hause, etwa, wenn sie etwas ungelenk von ihren Moderationskarten abliest oder fragt, ob es die Band Manowar wirklich gibt, aber das muss sie auch nicht. Sie moderiert das Ganze offen ab, weiß, wie sie die Stammklientel mitnimmt und hat auch mal einen nicht ganz so einstudierten Spruch parat: „Männer bleibt im Slip, ich komm!“, kontert sie zum Beispiel, als sich bereits die Ersten um die Chance auf die Wacken-Tickets drängeln.
Trotzdem wird Kiewel froh sein, wenn die Woche rum und am kommenden Sonntag wieder alles beim Alten ist. Das Motto dann: Kultschlager.
Andrea Kiewel mit wildem Versprechen: "Haben wir so noch nie gemacht" Quelle: Lesen Sie Vollen Artikel