Queen Elizabeth II.: Der traurige Geburtstag der "Jahrhundertkönigin"

Royal-Expertin im Interview

Queen Elizabeth II. wird am 21. April 95 Jahre alt. Der Tod ihres langjährigen Ehemannes Prinz Philip (1921-2021) am 9. April überschattet das eigentlich schöne Ereignis. Doch nicht nur dieser große Verlust, auch das Drama um ihren Enkel Prinz Harry (36), dessen Frau Herzogin Meghan (39) nach Megxit und Oprah-Interview sowie die mögliche Verwicklung von Queen-Sohn Prinz Andrew (61) in den Jeffrey-Epstein-Missbrauchsskandal, trüben den Himmel über Windsor, dem vorrangigen Aufenthaltsort der Königin in Zeiten der Corona-Pandemie.

Im Interview zum traurigen Geburtstag der Monarchin erklärt Royal-Expertin Julia Melchior, welches der beiden Skandalthemen für die Königin wohl schwerer wiegen dürfte. Melchior, deren TV-Doku „Prinzgemahle“ (ZDF/Arte) eigentlich anlässlich des 100. Geburtstages von Prinz Philip am 10. Juni 2021 geplant war und derzeit in der Mediathek zu sehen ist, erklärt aber auch das Erfolgsrezept der „Jahrhundertkönigin“.

Wird Queen Elizabeth II. ihren 95. Geburtstag am Mittwoch feiern?

Julia Melchior: Ihr 95. Geburtstag fällt noch in die Trauerzeit. Die Beisetzung ist ja erst vier Tage her. Es wird also keine Feierlichkeiten geben. Die nächsten großen Feierlichkeiten, auf die wir uns in Großbritannien freuen können, finden zum 70. Thronjubiläum im kommenden Jahr statt. Denn mit diesem sogenannten „Platinjubiläum“ zeigt Queen Elizabeth II. einmal mehr, dass sie eine Frau der Superlative ist: Es gibt keine berühmtere Frau auf der Erde. Sie ist das älteste Staatsoberhaupt der Welt, in Dienst- und in Lebensjahren. Und keine Monarchin/kein Monarch war länger verheiratet als Elizabeth mit ihrem Philip.

Förderlich für all diese Superlative ist auch die körperliche Konstitution der Monarchin. Warum ist die Königin so fit?

Melchior: Sie hat gute Gene und wird sicherlich auch gut gepflegt. Ein weiterer, wesentlicher Punkt ist aber auch ihre große innere Ruhe. Sie hat einfach ein tiefes Gottvertrauen und strahlt das auch aus. Die britischen Monarchen führen in ihrem Titel bis heute den Zusatz „von Gottes Gnaden“, obwohl sie faktisch von Volkes Gnaden auf dem Thron sitzen. Aber Elizabeth II. ist ja eine sehr fromme Frau. Für sie ist bei ihrer Krönung etwas Heiliges auf sie übergegangen. Sie hat ja schon fast etwas Mystisches.

Welche Rolle spielte in diesem Zusammenhang ihre Ehe mit Prinz Philip, die 1947 geschlossen wurde und bis zu seinem Tod am 9. April 2021 hielt?

Melchior: Ihre sehr gute Ehe war mit Sicherheit auch eines der Geheimnisse ihres Erfolgs. Prinz Philip hat seiner Frau ein Fundament gegeben, auf dem sie ihre erfolgreiche Regentschaft aufbauen konnte. Und das ohne sich in die Staatsgeschäfte einzumischen. Das ist ein entscheidender Punkt. Sie hatten immer eine ganz klare Trennung zwischen ihrem Amt und seinen Aufgaben. Das war am Anfang nicht leicht. Zumal er gar nicht wusste, was er zu tun oder zu lassen hatte. Es steht ja nirgends geschrieben, was vom Mann der Königin erwartet wird.

Es war sogar sehr schwer und Prinz Philip hatte sich dann auch eine Auszeit genommen. Obwohl ich es als eine durch und durch glückliche Ehe bezeichnen würde, gab es diese eine schwere Krise – dabei ging es vor allem um das Rollenverständnis der beiden. Doch sie haben diese mit Bravour gemeistert. Auch das zeichnet ja eine gute Ehe aus.

Wen würden Sie noch zum engsten Vertrautenkreis der Königin zähen?

Melchior: Das ist immer die Familie. Es ist ja sehr einsam um Monarchen und die Familienmitglieder sind eigentlich die einzigen, mit denen sie offen sprechen können. Prinzessin Anne (70) gehört beispielsweise zu ihren engsten Vertrauten. Prinz Charles (72), mit dem sie schon allein von Amts wegen irrsinnig viel Zeit verbringt, natürlich auch. Dann gibt es noch ihre Schwiegertochter Gräfin Sophie (56), die Ehefrau von Queen-Sohn Prinz Edward (57), die eine sehr gute Vertreterin der Königsfamilie ist, weil sie nicht für viel Aufsehen sorgt, sondern pflichtbewusst ihren Job macht.

Weitere engste Vertraute waren die Cousinen von Prinz Philip, die schon in den 1950er Jahren ihre Hofdamen waren. Aber aus der Generation leben kaum noch Vertraute. Ich bin mir sicher, dass die Familie für die Königin am wichtigsten ist und dass die engsten Vertrauten hier rekrutiert werden. Besonders diejenigen, die ihr Erbe antreten werden. Denn sie will die Zukunft der Monarchie ja in guten Händen wissen.

Wie würden Sie das Image von Queen Elizabeth II. heutzutage beschreiben?

Melchior: Queen Elizabeth II. ist einer der wenigen Menschen, über den es eine einhellig positive Meinung gibt. Zumindest in den letzten Jahrzehnten, es war ja nicht immer so. Zum Diamantenen Thronjubiläum 2012 war ich viel für Dreharbeiten in England und habe mit Historikern und Kritikern gesprochen. Sogar Republikaner sind der Meinung „May the Queen live forever“, weil es einfach kein überzeugendes Gegenkonzept gibt. Weder zur Monarchie – immerhin stehen ja noch zwei Drittel der Bevölkerung dahinter -, noch zu ihr als Mensch. Sie spaltet nicht die Meinungen, und das gilt generationen- und gesellschaftsübergreifend. Queen Elizabeth ist eine Jahrhundertkönigin.

Könnte die Monarchie nach ihr enden?

Melchior: Sie selber steht ohne Tadel vor dem Urteil der Geschichte da. Doch bei all dem Lob für diese herausragende Königin gibt es schon auch einen Kritikpunkt. Denn gemessen werden wird ihre Regentschaft auch daran, ob sie ihr Erbe nachhaltig geregelt hat, ob die Mehrheit der Bevölkerung das System weiter trägt. Diese Frage kam nicht zuletzt auch durch das Familiendrama um Prinz Harry und seine Frau erneut hoch. Nichtsdestotrotz ist die Institution über 1.000 Jahre alt, hat so viele Krisen überstanden und ist den Briten lieb und teuer.

Was könnte Sie in diesem Punkt besser machen?

Melchior: Man sieht an den anderen Königshäusern, dass es zeitgemäß ist, den Thron zu Lebzeiten an die nächste Generation zu übergeben. Spanien, Belgien, die Niederlande, sogar der Papst und der Kaiser von Japan haben es in den letzten Jahren vorgemacht. Die Queen ist da einfach ein Sonderfall, weil sie gerade auch im hohen Alter so unglaublich beliebt ist und sich auch keiner den Fall vorstellen möchte, dass es die Königin nicht mehr gibt.

Ich glaube nicht, dass es daran liegt, dass man es Prinz Charles oder Prinz William (38) nicht zutraut, sondern weil mit ihr eine Ära zu Ende gehen wird, der die Menschen dann auch ein Stück weit nachtrauern werden. Stand heute hat sie es aber versäumt, das Haus zu reformieren, das sehen wir unter anderem an dem Drama um Prinz Harry. Für die Generationen nach ihr sollte gelten, dass sie den Thron zu Lebzeiten räumen. Für Elizabeth II. ist die Königswürde aber eben „von Gottes Gnaden“, in dessen Hand sie ihr Schicksal legt.

Wird Prinz Charles Ihrer Einschätzung nach überhaupt noch König werden oder wird die Krone gleich an Prinz William gehen?

Melchior: Es ist jetzt natürlich reine Kaffeesatzleserei, aber ich glaube, Charles würde sich unsterblich machen, wenn er den Thron direkt an William übergeben würde. Es wäre sicherlich sehr klug für die Monarchie. Auf der anderen Seite hat er sein ganzes Leben diesem Amt gewidmet, insofern wäre es ihm natürlich auch vergönnt. Klüger wäre es dennoch, zu verzichten und den Titel direkt an die nächste Generation weiterzureichen und die graue Eminenz im Hintergrund zu sein.

Die nächste Generation ist ja auch bereit. Vor fünf Jahren hätte ich das vielleicht noch nicht gesagt. Da waren Prinz William und Herzogin Kate (39) noch eine kleine Familie mit einem Kleinkind und einem Baby, aber inzwischen haben sie sich etabliert. Sie gehen auf die 40 zu und sind Thronfolger im besten Alter. Außerdem genießen sie den Respekt und die Sympathie der Bevölkerung.

Wie offen werden solche und andere Themen wohl hinter den Kulissen behandelt. Miteinander sprechen zu können, war bei den britischen Royals ja nicht immer so einfach…

Melchior: Das stimmt. Bei den Windsors der Generation Elizabeth und Philip ist gerade diese Sprachlosigkeit das Manko in der Familie gewesen, unter dem die eigenen Kinder, besonders der sensible Charles, gelitten haben. Sie konnten einfach schlecht mit Familienkrisen umgehen. Umso erstaunlicher ist es, wie emotional die Queen sich in ihren Stellungnahmen zur Prinz-Harry-Krise zeigt. Queen Elizabeth hat hier ja eine Doppelfunktion.

In ihrer Funktion als Königin tritt sie im Umgang mit Harry, Meghan und dem Megxit streng und konsequent auf, entzieht den Abtrünnigen alle Privilegien und Ämter. Das war ein harter Schnitt, mit dem Harry nicht gerechnet hat. Gleichzeitig bleibt Elizabeth die liebende Großmutter. Im letzten Satz eines jeden Statements ist zu lesen, dass Harry, Meghan und Archie (1) immer sehr geliebte Mitglieder der Königsfamilie sein werden. Die Familienbande sind unzertrennlich, aber die Enttäuschung muss doch sehr groß sein.

Was glauben Sie, welcher Skandal für die Königin schlimmer ist? Prinz Andrews mögliche Verwicklung in den Jeffrey-Epstein-Fall oder das Oprah-Winfrey-Interview und die daraus resultierenden Rassismusvorwürfe von Prinz Harry und Herzogin Meghan?

Melchior: Wenn an den Anschuldigungen gegen Prinz Andrew etwas dran ist, ist es nicht entschuldbar. Als Mutter müsste sie das zutiefst erschüttern. Das Oprah-Winfrey-Interview ist etwas ganz anderes. Es ist einfach eine große Enttäuschung, dass Harry bereit ist, die eigene Familie so zu beschädigen.

Immer mal wieder ist die Rede von „Lieblingskindern“ und „Lieblingsenkelkindern“ der Queen. Gibt es die wirklich und wenn ja, wer ist es?

Melchior: Mein Eindruck ist, dass immer derjenige in der britischen Presse der Liebling ist, dessen Skandal gerade hochkocht. Ich kann es mir wirklich nur schwer vorstellen, dass es so ist.

Apropos, schauen Sie eigentlich „The Crown“, die Netflix-Hit-Serie über die britische Königsfamilie?

Melchior: Die ersten beiden Folgen, nicht Staffeln, habe ich gesehen. Es ist sehr schön gemacht. Mehr möchte ich aber nicht sehen, weil ich Angst habe, dass sich mein Geschichtsbild dadurch verändert. Denn in der Serie vermischt sich schon Wahrheit mit Fiktion. Von Berufs wegen muss ich ja aber versuchen, an der Wahrheit dranzubleiben.

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