- Gerhard Polt zählt zu den gefragtesten Kabarettisten des Landes und ist meisterhaft darin, menschliche Abgründe auf den Punkt zu bringen.
- Am 7. Mai wird er 80 Jahre alt – ans aufhören denkt er aber natürlich nicht.
- Ab Mai ist er bereits wieder auf Tournee, auch neue Bücher gibt es bereits.
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Seit fast einem halben Jahrhundert bringt Gerhard Polt seine Fans zum Lachen – das zugleich gern mal im Halse steckenbleibt und eine Art Schluckauf macht zwischen Betroffenheit und Erheiterung. Der Kabarettist beobachtet haarscharf die menschlichen Abgründe und bringt sie mit unschuldiger Bosheit auf den Punkt. Am 7. Mai wird der Kabarettist, Filmemacher, Autor und Träger Dutzender Preise 80 Jahre alt.
Aufhören ist natürlich kein Thema. „Dieter Hildebrandt hat immer gesagt: „Wir sind Triebtäter“.“ Er mache einfach gerne weiter. Also steht Polt weiter auf der Bühne, am Mikrofon, vor der Kamera. Gerade hat er für Servus TV eine schräge Idee seines Sohnes Martin umgesetzt: In eigenwilliger Interpretation haben Gerhard Polt, Gisela Schneeberger und andere die japanische Soap „Hanbun, Aoi“ synchronisiert – in bairischem und anderen Dialekten, unter dem Titel „Die Vroni aus Kawasaki“.
Polt: Humor auch in Kriegszeiten nötig
Was genau Humor eigentlich ist, kann und mag Polt nicht sagen: „Das weiß ich nicht. Das müssen Sie einen anderen fragen.„ Aber natürlich befasst er sich mit der Frage. Seit vier Jahren versuche man, ein „Forum Humor“ zu etablieren, um das Thema voranzubringen. Die Fähigkeit zur Ironie sei eine der bei den Menschen am schwächsten ausgeprägten Eigenschaften. Dabei könne Humor ein „Kitt der Gesellschaft„ sein – „wenn er denn da ist.„ „Humor ist etwas zutiefst Politisches.“. Er könne auch über schwierige Situationen helfen, trösten und ablenken. „Wenn der Humor aufhört, ist es nicht mehr weit zu Brutalisierung oder zu Barbarei.„
Und schwierige Zeiten sind Polt wahrlich nicht fremd. In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur sprach er erst kürzlich darüber, wie der Krieg in der Ukraine in ihm Erinnerungen an seine Kindheit wachruft.„Es ist für mich persönlich eine bedrückende Angelegenheit, die mich persönlich sehr betrifft„, so Polt. Und weiter:“Ich bin ja durch Ruinen gelaufen. Dann seh ich diese Bilder, da kommen bei mir all diese Assoziationen wieder hoch.„ Er erinnere sich demnach unter anderem an eine Hausfassade, die einstürzte und Kinder unter sich begraben habe.
So mag es kaum verwundern, dass Kabarettist zu den Erstunterzeichnern des von der Publizistin Alice Schwarzer initiierten Offenen Briefs an Bundeskanzler Olaf Scholz gehörte und einer Warnung vor einem Dritten Weltkrieg. Die Unterzeichner appellieren, auf keinen Fall schwere Waffen an die Ukraine zu liefern und so Wladimir Putin möglichst kein Motiv für eine Ausweitung des Krieges zu geben.
Doch Humor sei eben auch in Kriegszeiten durchaus erlaubt, wenn nicht gar mehr als sonst nötig. In einem Interview mit der „Passauer Neuen Presse„ sagte Polt: „Das nutzt den armen Hunden in der Ukraine überhaupt nix, wenn einer bei uns nicht lacht.“. Humor könne auch ein Trost sein, aber auch eine Ablenkung und eine Verarbeitung, wenn man mit einer Situation nicht fertig werde.
Derb in der Wortwahl: Gerhard Polt kehrt das Innerste der Menschen nach außen
Ab Mai ist er auf Tournee mit den Well-Brüdern von der Musiker-Großfamilie, die einst als Biermösl Blosn in Bayern für Furore sorgten. Im Dezember beginnen Proben in den Kammerspielen – Details gibt es noch nicht. Es gehe um ein schwieriges Thema, sagt er nur. „Es ist eine im Grunde sehr traurige, triste Sache, versucht so zu erzählen, dass sie erträglich ist.“ Vermutlich mit der ihm eigenen Ironie, die stets tief in menschliche Seelengründe blicken lässt.
Auch neue Bücher sind erschienen, eines mit seinen Interviews aus vielen Jahrzehnten, in einem anderen nimmt Polt einen Tegernseer Privatier aufs Korn. Auf seiner Internet-Seite finden Anhänger weitere Polts jüngeren Datums. Am Gartenzaun vor ländlicher Kulisse präsentiert er Tratsch aus der kleinen Welt daheim – und spiegelt darin die große. Gerhard Polt liebt das „Kleinräumige“, wie er es einmal nannte. Das große Ganze erschließt sich daraus.
Polts Figuren, das ist das Gemeine, sind keine Erfindungen: Da ist der Makler, der Familienvater, der Nikolaus – und der Papst. Die Anni, der Erwin. Man trifft sie auf der Straße, im Supermarkt – und auch, wenn man im Bad in den Spiegel schaut. Derb oft in der Wortwahl und gespickt mit bairischen Kraftausdrücken, kehrt Polt das Innerste der Menschen hintersinnig nach außen.
„Fast wia im richtigen Leben“ machte Polt deutschlandweit bekannt
„Fast wia im richtigen Leben“ – das heißt: wie im richtigen Leben. Nur ein bisschen zugespitzt. Die Ausstrahlung der gleichnamigen zwölfteiligen ARD-Reihe mit Schneeberger und Hanns Christian Müller machte Polt in den 1980er Jahren bekannt.
Der gebürtige Münchner wuchs – evangelisch getauft und später katholisch gefirmt – zeitweise im streng katholischen Altötting auf. Nach dem Abitur studierte er in München und später in Göteborg und lebte einige Jahre in Schweden. Zurück in München arbeitete Polt als Übersetzer, Lehrer und Dolmetscher.
1976 trat er in München erstmals mit einem kabarettistischen Programm auf. Es folgten Auftritte unter anderem in Berlin und in Dieter Hildebrandts Fernseh-„Scheibenwischer“. Für eine bissige Satire zum umstrittenen Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals, die den damaligen CSU-„Übervater“ Franz Josef Strauß auf die Palme trieb, bekam er den Grimme-Preis in Silber.
Polt verbringt auch den Geburtstag auf der Bühne
Mal ein langanhaltendes Schweigen statt Dankesrede wie bei der Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises 1980, mal eine eklige Geschichte über den im Maßkrug schwimmendem Lungenschleim bei der offiziellen Vorstellung des Oktoberfest-Krugs: Polt ist unberechenbar. Er derbleckt geschickt auch mit Konventionsverstoß.
Seit 1971 verheiratet, lebt Polt am oberbayerischen Schliersee – und teils in Italien. Er hat einen erwachsenen Sohn und ist inzwischen Großvater. Den Geburtstag wird Polt auf der Bühne verbringen. „Die Münchner Kammerspiele haben uns eingeladen. Er werde „auf die Bühne gehen“ und „irgendwas machen“. (dpa/dh)
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