Köln – Spätestens als vor zehn Jahren Olivia Jones im Finale des Dschungelcamps landete und ein Jahr später Conchita Wurst den Eurovision Song Contest gewann, wurde klar, dass auch hierzulande Dragqueens bei Millionen auf Sympathie stoßen.
Mehr News über TV-Shows
Seitdem wurde deren Kunst, die früher vor allem in der schwulen Subkultur gefeiert wurde, immer massentauglicher. Am Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (17. Mai) feierte jüngst auch die ARD mit der Komödie „Meine Freundin Volker“ einen Quotenhit. Darin mimte „Tatort“-Star
RTL setzt jetzt – nach dem Erfolg im vergangenen Jahr – die Promi-Ratesendung „Viva la Diva – Wer ist die Queen?“ fort. In der Show, bei der unter anderem
Wer sitzt im Rateteam?
Wer es diesmal ist, bleibe bis zur Ausstrahlung ein Geheimnis, betont RTL. Ansatzpunkte könnten im Namen, Kostüm, in der Farb- oder Musikauswahl versteckt sein.
Der Streamingdienst Paramount+ hat derweil einen deutschen Ableger der international erfolgreichen Reality-TV-Show „RuPaul’s Drag Race“ angekündigt, die noch in diesem Jahr starten soll.
„Wir werden nackt geboren, und der Rest ist Fummel“ (We’re born naked, and the rest is drag) – dieser Satz stammt von Weltstar Ru Paul. Der heute 62-Jährige wollte damit einst wohl die kulturelle Bedingtheit von Geschlechtererscheinungsbildern beschreiben.
Geschichte von Dragqueens
Als „Drag Queens“ bezeichnen sich Personen, die meist eigentlich eine männliche Identität haben, oft schwul/queer sind, aber eben Kleidung anlegen, die nach heterosexueller Norm fürs weibliche Geschlecht vorgesehen ist. Das deutlich weniger populäre Pendant zu Dragqueens sind (vielfach in der Lesben-Kultur beheimatete) „Drag Kings“.
Superneu ist das alles keineswegs, aber frühere Begriffe wie Travestie und Travestiekunst klingen heute altmodisch. In Deutschland war schon in den 1980er Jahren das Duo Mary & Gordy bekannt, später wurde Lilo Wanders zur TV-Prominenten. In der Kleinkunstszene sind Georgette Dee und viele andere Verwandlungskünstler ein Begriff.
International sind Dragqueens aus Show und Film sowieso nicht wegzudenken, man denke an Divine (1945-1988), Dame Edna (den kürzlich mit 89 gestorbenen Schauspieler Barry Humphries) und eben RuPaul.
Diskussionen ausgelöst
Erst kürzlich gab es dennoch eine hitzige Debatte über Dragqueens – wegen einer geplanten Lesung für Kinder ab vier Jahren in einer Stadtteilbibliothek in München. Bayerns Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger von den Freien Wählern behauptete, dies sei „Kindeswohlgefährdung und ein Fall fürs Jugendamt, keine Weltoffenheit wie es die Grünen verharmlosen“.
Damit schwappt offenbar der fundamentalistische Diskurs von Amerika nach Deutschland, dass Dragqueens eine Gefahr für Kinder und Jugendliche seien. In den USA hat jüngst der von den Republikanern dominierte Staat Tennessee Drag-Shows im öffentlichen Raum und überall in Anwesenheit von Personen unter 18 Jahren verboten.
Das Gesetz definiert seit April solche Aufführungen unter „Oben-ohne-Tänzer, Go-Go-Tänzer, exotische Tänzer, Stripperinnen, männliche oder weibliche Imitatoren, die Unterhaltung bieten, die ein lüsternes Interesse anspricht“. Ähnliches planen Staaten wie Arizona, Idaho, Kansas, Kentucky, Oklahoma, South Carolina und Texas.
Dragqueens in der Gesellschaft
Dragqueen-Kultur ist traditionell mit frivolen Witzen, toupierten Perücken, Pailletten, glamourösen Kostümen, viel Schminke sowie Playback und Imitation von Idolen wie Cher, Madonna, Donna Summer, Lady Gaga oder auch Marlene Dietrich und Judy Garland verbunden.
Manche empfinden Dragqueens sogar gelegentlich als frauenfeindlich, weil sie Weiblichkeit oft mit Zickigkeit und völlig übertriebenen Verhaltensweisen darstellen.
Dragqueens selbst betonen oft ihre (gesellschafts-)politischen Absichten. Sie grenzen sich zudem von Transvestiten ab, die sich aus Fetisch-Gründen in Fummel werfen.
Ganz kompliziert für einige wird es dann, wenn es darum geht, würdevoll über das eigentlich völlig anders gelagerte Thema der Trans-Identität zu sprechen – also wenn sich Menschen mit dem Geschlecht, das ihnen nach der Geburt zugeschrieben wurde, nicht identifizieren und deshalb anders kleiden als vielleicht erwartet.
Identität, geschlechtsspezifische visuelle Codes, die Frage der sozial konstruierten Geschlechtlichkeit überhaupt – das alles erscheint heute oft als vermintes Gelände.
Umso erstaunlicher ist es, dass eine Fernsehshow wie „Viva la Diva“ zu den großen TV-Überraschungen des vergangenen Jahres gehörte. Im Herbst erhielt RTL für die Sendung einen Deutschen Fernsehpreis. Zwei neue Folgen strahlt der Privatsender jetzt am 2. und 9. Juni aus. © dpa
Quelle: Lesen Sie Vollen Artikel