AndreasHomoki inszeniert erstmals auf der Bregenzer Seebühne und fokussiert in Puccinis Oper „Madame Butterfly“ das Gefühlsspektrum.
Von der Geschichte herist „Madame Butterfly“ (die Bregenzer Festspiele verwenden dieseninternationalisierten Titel der 1904 uraufgeführten italienischen Oper „MadamaButterfly“) ein Kammerspiel. Zugrunde liegt ihm ein Drama von David Belasco undeine Erzählung von John Luther Long. Nach dem der Japonismus in der bildendenKunst längst boomte, wandten sich Giacomo Puccini und sein Librettist LuigiIllica der Geschichte eines verarmten jungen Mädchens zu, das in einerhistorisch belegten Umbruchzeit in Japan lebt, von der Kolonialisten bzw.Imperialisten wie der amerikanische Leutnant Pinkerton profitieren. Die GeishaCio-Cio-San erhofft sich durch die Heirat mit dem Kerl, für den sie tiefeEmpfindungen hegt, den Ausbruch aus ihrem mit strengen Traditionen behaftetenFamiliengefüge und ein freies Leben in den Vereinigten Staaten. Er sieht in der Verbindung, salopp gesagt, soetwas wie einen Urlaubsflirt. Als sie das erkennt, gibt es auch kein Zurückmehr.
Dass Puccini hiergenauso wie mit Mimi (aus „La Bohème“) und Tosca (aus der gleichnamigen Oper)eine starke Frauenfigur kreiert hat, spreche für den Stoff, erklärt AndreasHomoki. Der Regisseur und Intendant am Opernhaus Zürich inszeniert erstmals aufder Bregenzer Seebühne.
Eine Utopie
„Es sind Figuren, die Opfer einergesellschaftlichen Situation werden und das Stück zu einer Anklage an dieGesellschaft machen.“ Es sei ihm wichtig, den Zusammenprall zweier Kulturen zuverdeutlichen. „Das ist einmal eine mit einer langen Tradition, mitfestgefügten Rollenbildern für die Frau und einer fehlenden Flexibilität.“ Inder anderen fehle jeglicher Respekt vor der Tradition und zudem glaubeCio-Cio-San an die Utopie der Vereinigten Staaten, nämlich, dass jedem alleMöglichkeiten offenstehen. Man erfahre sofort, dass sie dem fatalen Irrtumunterliegt, in die andere Kultur hinüberwechseln zu können, doch sie wollediese Utopie für sich verwirklicht sehen. Um diese Utopie zu thematisieren,akzentuiert Homoki mit seinen Ausstattern Michael Levine (Bühne) und Antony McDonald(Kostüme) ein Amerika der 1950er-Jahre. „Das war noch vor Vietnam und vor derInfragestellung des American Way of Life.“
Wenn die junge Geishaeine so starke Person ist und eben nicht das naive Mädchen in einemoberflächlichen Liebesroman, fragt man sich natürlich, wie sie auf Pinkertonhereinfallen konnte. Homoki: „Sie hat wenig Zugang zu wirklicher Informationund der Pinkerton ist schon ein charmanter Junge und ein Typ, der durch seinunkonventionelles Auftreten interessant wird. Er ist nicht böse, er ist schwachund ein Feigling.“ Puccini habe die Partie bewusst einem Tenor zugeschrieben,weil Pinkerton aus der Perspektive von Cio-Cio-San für das Positive steht. Diegroßen Gefühle in diesem Kammerspiel und die Musik von Puccini haben AndreasHomoki darin bestärkt, in „Madame Butterfly“ ein Werk für die Seebühne zusehen. Festspielintendantin Elisabeth Sobotka ist zuversichtlich, dass sichauch das Publikum davon überzeugen lässt. Letztlich gehe es nicht darum, eineimmer noch spektakulärere Bühnensituation zu entwerfen. Man sieht ein BlattPapier, eine Tuschezeichnung, die weggeworfen zu sein scheint. Homoki wertet das Blatt als Metapher. „Es isteine gut geeignete Spielfläche. Jeder Mensch hat darauf sofort eine großeVerdrängung, diese Bühne vergrößert die Figuren“, schildert er seineErfahrung. „Unser Anspruch ist es, dieAugen der Zuschauer auf die Figuren zu lenken.“
Das Blatt mit einer Höhevon 23 Metern und einer Breite von 33 Metern wiegt rund 300 Tonnen, wirkt aberfiligran. Ein weiteres Bühnenteil ist ein elf Meter langes Papierschiff. Hinzukommt ein schwimmendes Auftrittspodium des Fürsten Yamadori, der erfolglos umdie Hand der verlassenen Geisha anhält.
„Magische Veränderungen“
Seit zwei Jahren sei dasKonzept fixiert. Jedes Detail habe er anhand von klitzekleinen Figurenüberprüft. Die Seebühne bedingt eine lange Vorlaufzeit. Was Passanten, die dieBühnenskulptur am Bregenzer Seeufer schon seit Wochen sehen konnten, nichtkennen, ist, wie sich die Landschaftszeichnung durch den Einsatz vonVideotechnik verändert. Es sei dabei nicht von Projektionen zu sprechen,sondern von „magischen Veränderungen“, sagt Homoki und schürt damit dieErwartung.
Übrigens: „Das Rheingold“,die jüngste Inszenierung des Regisseurs an seinem Haus in Zürich, hatte imApril Premiere. Im Herbst folgt mit „Die Walküre“ seine Sicht auf den zweitenTeil von Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“. CD
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