Bewusstes und nachhaltiges Essen ist aktuell der Megatrend in Sachen Ernährung. Doch wie sieht es in den nächsten Jahren aus? Zukunftsforscher Tristan Horx (29) wagt einen Ausblick. Der studierte Politikwissenschaftler ist in die Fußstapfen seines Vaters Matthias Horx getreten, der 1998 das Zukunftsinstitut gründete. Der 30-Jährige setzt sich intensiv mit Trends wie Digitalisierung, New Work und Nachhaltigkeit auseinander.
Vor allem im Agrarsektor sieht er ein enormes Potenzial für technologische Innovationen, wie er in einer neuen Podcast-Folge der Initiative Milch zum Tag der Zukunft am 27. April erklärt. Welche Technologien in der Zukunft bei den Themen Nachhaltigkeit, Ernährung und Einkaufen eine Rolle spielen werden und welche Herausforderungen auf uns in den nächsten Jahren warten, erklärt er im Interview.
Zunächst ein ganz allgemeiner Blick in die Glaskugel: Wie sieht unser Leben in 20 Jahren aus?
Tristan Horx: Auch wenn sich meine Glaskugel gerade bei der Reparatur befindet, kann ich dennoch ein paar Prognosen wagen. Bis 2040 werden wir weitaus ökologischer leben, unsere Energieversorgung wird großteils nachhaltig sein. Auch im Konsum werden wir sehen, dass regionale und Bio-Produkte vermehrt zur Norm geworden sind. Wir wachsen qualitativ, statt endlos quantitativ. Auch die Digitalisierung wird bis dahin in Deutschland angekommen sein.
Welche Rolle wird Digitalisierung in der Zukunft spielen? Vor allem in den Bereichen Ernährung, Einkaufen und Nachhaltigkeit.
Horx: Eines Tages werden wir beim Einkaufen nicht mehr zu einer Kasse müssen, sondern einfach unsere Produkte nehmen und sie werden automatisch beim Verlassen des Supermarktes abgebucht. Auch die Regale werden nicht mehr von Hand gefüllt werden müssen – das können Maschinen besser, schneller und effizienter. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich vor Ort um das Soziale, Emphatische kümmern, bei Einkaufsentscheidungen beraten oder bei der Suche gewisser Produkte helfen. Auch die Lieferdienste werden vermutlich digitalisiert werden, entweder via Lieferroboter oder gleich mit der Drohne durch die Lüfte.
Vor allem im Agrarsektor sehen Sie ein enormes Potenzial für technologische Innovationen. Welche Trends beobachten Sie als Zukunftsforscher?
Horx: Der Agrarsektor zeichnet sich durch sehr viele Daten aus. Es gibt jetzt bereits automatisierte Traktoren, um etwa Felder zu jäten oder zu ernten. Mit Drohnen kann man aus der Luft Herdenbewegungen analysieren und verstehen, oder durch eine Künstliche Intelligenz kranke Tiere möglichst erkennen und anschließend versorgen. Auch in der Zusammensetzung und Anwendung von Dünger und Wasser kann die Digitalisierung helfen, Verschwendungen zu reduzieren – mit Blick auf das Klima eine wunderbare Angelegenheit.
Welche neuen Technologien können wir einsetzen, um eine nachhaltigere Ernährung zu fördern?
Horx: Vor allem der Ressourcenverbrauch kann von künstlicher Intelligenz so gestaltet werden, dass er möglichst effizient und ökologisch verträglich ist. Vor allem mit Blick auf Wasser, das in Zukunft eine immer knappere Ressource werden wird, sind das gute Nachrichten.
Aus Ihrer Sicht: Wird es die Landwirtschaft, wie wir sie heute kennen, in Zukunft noch geben?
Horx: Gewisse Kulturtechniken gibt es schon seit Ewigkeiten und sie werden auch weiter bestehen. Vor allem im Bereich Viehwirtschaft wird es den Konsumenten in Zukunft weiterhin wichtig sein, dass Menschen mit den Tieren interagieren. Und da sind wir auf dem besten Weg: Das Melken übernimmt heute schon der Roboter. Dadurch erhält der Milchwirt Zeit, sich individueller um das weitere Wohlergehen seiner Kühe in direktem Kontakt zu kümmern.
Welche Rolle spielen die unterschiedlichen Generationen dabei? Hat Nachhaltigkeit einen unterschiedlichen Stellenwert in den Generationen bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern?
Horx: Es ist ein Klischee, dass nur die jungen Generationen sich für Nachhaltigkeit interessieren. Man sieht es in Deutschland quer durch alle Alterskohorten als wichtigen Stellenwert. Zwischen Letzte Generation und Fridays for Hubraum, einer Gegenposition zu Fridays for Future, gibt es eine große Mehrheit der Gesellschaft, die gerne nachhaltiger leben möchte, aber nicht so laut ist. Genau diese Mitte wird die Zukunft tragen.
Immer mehr Menschen verzichten bewusst auf tierische Produkte. Setzt sich dieser Trend in den nächsten Jahren fort?
Horx: Ja, das zeigt sich quer durch alle Statistiken. Der Trend geht in Richtung bewusste Ernährung. Regionalität und Qualität werden immer wichtiger. Es ist abzusehen, dass das Konsumverhalten diverser wird. Der Großteil der Bevölkerung sind Flexitarier, also ernähren sich in der Mitte – sie schränken ihren Konsum tierischer Produkte bewusst ein und stehen für einen nachhaltigen, qualitätsorientierten und ausbalancierten Verzehr von tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln. Das ist auch gut so. Denn man darf nicht vergessen, Milch ist der Grundrohstoff für eine ganze Menge anderer Produkte, die man noch nach wie vor wirklich nicht nachgebaut kriegt. Und gegen den Sonntagsbraten und damit bewussten Konsum sollten wir uns nicht wehren, aber dreimal am Tag, sieben Tage die Woche brauchen wir das nicht.
Hitzewellen, Überschwemmungen, Dürrephasen, … Worauf können, sollen oder müssen wir bei unserer Ernährung achten, um bewusster und nachhaltiger konsumieren zu können?
Horx: Eine Mischung aus dem Alten und dem Neuen. Sich von Oma die Techniken anzueignen, mit denen Lebensmittel länger halten können. Von Lebensmittellogistik im Haushalt bis zum Einlegen von Gemüse. Aber auch durch Technologie können wir einen besseren Überblick bewahren, wann welche Produkte ablaufen, oder wie man sie noch in einem schönen Gericht verwerten kann.
Werden wir unsere Lebensmittel in der Zukunft nur noch online per Smartphone bestellen?
Horx: Das glaube ich nicht. Für den Wocheneinkauf könnte es durchaus sein, aber Ernährung ist auch manchmal ein Abenteuer: Da möchte man in einen Laden gehen und auch den Zufall gewähren lassen. Wichtig ist, dass die Einkaufserfahrung vor Ort eine gute ist, dann gehen die Menschen sich gerne vor Ort inspirieren, neue Sachen auszuprobieren. Der Markt ist vor allem auch ein sozialer Ort, auf diesen sollte man sich fokussieren.
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